Aus der Gutachterpraxis des iba-Instituts Blasen in Beschichtungen auf ­Estrich und Beton

Blasen und Beulen in Beschichtungen auf Bauteilen aus Stahlbeton (Sandwichelemente, Ortbeton, Industrieböden) oder Estrichen sind ein Ärgernis. Was ist die Ursache, wer ist verantwortlich, wie kann saniert werden, ohne dass wieder neue Blasen entstehen?

Blasen und Beulen in Beschichtungen auf Estrichen oder Betonböden. - © iba-Institut

Problematisch ist es besonders dann, wenn solche mit Flüssigkeit gefüllten Blasen durch Nutzung und Frequentierung (z.B. dem Befahren mit Gabelstaplern, Aufstellen von Lagerware, u.a.) aufplatzen: Neben Rutsch- und Stolpergefahren kann es auch zu unangenehmen Geruchsbelästigungen kommen. Bei Gewässerschutzbeschichtungen ist möglicherweise dadurch auch die Funktion (Dichtigkeit gegenüber wassergefährdenden Stoffen) beeinträchtigt. Außerdem: Der Bauherr hat die Blasen auch nicht bestellt und will derartige Fehler meistens auch nicht hinnehmen.

Blasen in Beschichtungen – häufige Ursache: Osmose

Oft hört man von Osmose, doch was verbirgt sich dahinter? Osmose hat jeder schon einmal beobachtet: Als Phänomen des Alltags wie z.B. dem Platzen von reifen Kirschen nach einem Regenschauer, oder der Feststellung, dass ungesalzenes Kochwasser den Braten verändert, weil dadurch dem Fleisch Salze und Geschmacksstoffe, u.a. entzogen werden. Osmose ist die einseitig gerichtete Diffusion von Flüssigkeiten durch eine halbdurchlässige Membran zum Zwecke des Konzentrationsausgleichs, wenn sich auf beiden Seiten Lösungen mit unterschiedlichen Konzentrationen befinden (Konzentrationsgefälle). Voraussetzung ist, dass die Membran für das Lösungsmittel durchlässig ist, nicht aber für den darin gelösten Stoff. Durch Herstellung des osmotischen Gleichgewichtes kann es daher zur Erhöhung des Flüssigkeitsvolumens auf der Seite der Membran/Trennwand mit der höheren Konzentration kommen (vgl. Grafik 1).

Dabei entsteht osmotischer Druck, der unter bestimmten Voraussetzungen zu Blasen in der Beschichtung führt. Die Grundierung einer Beschichtung kann solch eine semipermeable Membran auf dem Beton/Estrich erzeugen, aber auch die oberflächennahe Randzone des Betons/Estrichs kann eine solche darstellen. Die Osmose kann dabei sowohl durch organische, als auch durch anorganische Substanzen ausgelöst werden. Bei organischen Substanzen handelt es sich insbesondere um wasserlösliche oder wassermischbare Bestandteile, die chemisch nicht gebunden sind (z.B. Weichmacher, reaktivitätsregulierende Additive, wassermischbare Lösemittel oder unvernetzte Bestandteile des Harzes oder des Härters von Kunstharzbeschichtungen.

Grafik 1 - Theorie der Osmose: Herstellung des osmotischen Gleichgewichtes. - © iba-Institut

Wann kommt es zu Blasen in Beschichtungen durch Osmose?

Damit osmotische Blasenbildungen entstehen, müssen ­allerdings alle folgenden Faktoren gegeben sein (vgl. Grafik 2):

Grafik 2: Theorie der Blasenbildung in Beschichtungen durch Osmose. - © iba-Institut
  • Die Beschichtung muss plastoelastisch (dehnbar) und druckdicht sein, da ansonsten der Druck entweichen würde und keine Blasenbildung stattfindet.
  • Vorhandensein einer semipermeablen Membran (Grundierung, oberflächennahe Randzone von Beton/Estrich).
  • Es müssen wasserlösliche Stoffe in der Beschichtung bzw. in der Grenzfläche zum für diese Stoffe undurchlässigen Untergrund vorhanden sein.
  • Konzentrationsgefälle zwischen den beiden Seiten der halbdurchlässigen Membran.
  • Der osmotische Druck muss (lokal) größer sein, als der Haftverbund zum Untergrund. Der osmotische Druck kann dabei 2,5 N/mm² überschreiten.
  • Für die Osmose ist zudem das Vorhandensein eines Lösungsmittels (z.B. Wasser) notwendig:
  • aufsteigende Feuchte aus dem Untergrund,
  • nachstoßende Feuchtigkeit aus dem Stahlbeton,
  • Restfeuchte im Untergrund,
  • Kondensatbildung auf der zu beschichtenden Oberfläche (Unterschreitung des Taupunkts).

Erkennen von osmotischen ­Blasen

Der Blaseninhalt ist in der Regel stark alkalisch. Dies wird vor allem durch Natrium- und Kaliumverbindungen des mineralischen Untergrundes verursacht. Durch sensorische Prüfungen können auch Lösemittel und/oder Härterbestandteile von 2K-Beschichtungsstoffen festgestellt werden (typischer Geruch).

Als erster Anhaltspunkt wird daher unmittelbar nach der Öffnung der Blase vor Ort der pH-Wert des Blaseninhalts bestimmt. Vorsicht: Schutzbrille und Handschuhe tragen, Flüssigkeit ätzt und steht unter Druck!

Daran werden in der Regel Laborprüfungen der Blasenflüssigkeit angeschlossen (Bestimmung des Feststoffanteils, der anorganischen und organischen Anteile. Darüber hinaus erlauben lichtmikroskopische Untersuchungen an Bohrkernen Anhaltspunkte über den Gefügezustand des Untergrundes und den Beschichtungsaufbau (Schichtenfolge und Schichtdicken).

Wie kann man Osmose ­verhindern?

Eine häufige Ursache von Blasen in Beschichtungen ist Osmose. - © iba-Institut

Für die Entstehung von osmotischen Blasen reicht das Vorhandensein von Restfeuchte im Untergrund im Regelfall aus. Daher ist gemäß den Prüfungs-, Sorgfalts- und Hinweispflichten des Auftragnehmers der Untergrund auf Trockenheit (durch Augenschein und Feuchtigkeitsmessung) und auf die Gefahr aufsteigender Feuchtigkeit (durch Befragen des Bauherrn, Planers, Bauleiters u.a.) hin zu überprüfen sowie die allgemeinen raumklimatischen Verhältnisse und die Untergrundtemperatur zu messen und zu dokumentieren. Neben den normativen Vorgaben der ATV DIN 18 363 "Maler- und Lackierarbeiten – Beschichtungen" und der ATV DIN 18 353 "Estricharbeiten" sind die Prüfpflichten des Auftragnehmers in mitgeltenden Regelwerken definiert: z.B. BFS-Merkblatt Nr. 1 "Beschichtung/Instandhaltung von Betonaußenflächen" (Stand: April 2022), DAfStb-Richtlinie "Schutz und Instandsetzung für Betonbauteile (Instandsetzungsrichtlinie)" (Stand: Oktober 2001) und BEB-Arbeitsblatt KH-0/U "Industrieböden aus Reaktionsharz - Prüfung des Untergrundes" (Ausgabe: Mai 2001). In dem vorzitierten BEB-Merkblatt heißt es u.a. zur Gefahr der aufsteigenden Feuchtigkeit bei Fußbodenkonstruktionen, dass gegen Erdreich betonierte Bodenplatten gegen Durchfeuchtung geschützt sein sollen – bei Gebäuden im Bestand durch eine kapillarbrechende Schicht, Abdichtungsebene nach DIN 18 195-4, bei Neubauten nach den normativen Vorgaben der DIN 18 534 "Abdichtung von Innenräumen" (Stand: Juli 2017). Fehlt ein solcher Schutz gegen Durchfeuchtung und ist mit aufsteigender Feuchtigkeit zu rechnen, ist ein diffusionsoffenes Beschichtungssystem zu verwenden.

Verarbeitungsanleitungen und Technische Merkblätter genau beachten

Generell sind gerade bei zweikomponentigen Beschichtungsstoffen die Verarbeitungsanleitungen und Technischen Merkblätter der Hersteller solcher bauchemischen Produkte wie z.B. Angaben zu Mischungsverhältnissen zwischen Harz und Härter, Mischdauer, Vorgaben zu raumklimatischen Bedingungen, die bei der Verarbeitung und während der Aushärtung herrschen müssen usw. peinlich genau zu beachten.
In dem vorgenannten BEB-Arbeitsblatt ist unter Punkt 3.16 "Osmose" aufgeführt, dass sich osmotische Blasenbildungen auch bei ordnungsgemäßer Prüfung des Untergrundes, größter Sorgfalt bei der Applikation, Beachtung der Herstellerangaben unter ungünstigen Umständen in seltenen Fällen nicht völlig vermeiden lassen, aber dann auch nicht durch den Ausführenden zu vertreten sind.

Wichtig: Den Bauherrn beraten!

Der Auftraggeber/Bauherr sollte vom Auftragnehmer in jedem Falle auf die mögliche Bildung von osmotischen Blasen hingewiesen werden, wenn auf jungem Beton oder neuem Estrich eine Beschichtung aufgetragen werden soll. Das gilt umso mehr, wenn beim Bauen im Bestand unbekannte Bauweisen (alte Fassaden, unbekannte Fußböden) vorliegen und mit einer mehr oder weniger dampfdichten Beschichtung zu applizieren sind. Auf das Vorhandensein funktionstüchtiger Abdichtungsebenen sollte für diesen Fall frühzeitig hingewiesen werden, besser: schriftlich! Diese Vorgehensweise ist heute für jeden am Bau Beteiligten (Stichwort: gesamtschuldnerische Haftung des Planers, Bauleiters und Ausführenden gegenüber dem Bauherrn als Besteller) von elementarer Bedeutung und damit existenziell, um sich selbst im Schadensfall gegenüber Regressforderungen aus Sachmängelhaftung (früher Gewährleistung) abzusichern.

Risiken minimieren: So gehts!

Ein Rezept zur absolut sicheren Vermeidung solcher osmotischen Blasenbildungen existiert nicht. Jedoch kann die Wahrscheinlichkeit, dass solche Blasen überhaupt erst entstehen, durch folgende Maßnahmen reduziert werden:

  • Schutz des Stahlbetons vor Feuchtigkeit (Abdichtung, u.a.).
  • Überprüfung der Restfeuchte des Untergrundes.
  • ausreichende (mechanische) Untergrundvorbehandlung.
  • zeitnahes Aufbringen der Beschichtung nach der Untergrundvorbehandlung (Kugelstrahlen und Absaugen nach mechanischer Untergrundvorbehandlung und Absaugen zwischen jedem Arbeitsgang).
  • Bei Fußböden: Aufbringen einer Pufferzone aus (grobporiger) wasserdampfdurchlässiger Zwischenspachtelung [z.B. Epoxid-Zementmörtel (ECC), 2-3 mm, als Alternativposition anbieten].
  • Grundsätzlich: Einhaltung von Mindestschichtdicken der Grundierung und bei der Beschichtung.
  • Mischdauer und Mischungsverhältnisse von zweikomponentigen Systemen einhalten (Waage benutzen, Umtopfen nicht vergessen!),
  • Auswahl eines diffusionsoffenen Beschichtungssystems (falls technisch sinnvoll und für die vorgesehene Nutzung hinreichend gebrauchstauglich!).
  • Wenn möglich, lösemittelfreies Beschichtungssystem verwenden.
  • Formulierung des Beschichtungssystems darf keine osmosefördernden Substanzen enthalten (Hersteller befragen!)
  • Besser bei fallenden Lufttemperaturen arbeiten, aber immer gilt: Taupunkt beachten!
  • Werden die vorgenannten Hinweise beachtet, dann sollte es eigentlich klappen.

Literatur

[1] Prof. Dr.-Ing. habil. Heinz Klopfer „Anstrichschäden“ (1. Auflage, 1976)
[2] Dipl.-Ing. Frank Laux „Beschichtung von Balkonen und Loggien - Hinweise zur schadensfreien Ausführung“ in Tagungsband „2. Deutscher Balkon-Kongreß 2000“ des IBK
[3] R. Letsch „Blasenbildung bei Kunststoffbeschichtungen auf Beton“ in Tagungsband „Industrieböden ´99“ zum Internationalen Kolloquium der Technischen Akademie Esslingen, 1999
[4] Dipl.-Chemiker Ingo Niedner „Schäden an Beschichtungen durch Osmose“ in Tagungsband „BEB-Sachverständigentreffen 2003“ des Bundesverband Estrich und Belag e.V.
[5] Dipl.-Ing. Lars Wolff u.a. „Auswirkung der Grundierung auf die Blasenbildung bei der Beschichtung von Beton“ in Tagungsband „2. Kolloquium Verkehrsbauten“ der Technischen Akademie Esslingen, 2006
[6] Dipl.-Ing. (FH) Hans-Joachim Rolof „Blasen in Beschichtung – Osmose oder Betonkernaktivierung“ in der Fachzeitschrift EstrichTechnik Ausgabe 203 aus 2018

Ausblick

In 2005/2006 wurden am Institut für Bauforschung (ibac) der RWTH Aachen wissenschaftliche Forschungen hinsichtlich der Entstehung und Vermeidung von osmotischen Blasenbildungen in Kunstharzbeschichtungen auf Betonflächen und dem Zusammenhang zwischen bestimmten organischen und anorganischen Bestandteilen der Grundierung, Beschichtung und/oder des Zementes und der dadurch begünstigten Osmose durchgeführt. Daraus resultierende Erkenntnisse aus der Forschung sind in [5] enthalten. Darin wird u.a. vermutet, dass ursächlich für die Blasenbildungen nicht osmotische Vorgänge sind, sondern eine gerichtete Diffusion, da eine semipermeable Membran nicht nachgewiesen werden konnte bzw. nach den dortigen (vorläufigen) Erkenntnissen gar nicht vorliegen kann. Grund für diese Folgerung ist, dass die in den Blasenflüssigkeiten nachgewiesenen anorganischen Stoffe (z.B. Kalium [4]) schließlich aus dem Untergrund selbst stammen müssen (Beton, Estrich), weil die organische Beschichtung im Bindemittel solche anorganischen Stoffe nicht enthält, welche die Osmose zu begünstigen vermag. Daher ist möglicherweise die Lösungsdiffusion als bauphysikalischer Transportvorgang von Flüssigkeiten oder darin gelöster bzw. transportierter Stoffe durch Feststoffe der tatsächliche Auslöser derartiger Blasen, die phänomenologisch der Osmose zugeschrieben wurden. Die Forschung auf diesem Gebiet dauert weiterhin an, sodass letztlich eindeutig gesicherte Erkenntnisse eben noch nicht vorliegen.

Abschließende Erkenntnisse zu diesem Thema sind daher erst in der Zukunft zu erwarten, insbesondere auch in Bezug auf die Begünstigung der Osmose und/oder Lösungsdiffusion als Ursache von Blasen in Beschichtungen auf Beton durch den Zusatz von Flugasche in Beton. Auch im iba-Institut werden aufgrund vielzähliger Schadensfälle blasenbehafteter Beschichtungen auf Industrieböden Erkenntnisse gesammelt und zu gegebener Zeit veröffentlicht. Inwieweit der „eingebürgerte“ Begriff der osmotischen Blasenbildung daher weiterhin aufrechterhalten werden kann oder ob in Zukunft nur von einer Lösungsdiffusion gesprochen werden muss, wird sich dann herausstellen.

Der Autor

Dipl.-Ing. (FH) Hans Joachim Rolof ist ö.b.u.v. Berufssachverständiger im iba-Institut Düsseldorf, Koblenz, Stuttgart.