Fußbodenschäden vor Gericht Streit um die Estrichoberfläche

Auf einer großen Wohnungsbaustelle wurden ca. 6.000 m² beheizter Calciumsulfatfließestrich eingebaut, auf dem ­PVC-Designbeläge zu verlegen waren. Im Vorfeld kontrollierte der Bodenleger die Ausführung der Estricharbeiten. Dabei reklamierte er auch die mehr oder weniger intensiven „Sinterschichten“ in der Estrichoberfläche.

Intensive „Sinterschicht“ auf einen neu eingebauten, beheizten Calciumsulfatfließestrich.
Intensive „Sinterschicht“ auf einen neu eingebauten, beheizten Calciumsulfatfließestrich. - © Steinhäuser

Auf der Baustelle kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen, wenn es um die Belegereife und vor allem um die Oberflächenbeschaffenheit von neu eingebauten Calciumsulfatfließestrichen und somit um den Baufortschritt geht. Ein ganz wesentlicher Grund für die Streitigkeiten auf der Baustelle ist die Auslobung der Estrichhersteller, die in ihren technischen Unterlagen behaupten, unser Calciumsulfatfließestrich muss nicht ab- oder angeschliffen werden. Bei dieser Aussage vergessen sie aber den ganz entscheidenden Nebensatz, aber nur dann, „wenn unser Calciumsulfatfließestrich fachgerecht und mangelfrei eingebaut wurde“. Und da scheiden sich eben die Geister. Der Estrichleger zeigt dem Bauherrn die technische Unterlage des Estrichherstellers und ist der Meinung, damit ist er fein raus. Hier kann man jedem Parkett- und Bodenleger nur raten, den Bauherrn mit dem Merkblatt 4 der Industriegruppe Estrichstoffe im Bundesverband der Gipsindustrie e. V., Berlin und des Industrieverbandes WerkMörtel e. V. Duisburg Stand 12/2011 „Beurteilung und Behandlung der Oberfläche von Calciumsulfatfließ­estrichen“ /6/ aufzuklären. Hier heißt es: „Es entspricht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, dass Fließ­estriche angeschliffen werden. Auf das Anschleifen kann jedoch verzichtet werden, wenn der Fließestrich eine für den Verwendungszweck ausreichende Oberfläche aufweist“. Und genau das muss der Parkett- und Bodenleger prüfen, beispielsweise mit der Gitterritz-, Drahtbürsten- oder Benetzungsprüfung.

Wenn die Estrichoberfläche aufgrund eines Verarbeitungsfehlers mangelhaft ist, muss eine entsprechende Oberflächenbehandlung ausgeführt werden, um die Estrichoberfläche belegreif herzustellen. Harte Schalen, überwiegend verursacht durch falsche Wasserzugabe, müssen durch Abstoßen, Abschleifen, Abfräsen oder Kugelstrahlen entfernt werden. Ausblühungen, die die technischen Eigenschaften des Estrichs nicht beeinträchtigen, sind durch Abkehren zu beseitigen. Weiche und mehlige Oberflächen reduzieren die Oberflächenhärte und entstehen durch den Einbau von überwässerten Estrichen. Diese Schicht ist bis auf die feste Estrichmatrix abzuschleifen. Unzureichende Saugfähigkeit kann durch maschinelles Bürsten oder Anschleifen behoben werden.

Der umstrittenste Mangel nahezu auf jeder Baustelle ist aber die sogenannte „Sinterschicht“ auch als „Kalkhäutchen“ bezeichnet. Übrigens hat sich der Begriff „Sinterschicht“ fälschlicherweise eingebürgert, obwohl diese Oberflächenerscheinung nichts mit Sintern zu tun hat. Die Ursache für die „Sinterschicht“ sind sehr kleine Gipskristalle, die sehr dicht zusammengewachsen sind, wobei eine fast gasdichte, glatte, nach oben abschließende Haut entstand. Die Entstehung dieser Haut wird durch die hohen Feinanteile des Bindemittels und/oder durch intensives Schwabbeln unterstützt. Im oben erwähnten Merkblatt 4 Stand 12/2011 wird im Absatz 2.1 „Sinterschicht“ „Kalkhäutchen“ eine ausgezeichnete Erläuterung zu dieser Problematik gegeben, die leider vielen Estrichlegern und Bauherrn nicht bekannt ist und deshalb hier zitiert werden soll /6/: „Bei der Trocknung wird durch Kapillartransport Wasser an die Oberfläche transportiert. Die eventuell darin gelösten Stoffe (z.B. Kalk, Additive) können sich an der Estrichoberfläche ablagern und bilden dann eine so genannte „Sinterschicht“ oder „Kalkhäutchen“. Sie sind nur Bruchteile von Millimetern dick und erscheinen matt bis glänzend. Das Vorhandensein einer solchen Schicht ist visuell bzw. mittels Gitterritzprüfung, in Zweifelsfällen mit der Oberflächenfestigkeitsprüfung, festzustellen. Sinterschichten sind materialbedingt und können auch bei einwandfrei hergestellten Fließestrichen auftreten. Sie können das Haftvermögen zwischen Estrich und Belag vermindern und sind daher durch Abschaben oder Anschleifen zu entfernen.“

Der Fall: Intensive "Sinterschichten" in der Estrichoberfläche


Auf einer großen Wohnungsbaustelle wurden ca. 6.000 m² beheizter Calciumsulfatfließestrich eingebaut, auf dem PVC-Designbeläge zu verlegen waren. Im Vorfeld kontrollierte der Bodenleger die Ausführung der Estricharbeiten. Mangelhaft war die Ausführung der Randdämmstreifen und die zu geringen Markierungen für die Durchführung der Feuchteprüfung mit dem CM-Gerät. Das war zwar ärgerlich, aber der Estrichleger hat hier auf seine Kosten nachgearbeitet. Zum großen Streit kam es allerdings, als der Bodenleger die mehr oder weniger intensiven „Sinterschichten“ in der Estrichoberfläche reklamierte. Der Estrichleger legte der Bauleitung eine technische Unterlage vom Estrichhersteller vor, nach der sein Estrich weder ab- noch angeschliffen werden muss. Der Bodenleger lehnte das Verlegen der PVC-Designbeläge auf diesen Estrich mit dieser „Sinterschicht“ ab. Es kam zum Rechtsstreit. Die Bauleitung bestand auf einem Schiedsgutachten und schaltete einen Sachverständigen ein.

Schadensbild/Schadensursache

Das Entfernen der „Sinterschicht“ wurde mit einer Drahtbürste geprüft.
Das Entfernen der „Sinterschicht“ wurde mit einer Drahtbürste geprüft. - © Steinhäuser

Der Sachverständige stellte einmal rein optisch als auch durch eine Gitterritz- sowie Drahtbürstenprüfung das Vorhandensein mehr oder weniger intensiver „Sinterschichten“ fest. Der Sachverständige stellte weiterhin fest, dass es sich bei den „Sinterschichten“ um einen Estrichmangel handelt und das deshalb diese Schichten mechanisch zu entfernen sind, um die sichere Anbindung der Verlegewerkstoffe Dispersionsgrundierung, Anhydritspachtelmasse, Dispersionskleber – zu gewährleisten. Der Sachverständige begründete das mechanische Entfernen mit anschließendem Absaugen mit einem Industriesauger wie folgt:

  • Die harten „Sinterschichten“ sind nicht wasserbeständig, sie werden durch den Dispersionsvorstrich angelöst.
  • Der Dispersionsvorstrich kann keine feste Verbindung zu den in diesem Fall oberflächenlabil gewordenen Calciumsulfatfließestrich aufbauen, da dieser Estrich durch den Vorstrich in der Oberfläche weich geworden ist.
  • An der Estrichoberfläche finden ­bedingt durch das Wasser im ­Dispersionsvorstrich Umkristallisationsprozesse statt, die zu einer weißen „Puder- oder Staubschicht“ unterhalb der Spachtelung führen.
  • Sobald die später aufgebrachte Spachtelung ihre Festigkeit entwickelt, entstehen Abbinde- und Trocknungsspannungen, die wegen der gestörten Anbindung des Vorstriches an den Estrich nicht auf den Untergrund übertragen werden können. In der Folge schert die Spachtelung genau unterhalb des Vorstriches im Bereich der ehemaligen harten „Sinterschicht“ ab. Es kommt zum Bruch in der Konstruktion, also zur Ablösung der Spachtelmasse von Calciumsulfatfließ­estrich (Adhäsionsbruch). Das geschieht umso wahrscheinlicher, je größer die Spachteldicke ist. Verantwortlich ist hier das größere Feuchtepotential.

Die harten „Sinterschichten“ behindern außerdem die Austrocknung des Calciumsulfatfließestriches. Bleibt der Calciumsulfatfließestrich lange feucht, bleibt er auch lange weich, da Calciumsulfatfließestrich feuchtigkeitsempfindlich ist. Dieses „Phänomen“ wird dann auch häufig auf der Baustelle diskutiert. Sinterschichten sollten deshalb ca. 5 bis 10 Tage nach dem Einbau des Estrichs mechanisch entfernt werden. Nach dem mechanischen Entfernen der harten „Sinterschichten“ ist der Estrich mit einem Industriesauger gründlich abzusaugen.

Bei den „Sinterschichten“ handelt es sich um einen Estrichmangel, der in der Regel vom Estrichleger zu beseitigen ist. Diese Mangelbeseitigung ist nicht zu verwechseln mit dem Sauberschliff der Estrichoberfläche, der unmittelbar vor dem Einbau der Verlegewerkstoffe vom Verarbeiter auszuführen ist. Wird der Parkett- oder Bodenleger mit der Beseitigung der harten „Sinterschichten“ beauftragt, ist dem Verarbeiter diese Bauleistung als „Besondere Leistung“ extra zu vergüten.

Schadensbeseitigung

Der Estrichleger hat zu seinen Lasten die „Sinterschichten“ mechanisch entfernt. Dadurch war eine schadensfreie Verlegung der PVC-Designbeläge möglich und gewährleistet.

Calciumsulfatfließestrich: Vor- und Nachteile auf einen Blick

Calciumsulfatfließestrich ist ein sicherer, umweltverträglicher, gesundheitlich unbedenklicher und zwischenzeitlich auch ein sehr praxiserprobter Baustoff. Calciumsulfatfließestriche haben sich besonders im Innenbereich und hier besonders im Wohnungsneubau bewährt. Unbestritten sind folgende Vorteile:

  • sind für alle Estricharten geeignet,
  • erfordern beim Einsatz entsprechender Verarbeitungstechnik einen geringeren Arbeits- und Kraftaufwand als bei konventionellen ­Estrichen und ermöglichen dadurch hohe Verlegeleistungen,
  • durch den Einsatz von Werktrockenmörtel oder von Werkfrischmörtel können Verarbeitungsfehler weitestgehend ausgeschlossen ­werden,
  • sie lassen sich leicht nivellieren, wodurch größere Unebenheiten so gut wie ausgeschlossen werden,
  • sie besitzen eine hohe Raumbeständigkeit, das Schwind- und Quellverhalten ist mit weniger als 0,2 mm pro Meter vernachlässigbar, ­deshalb können auch große Flächen ohne Fugen und ohne nennenswerte Rissbildung hergestellt werden,
  • Aufschüsselungen und Randabsenkungen finden hier nicht statt,
  • sie besitzen eine sehr hohe Frühfestigkeit und können deshalb sehr früh begangen und belastet werden, in der Regel ist ein Begehen nach 2 Tagen und ein Belasten nach 5 Tagen möglich,
  • sie besitzen eine ausgesprochen hohe Biegezugfestigkeit, was sich positiv auf die Estrichdicke bei schwimmenden Estrichen auswirkt, die dadurch „gewonnene Aufbauhöhe“ kann hier in zusätzliche Wärme- und Trittschalldämmung investiert werden,
  • die gute Fließfähigkeit sorgt für eine nahezu perfekte und hohlraumfreie Heizrohrumschließung bei Fußbodenheizungen und das dichte Gefüge für eine hohe Wärmeleitung,
  • aufgrund der niedrigen Wärmeausdehnung sind bei Fußbodenheizungen nur im geringen Umfang Bewegungsfugen erforderlich,
  • bei Heizestrichen kann bereits 7 Tage nach dem Einbau mit dem Aufheizen begonnen werden,
  • sie können in der Regel aufgrund ihres günstigen Verformungsverhaltens bereits zwei Tage nach dem Einbau zwangsgetrocknet werden,
  • auf Calciumsulfatfließestriche können alle möglichen Bodenbeläge verlegt werden.

Diese Estriche haben aber auch ihre Grenzen:

  • sie vertragen keine dauerhaften und massiven Feuchtebelastungen, deshalb sind sie für Außenanwendungen oder echte, dauerhaft feuchtebelastete Bereiche nicht geeignet,
  • im häuslichen Bad mit Dusch- und Badewannen können sie jedoch bedenkenlos eingesetzt werden, allerdings ist dann eine Abdichtungsebene zwischen Estrich und Oberbelag in Form einer Verbundabdichtung mit Rand-Dichtungsstreifen vorzusehen,
  • bei einer kurzfristigen Durchfeuchtung aufgrund eines Wasserschadens kann die Festigkeit des Estrichs vorübergehend gemindert ­werden, nach der Austrocknung, beispielsweise durch Zwangstrocknung, wird in der Regel jedoch die ursprüngliche Festigkeit wieder ­erreicht,
  • die Abriebfestigkeit ist geringer wie bei Zementestrichen,
  • der Einbau ist mit einem relativ hohen technischen Aufwand verbunden,
  • von den Estrichlegern wird ein hohes Maß an Sorgfalt und Sachkenntnis gefordert,
  • sie sind sehr dicht und trocknen deshalb in großer Dicke sehr langsam aus, dabei haben diese Estriche in einer Dicke bis ca. 4 cm sogar Vorteile bei der Austrocknungsgeschwindigkeit, da die Belegereife auch bei höherer Luftfeuchte erreicht wird.