70 Jahre bwd – Folge 1 50er Jahre: Tischler verlegen Parkett, die Tuftingtechnologie ebnet dem Teppichboden den Weg

Welche Entwicklungen beflügelten die Bodenbelagsbranche in den vergangenen 70 Jahren? Welche Persönlichkeiten und Unternehmen aus Handwerk, Handel und Industrie prägten sie? Begeben Sie sich mit bwd in sieben Folgen auf eine spannende Zeitreise durch die Welt des Fußbodens.

Titelbild Ausgab 1 1958
Das Titelbild der Ausgabe 1 aus dem Jahr 1958. - © bwd

1954 – Das Wunder von Bern mit dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft schreibt mehr als nur deutsche Sportgeschichte, die Besatzungszeit ist zu Ende, West-Berlins Sicherheit wird garantiert, Deutschland tritt der Nato bei und begrüßt nach langer Zeit wieder zahlreiche ausländische Politiker und Staatsgäste. „Man ist wieder wer.“ Die Schlote rauchen, die Wirtschaft floriert, gleichzeitig ist der Bauboom der Nachkriegsjahre in vollem Gange.

70 Jahre bwd: Fachzeitschrift und Offertenblatt

In diese Zeit hineingeboren wird boden wand decke, genauer gesagt damals noch boden und ­decke als „Fachzeitschrift und Offertenblatt“ für Planung und Ausführung, wie sie sich damals vorstellte. Versandstandort ist Bad Wörishofen. Die Zeitschrift erscheint am 15. jeden Monats, kostet zwei Mark (zuzüglich drei Doppelpfennig Postzustellgebühr), kann durch alle Postämter bezogen werden und verfügt lt. Impressum damals über Vertretungen in London, Paris, Oslo, Stockholm, Zürich, Luxemburg, Wien und Helsinki. Thematisiert werden Bodenbeläge wie die Klassiker Parkett und Linoleum, aber auch Steinholz, Stragula, Asbest-Tiles, Schichtpressplatten, Spachtelböden oder Gussbeläge aus Asphalt.

Aber das ist nur ein Aspekt. Der soziale Wohnungsbau treibt die Konjunktur an und grundsätzliche Baufragen jener Zeit wie Schallschutz und Wärmedämmung stehen über allem. Nicht nur schalltechnische Begriffe und Probleme im Zusammenhang mit Fußböden, sondern ganz grundsätzliche Aufbauempfehlungen von Decken, Zwischen- und Trennwänden oder gar des kompletten Geschosswohnungsbaus werden ingenieurgemäß abgehandelt. Der Fußboden bleibt aber im Fokus.

Schwimmende Estriche mit all ihren Konstruktionsprinzipien und Anfangsproblemen sind Themen der Zeit wie der Wandel vom Stab- zum Mosaikparkett, vom Wachs zur Versiegelung oder vom traditionellen Linoleum zu modernen Kunststoffböden. Genau in diesem spannenden „Experimentierfeld Boden und Decke“ setzt die neue Fachzeitschrift aus dem Allgäu an, mit fundierten und sehr detaillierten Berichten von Wissenschaftlern, Ingenieuren, Chemikern, Architekten, Bauexperten oder ausgewiesenen Fachleuten aus der Industrie sowie eigenen Redakteuren, die das Metier technisch und fachjournalistisch perfekt beherrschen.

'boden und decke': Zu schade für den Papierkorb

Bereits in der 3. Ausgabe kann man von einem erfreulichen „Widerhall“ der „Spezialfachzeitschrift“ berichten und sieht die positive Resonanz seitens der Redaktion als erfreuliches Zeichen dafür, mit dem neuen Medium auf dem rechten Weg zu sein. Die zahlreichen zustimmenden Äußerungen und Bestellungen überraschen die Initiatoren, denn die Leser konstatieren unisono, dass die Zeitschrift für den „Papierkorb zu schade“ ist. Der ausdrückliche redaktionelle Hinweis, dass boden und decke eine Fachzeitschrift ist, deren Bezugsgebühr als steuerlich abzugsfähige Betriebsausgabe verbucht werden kann, ist ein weiterer Benefit, wie man heute sagen würde, aber auch nicht mehr.

bwd weicht in den nachfolgenden 70 Jahren nur wenig vom Prinzip der Anfangszeit ab. Zwar wechselt das Layout dem jeweiligen Anspruch der Zeit folgend, ebenso wie der immer wieder leicht modifizierte Name, das Themenportfolio erlebt ebenfalls Anpassungen, die Schwerpunkte werden unterschiedlich gesetzt, die Ziel- und Produktgruppen variiert, aber eine Gemeinsamkeit zieht sich durch alle Jahre und ist auch bis heute oberste Maxime: Die fachlich fundierte Information steht seit jeher an alleroberster Stelle und das Wohl des Handwerks wird niemals aus den Augen verloren.

Oberste Maxime von bwd: Die fachlich fundierte Information steht seit jeher an alleroberster Stelle und das Wohl des Handwerks wird niemals aus den Augen verloren.

Schaut man einmal auf die chronologische Abfolge der richtungsweisenden Beiträge in bwd, spiegelt sich darin sehr unmittelbar die Entwicklung des fußbodenlegenden Handwerks mit allen industriellen Vorgaben und Reaktionen, den technischen Anpassungen bzw. den rechtlichen sowie verbandspolitischen Rahmenbedingungen wider. Zu allen Zeiten wird das Branchengeschehen umfassend und neutral beschrieben und immer wieder mit maßgeblichen Inhalten unterstützt und teilweise sogar wegbereitend begleitet, wobei das Hauptgewicht immer und zu allen Zeiten auf fundierter Anwendungstechnik, denn auf unreflektierter PR liegt.

Handwerkspolitik stets im Fokus

Ein Schwerpunkt ist immer auch die Handwerkspolitik. Schon in einer der ersten Ausgaben wird eine Stellungnahme des Deutschen Handwerkskammertages zur Eintragung in die Handwerksrolle veröffentlicht „diejenigen Personen betreffend, die sich mit dem Verlegen von Kunstharzböden beschäftigen“. Hier geht es insbesondere um die gewerbliche Zuordnung der Herstellung von Spachtelböden, wobei im gleichen Zusammenhang die Verlegung des Linoleumbelages als Teiltätigkeit des Polster- oder Dekorateurhandwerks bezeichnet wird und für die Verlegung von „Korkplatten, Linoleumfliesen, Plastikfliesen, Floorasbestplatten oder Marleyplatten keine besonderen darüber hinausgehenden Fertigkeiten“ als erforderlich angesehen werden. Die Parkettverlegung gilt noch als wesentliche Teiltätigkeit des Tischlerhandwerks, wobei allerdings bereits Bestrebungen, die „Parkettlegerei“ als selbständiges Handwerk anzuerkennen, im Gange sind.

Holzpflaster-verlegen-bwd-1956
Die Verlegung von Holzpflaster, dargestellt in der Septemberausgabe von bwd 1956. - © bwd

Dabei haben technische Veränderungen der  Produkte, Materialien und Verlegemethoden den Beruf eines Fußbodenlegers immer notwendiger gemacht, weil gerade der Faktor Zeit bei handwerklichen Leistungen im Zuge der kurzfristigeren Fertigstellungstermine immer wichtiger wird, wie Ing. Obleser von den damaligen Pfälzischen Plastikwerken in einem bemerkenswerten Artikel in Ausgabe 1/1956 detailliert erläutert. Er untermauert die Forderung nach einem spezialisierten Fußbodenlegerberuf mit vielen stichhaltigen Argumenten und stellt die Wichtigkeit der Kenntnisse von Zusammenhängen zwischen Untergrundprüfung und Feuchteschäden heraus. „Das Bestreben, vor allem die Trocknungszeiten der Estriche herabzusetzen, führte zur Erfindung von vielen Zusätzen, die sich auch in der Praxis teilweise sehr gut bewährten. Leider ist es eine Tatsache, dass die angegebenen Werte dieser präparierten Estriche nicht immer mit der Praxis übereinstimmen“, bedauert Pegulanexperte Obleser. „Dies mag an den örtlich gewonnen Zuschlagstoffen liegen, aber vielleicht auch an der etwas optimistischen Beurteilung durch den Hersteller. Der Verleger hat nun laut VOB die undankbare Aufgabe, ja sogar die Pflicht, die Brauchbarkeit des Estrichs zu prüfen und daraufhin zu entscheiden, ob nun eine Verlegung erfolgen kann oder nicht.“

Schwimmender Estrich: "Tummelplatz von Wundermitteln"

Genau dieses Problem der Zusatzmittel thematisiert der Architekt Dipl.-Ing. H. Hanusch in Heft 3/1955 „Schwimmender Estrich mit Zusatzmitteln“ „... diese Zement­estriche aufgrund qualifizierter Fachkräfte und qualifizierter Arbeit teurer werden, als sie heute angeboten werden, da Hinz und Kunz meinen, zehn Eimer Sand und ein Eimer Zement ergäben einen erstklassigen schwimmenden Estrich .... Der beliebteste Weg zur Verbesserung des Zementestrichs wird heute vielfach in der lauten Propagierung von Zusatzmitteln gesehen. Klangvolle Phantasiebezeichnungen sollen der überraschten Fachwelt einhämmern, dass das neue Produkt nun kein üblicher Zementestrich mehr mit mannighaften Tücken sei, sondern etwas viel besseres, das noch nie da war. Dieser Estrich heißt dann auch nicht mehr Zementestrich, sondern xyz-Estrich. Solche heute in großer Zahl angepriesenen Wundermittel kommen der menschlichen Schwäche, das Brett dort zu bohren, wo es am dünnsten ist, entgegen …. Die festgestellte Sachunkenntnis ist eine Hauptursache dafür, dass der schwimmende Estrich u.a. zu einem Tummelplatz von Wundermitteln geworden ist.“

Evergreen: Feuchtigkeitsprüfung

Der Estrich, dessen Feuchtigkeitsprüfung und die Belegfähigkeit, ist einer dieser  Evergreens, zu der Zeit vorgetragen von dem sehr engagierten Dipl.-Ing H. Hanusch oder zum Beispiel auch von Kurt Kretschmer, der für die CM-Prüfung eines Zementestrichs Höchstgehalte von 2,5 bis 3,5 CM-% angibt. Er beschäftigte sich übrigens schon damals mit alternativen Messmethoden bzw. Behelfsprüfungen:

  • Durchschlagpapier zusammengeknüllt über Nacht auf den Unterboden legen und mit etwa einem Quadratmeter Belag bedecken. Knistert das Papier am nächsten Morgen, so kann man annehmen, dass der Boden trocken ist.
  • Kopierstiftstriche auf den Boden ziehen. Sind diese Striche am nächsten Tag ausgelaufen oder blau verfärbt, so ist der Boden noch feucht.
  • Bei alkalischen Unterböden kann eine einprozentige  Phenolphtaleinlösung aufgetropft werden. Diese Lösung zeigt, je nach Feuchtigkeitsgehalt, eine stärkere oder schwächere Rotfärbung.

Parkett und Möglichkeiten der Versiegelung

Parkett ist deshalb auf dem Vormarsch, weil es dem damaligen Empfinden nach „down gegraded“ wird. So wird dem in der Schweiz entwickelten Mosaikparkett auch in Deutschland sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt und schon 1954 erläutert E. Kuhle in einem sehr fundierten Beitrag die Vorteile der neuen Produktgeneration gegenüber dem bisher vorherrschenden Stabparkett. „Ein Entwicklungsprogramm von vordringlicher Bedeutung“, schreibt damals bwd in weiser Voraussicht, um der Wichtigkeit der neuen Fertigungs- und Verlegetechnik, die seit einiger Zeit von sich reden macht, Nachdruck zu verleihen. Mit den Grundsätzen der Materialintensität (Ausbeute), der Weiterentwicklung technologischer Eigenschaften des Holzes (Reduzierung der Quell- und Schwindeigenschaften der „Verbilligung der Verlegung am Bau“), Argumenten,  die später von der Generation der Fertigparketthersteller lediglich mit anderen Worten vorgetragen werden, schafft Mosaikparkett für sich genau die richtigen Voraussetzungen, zu jener  Zeit erfolgreich zu sein.

Tafelparkett abgebildet in einer bwd-Ausgabe aus dem Jahr 1953. - © bwd

Parallel dazu beschäftigt sich Lackspezialist Helmut Sallinger in Heft 2/1954 mit neuen Möglichkeiten der Parkettversiegelung. Er beschreibt, dass  ölmodifizierte Kunstharze die sehr pflegeaufwendigen Bohnerwachse Stück für Stück in die Ecke drängen. Und weil die Fachzeitschrift sich schon damals nicht mit den Ausführungen eines einzigen Protagonisten zufrieden gibt, werden in der gleichen Ausgabe durch den Luxemburger Spezialisten Bob Frommes noch umfassende Prüfungsergebnisse von Versiegelungstest nachgeschoben.

Asbest - einst technisches Wundermittel im Kunststoffboden

Doch nicht nur der Parkettboden verändert sich, das gilt insbesondere auch für den Kunststoffboden. Treiber dafür ist der florierende und allseits geförderte soziale Wohnungsbau, aber auch technische „Verbesserungen“. Hätte Dr. Ing. A. Foulon damals schon in die Zukunft schauen können, hätte er nicht 1957 ausgeführt, dass die Fußbodenplatten durch „den Zusatz von Asbestfasern zum Kunststoff Fußbodenbeläge in wesentlich geringerer Dicke hergestellt werden konnten, als dies früher der Fall war“. Das, was hier mit rein technischem Hintergrund und aus heutiger Sicht unbedarft vermittelt wird, gerät später zu einer der größten Herausforderungen der Fußbodenbranche. Asbest ist eines der technischen Wundermittel, die manche Hersteller nach gigantischen Anfangserfolgen später an die Existenzgrenze bringen werden.

Tuftingverfahren feiert 1959 seinen Durchbruch

„Offensichtlich befindet sich das Tuftingverfahren, das in Deutschland erst seit kurzer Zeit und bisher nur durch Außenseiter angewandt wurde, im Durchbruch,“ schreibt bwd in der Septemberausgabe 1959. „In der relativ kurzen Zeit von drei Jahren, seitdem das Tufting in der Bundesrepublik industriell Eingang gefunden hat, hat sich diese Verfahrensart in der Herstellung von textilen Fußbodenbelägen bereits einen beträchtlichen Anteil von 10 bis 15 Prozent gesichert und die Kapazitäten wachsen weiter, auch weil klassische Teppichhersteller dazu übergehen. … In Deutschland gibt es zurzeit drei größere Betriebe. Neben der Tuftex in Hameln sind dies die Tufton in Emsdetten und die vor drei Jahren gegründete Dura Tufting GmbH in Fulda. Letzteres Werk, das heute bereits mit einem jährlichen Umsatz von rund 15 Millionen DM arbeitet, wird in Kürze durch Verdoppelung seiner Kapazitäten zum größten Tufter des europäischen Kontinents werden. Wenn man weiß, dass einer Repräsentativerhebung zufolge heute in der Bundesrepublik  rd. 47 Prozent aller Haushaltungen keinen Teppich besitzen, jedoch 4,2 Millionen Haushalte in den nächsten zwei Jahren vorhaben, sich einen solchen zu kaufen“, heißt es in dem Artikel weiter, „kann man sich den Optimismus der deutschen Tufter, der sich vor allem in der Ausweitung ihrer Kapazitäten äußert, recht gut vorstellen.“

Teppichböden sind Ende der 50er Jahre auf dem Vormarsch und bwd ist mittendrin. Dass das auch für „Lino“ gilt, geht aus einer einseitigen DLW-Anzeige im gleichen Heft hervor. „Weit über 150.000 Quadratmeter dieses Traditionsbelages werden demnach in den Wohngebäuden der VW-Stadt Wolfsburg verlegt. Das nach neuesten städtebaulichen Gesichtspunkten geplante Gemeinwesen wird in seiner endgültigen Gestalt 90.000 Einwohner beherbergen.“

In der Folgezeit machen insbesondere die Kunststoffbeläge von sich reden. Schaut man auf die Verbrauchsgraphiken jener Jahre, hat Parkett leichte Zuwächse, Linoleum stagniert, Gummibeläge sind rückläufig, aber Kunststoffböden boomen. 1961 werden von 77,1 Mio. Quadratmeter Bodenbelag 37,9 Mio. Quadratmeter, das sind beachtliche 49,2%, also nahezu die Hälfte, aus Kunststoff produziert. 1957, um Vergleichszahlen zu nennen, waren es noch 13,7 Mio. von insgesamt 48 Mio. Quadratmeter, also erst ein Anteil von 28,5% am Gesamtangebot. Dabei sind die Teppichböden in diesen Statistiken noch gar nicht enthalten.

Lesen Sie in der nächsten Folge, wie die 60er Jahre die Bodenbelagswelt revolutionieren.