Der interessante Schadensfall Teppichboden: Farbveränderung nach Reinigung

Nach Beendigung eines Bauvorhabens erfolgte wie üblich die Bauschlussreinigung. Als die Büroflächen an den Mieter übergeben werden sollten, stellte man fest, dass der Teppich­boden vor den bodentiefen Fensterfronten Farbveränderungen aufweist.

Der Teppichboden weist vor den bodentiefen Fensterfronten Farbveränderungen auf. - © Schwarzmann

Der Verdacht liegt nahe, dass bei der Reinigung der Fenster Reinigungsmittel auf den Teppichboden gelangten, welche die Farbveränderung verursachten. Daraufhin hat man den beauftragten Gebäudereiniger in die Verantwortung nehmen wollen. Dieser als auch die örtliche Bauleitung haben bewiesen, dass nach Abschluss der Arbeiten keine Veränderungen am Teppichboden vorlagen. Da sich der Gebäudereiniger sicher war, dass er die Schädigung nicht verursachte, hat er alle verwendeten Reinigungsmittel benannt.

Schadensanalyse: Farbveränderung nur vor den Fensterfronten

Die Überprüfung vor Ort hat ergeben, dass am verlegten Teppichboden die Farbveränderungen nur vor den Fensterfronten stattgefunden hatten. Es stellt sich jedoch die Frage, wie ist der eindeutige Nachweis zu führen? Der Versuch mit entmineralisiertem Wasser und Indikatorstäbchen an der verfärbten Stelle gibt in manchen Fällen schon einen Hinweis auf eine pH-Veränderung an den Fasern des Teppichbodens. Indikatorstäbchen reagieren auf Säuren oder Laugen und zeigen bei Kontakt mit der Flüssigkeit den pH-Wert an. Für diese Überprüfung bringt man einige Tropfen Wasser auf den Teppichboden auf und reibt das Wasser in die Fasern ein. Oft bildet sich hierbei Schaum oder es entsteht ein parfümierter Geruch. Das konnte jedoch in diesem Fall nicht festgestellt werden.

Auch die auf den nassen Teppichboden gelegten Indikatorstäbchen haben keine pH-Veränderung ergeben. Sofern sich diesbezügliche Hinweise ergeben, ist selbst­verständlich eine Gegenprobe an einer ­unveränderten Stelle des Teppichbodens vorzunehmen.

Um zu erkennen, weshalb der anthrazitfarbene Teppichboden nun an den betroffenen Stellen blau wirkt, wurde eine Polnoppe entnommen. Bei der optischen Überprüfung konnte man erkennen, dass ein Teil der Faserfilamente tatsächlich blau ist. Es fand demzufolge ein Farbumschlag statt. Offensichtlich besteht das Garn aus zwei unterschiedlichen Farben, was bei der Detail­betrachtung deutlich zu erkennen ist. Der Vergleich mit der entnommenen Polnoppe zeigte auf, dass die Faserfilamente mit der hellgrauen Farbe nun blau sind. Die schwarzen Faserfilamente sind unverändert ge­blieben. Die Farbveränderung reichte bis zum Grund der Polnoppe, was wiederum aufzeigt, dass die farbverändernde Flüssigkeit den Teppichboden nicht nur oberflächlich benetzte, sondern bis zum Grund des Teppichbodens gelaufen sein muss (siehe Abbildungen zum Farbumschlag).

Farbveränderung: Nachweis im Labor

Die Testreihe, bei der die vor Ort verwendeten Reinigungsmittel als auch unverlegte Reste des verklebten Teppichbodens verwendet werden konnten, sollte weitere ­Erkenntnisse ergeben. Der Teppichboden wurde mit Klebeband abgeklebt und nummeriert, um die jeweiligen Teststellen zu ­einem späteren Zeitpunkt noch zuordnen zu  können. Auf einer Teppichbodenprobe sind die Reinigungsmittel unverdünnt aufgebracht worden. Auf einer weiteren Teppichbodenprobe wurden die Produkte in der angegebenen Höchstdosierung aufgebracht.

Das Aufbringen von unterschiedlichen Flüssigkeiten auf Teppichböden führt oft zu unkontrollierbarem seitlichem Verlaufen. Man kann daher weiße Wattepads mit dem Reinigungsmittel versehen und danach diese Pads auf dem Teppichboden auflegen. Die Pads müssen jedoch gut durchnässt sein, um genügend Flüssigkeit an die Fasern des Teppichbodens abgeben zu können.

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    Der Teppichboden weist vor den bodentiefen Fensterfronten Farbveränderungen auf.
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    Farbveränderungen im Teppichboden.
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    Die Faserfilamente mit dem Farbumschlag.
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    Die Faserfilamente mit dem Farbumschlag.
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    Testreihen im Labor.
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    Testreihen im Labor.
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    Teppichboden vor dem Färben.
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    Dieser Teil ist nachgefärbt.

Da die Einwirkzeit des Reinigungsmittels im Bauvorhaben nicht bekannt ist, wurde abgeschätzt, wie lange eine ausgelaufene Flüssigkeit benötigt, um zu trocknen. Die Größe der Flecken und die Eindringtiefe geben diesbezügliche Anhaltspunkte. Anhand der entnommenen Polnoppe konnte erkannt werden, dass die Flüssigkeit den Teppichboden durchnässt hat. Aufgrund dieser Zusammenhänge sind die durchnässten Wattepads über zwölf Stunden auf dem Teppichboden verblieben.

Als die Pads entfernt werden sollten, fiel auf, dass ein Pad die Farbe des Teppichbodens angenommen hat. Dies ist zunächst ein Hinweis darauf, dass dieses Produkt die Farbe des Teppichbodens schädigt. Alle anderen Wattepads waren wie vor dem Versuch weiß (siehe Abbildungen zu den Testreihen).

Als das Wattepad, welches die Farbe des Teppichbodens angenommen hat, entfernt wurde, war der Teppichboden nur minimal heller, aber nicht blau wie im Bauvorhaben. Die Teppichbodenprobe veränderte sich, als diese fünf Tage bei Tageslicht lag. Erst nach dieser Zeit trat die Farbveränderung auf. Die Schädigung eines Teils des Farbstoffs führte zu der partiellen Blaufärbung.

Als dies bewiesen war, hat der Gebäudereiniger behauptet, dass ein Teppichboden wohl übliche Reinigungsmittel aushalten müsse. Dies trifft sicherlich für übliche Teppichreinigungsprodukte in der angegebenen Verdünnung zu, aber nicht für Reinigungsmittel, welche für gänzlich andere Materialien vorgesehen sind.

Was sagt die Norm?

Was ist aus der Norm für Textile Bodenbeläge EN 1307 diesbezüglich zu entnehmen? Die EN 1307 führt unter 6. Grundanforderungen Tabelle 3 auf. Dort werden folgende Eigenschaften beschrieben: Es gibt die Farbechtheit gegen Reiben „nass und trocken“ als auch die Farbechtheit gegen Wasser „Anbluten“ auf ungemusterten als auch auf gemusterten textilen Bodenbelägen. Einen normativ beschriebenen Test gegenüber Reinigungsmitteln gibt es jedoch nicht. Demzufolge ist die Reinigungsanleitung des Bodenbelagherstellers vorrangig einzu­halten. Auch die üblichen Hinweise der ­Bodenbelaghersteller, im Bedarfsfall Versuche, an unauffälliger Stelle durchzuführen, erscheint mitunter kaum aussagekräftig, da beim vorgenannten Test die Farbveränderung erst nach einigen Tagen aufgetreten ist. Ein Gebäudereiniger kann sicherlich nicht Tage, z. B. vor einer Bauschlussreinigung, Reinigungsversuche durchführen. Ein Abklären, ob die vorgesehenen Produkte mit der gültigen Reinigungsanleitung konform sind, kann jedoch vorausgesetzt werden. Gerade bei der heute üblichen Baudokumentation stellt dies keinen Aufwand dar.

Lösung: Teppichboden nachfärben

Der Einzug der Mieter konnte nicht verschoben werden, daher musste eine kurzfristige Lösung ohne Austausch des Teppichbodens erfolgen. Was liegt näher als den Teppichboden an den betroffenen Stellen nachzufärben. Gerade bei einem Farbumschlag wie im vorliegenden Fall kann es sein, dass selbst der passende Farbton aufgrund der Farbveränderung anders wirkt. Ob das Nachfärben gelingt, hängt von einem örtlichen Versuch ab.

Da die Optik ohnehin stark beeinträchtigt war, stimmten der Bauherr und der Mieter einem Färbeversuch zu. Die Farbein­stellung dauerte und musste mehrfach angepasst werden. Als die Farbe angeglichen war, konnte vorsichtig gefärbt werden. Die beiden Abbildungen unten zeigen, dass der Färbeversuch erfolgreich ist und die nachgefärbten Stellen zur ursprünglichen Farbwirkung passen. Die nachgefärbten Stellen waren nach dem Überfärben nicht mehr zu erkennen.

Teppichboden vor dem Färben. - © Schwarzmann
Dieser Teil ist nachgefärbt. - © Schwarzmann