Schadensfall: Fehlstellen am Polmaterial eines Teppichbodens Schädlinge fressen Teppichfasern aus Polyamid

Dass Schädlinge sich schon mal in Naturfaserteppiche verbeißen, ist nichts Außergewöhnliches. Bei einem Teppichboden aus Polyamidfasern, der in einem Hotel verlegt war, schien diese Schadensursache zunächst allerdings völlig abwegig.

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    Schädlinge Teppichboden Polyamid Fraßstellen
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    Bild 1: Fehlstellen im Polmaterial.
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    Bild 2: Die Schäden waren nur in zwei Teilbereichen festzustellen.
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    Bild 3: Die Polfasern fehlten bis zum Tuftingträger.
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    Bild 4: Mikroskopische Überprüfung.
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    Bild 5: Die Fraßstellen beschränkten sich auf helle Fasern.
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    Bild 6: In der Tiefgarage „infiziert“.

In den Flurbereichen eines Hotels wurde ein Teppichboden an verschiedenen Stellen von Schädlingen befallen. Es sind zum Teil handtellergroße Fraßstellen vorhanden. Es soll nun untersucht werden, ob ein Mangel am Teppichboden vorliegt, da dieser laut Auskunft des Teppichbodenherstellers nicht eulanisiert (ein Fraßschutzmittel gegen Schädlinge ) ist. Die Anfrage beim Teppichbodenhersteller hat ergeben, dass ausschließlich Naturfaser-Teppichböden eulanisiert werden. Dadie Polfasern bei dem gelieferten Teppichboden aus 100 % Polyamidfasern sind, ist eine Eulansierung nicht erforderlich. Polyamid-Teppichböden werden von Schädlingen nicht befallen.

Da der Kunde diese Aussage nicht für richtig hielt, sollte vor Ort festgestellt werden, was ursächlich fürdie Fehlstellen ist.

Fehlstellen im Polmaterial: Feststellungen vor Ort

In den Flurbereichen in einem großen Hotel wurde Teppichboden über sechs Etagen hinweg verlegt. Kurze Zeit nach der Verlegung wurden in verschiedenen Teilbereichen Fehlstellen am Polmaterial festgestellt. Auf den ersten Blick sieht dies so aus, als seidie Fasereinbindung unzureichend, sodass sich Fasern gelöst haben (vgl. Bild 1).

Da diese Schäden nur in zwei Teilbereichen eines Flures festzustellen waren, erfolgte eine weitergehende Überprüfung (vgl. Bild 2). Bei näherer Betrachtung fiel auf, dassdie Polfasern bis zum Grund-/Tuftingträger fehlen. Im Bereich der Einstichstellen vom Tuften warendie Fasern jedoch noch vorhanden. Dies ist eindeutiges Indiz dafür, dass fürdie Fehlstellen keinesfalls eine unzureichende Poleinbindung bzw. eine zu geringe Verklebung mit dem Kaschierkleber als Schadensursache infrage kommt. Offensichtlich handelt es sich tatsächlich um Fraßstellen von Schädlingen (vgl. Bild 3).

Noch interessanter wurde es, als diese Fraßstellen mit dem Mikroskop überprüft wurden. Hierbei war zu erkennen, dassdie Polfasern exakt bis zum Tuftingvlies abgefressen waren. Dies ist anhand von Bild 4, das eine verbleibende Polnoppe zeigt, deutlich zu erkennen .

Noch erstaunlicher wurdedie Überprüfung, als zu erkennen war, dass sichdie Fraßstellen ausschließlich auf die sehr hellen Fasern beschränken. Die umliegenden dunklen, also stärker, gefärbten Fasern sind nicht bzw. kaum angefressen. Hier war offensichtlich ein Feinschmecker zugange (Bild 5).

Bemerkenswert war, dass keinerlei Schädlinge oder Larven eines Schädlings in dem Teppichboden bzw. an den Fraßstellen zu finden waren. Es ergab sichdie Frage, ob sichdie Fraßstellen im Laufe der vergangenen Monate ausgeweitet haben. Dies wurde jedoch verneint.

Fraßstellen: Ursachenforschung

Wie bekannt, werden Teppichböden am Ende der Produktion bzw. bei der Beschichtung in einem langen Trockenkanal in aller Regel bei 100–110 °C getrocknet. Unter diesen Voraussetzungen kann kaum ein Schädling den Teppichboden während des Produktionsprozesses befallen oder seine Larven ablegen. Die Ansiedelung der Schädlinge, welche Polyamidfasern fressen, muss demzufolge zum späteren Zeitpunkt erfolgt sein. Die Frage, ob der Teppichboden längere Zeit eingelagert war, führte dazu, dass man erklärte, dass aufgrund der Pandemie der Teppichboden über einige Monate in der Tiefgarage eingelagert wurde (vgl. Bild 6).

In dem Tiefgaragenplatz sind eindeutig Spuren von erhöhter Feuchtigkeit und daraus resultierende Schäden zu erkennen. Ist dies ein Hinweis aufdie Art des Schädlings?

Schlussfolgerung: Es waren Silberfischchen

Nach aufwändiger Recherche führte dies zu einem altbekannten kleinen Tierchen. Es handelt sich um Silberfischchen (Lepisma Saccharina). Silberfische sind flügellose Insekten, welche vorzugsweise in dunklen, meist feuchten Räumen existieren. Die bevorzugte Nahrung sind stärkehaltige Stoffe, z. B. Haare, Hautschuppen, Zucker. Sofern jedoch wenig Nahrung vorhanden ist, fressendie Silberfische zur Not auch Kunstfasern . So im vorliegenden Falldie Polyamidfasern des Teppichbodens in der Tiefgarage.

Da ein Schädlingsbefall bei einem Polyamid- Teppichboden in unseren Breitengraden so gut wie nie vorkommt, werden natürlich auch synthetische Teppichböden nicht speziell mit Fraßschutzmittel behandelt. Die Ursache des Schadensbildes liegtdemzufolge in einer ungeeigneten Lagerung des Teppichbodens in einem Feuchtraum, in dem sich Silberfische aufhalten. Diese kleinen Insekten hatten aufgrund der Pandemie in der Tiefgarage zu wenig Nahrung, sodass ihr Überleben nur durch fressen der Polyamidfasern gesichert werden konnte. Dadie dunklen, stark gefärbten Fasern schlechter verdaulich sind, habendie Fischchen diese gemieden und nurdie hellen Stellen des Teppichbodens bis zum Trägergewebe abgefressen

Dieser außergewöhnliche Fall führt zu neuen Erkenntnissen, frei nach dem Motto: „Es gibt nichts, was es nicht doch gibt.“

Autor: Peter Schwarzmann

Auf den Punkt gebracht

  • Handtellergroße Fraßstellen an verschiedenen Stellen in einem Teppichboden aus 100 % Polyamidfasern.
  • Polyamid- Teppichboden war nicht mit einem Fraßschutzmittel gegen Schädlinge eulanisiert. Eine Eulanisierung erfolgt in der Regel nur bei Naturfaser-Teppichböden.
  • Im Bereich der Einstichstellen vom Tuften waren noch Fasern vorhanden. Dies ist eindeutiges Indiz dafür, dass fürdie Fehlstellen keinesfalls eine unzureichende Poleinbindung bzw. eine zu geringe Verklebung mit dem Kaschierkleber als Schadensursache infrage kommt. Offensichtlich handelt es sich tatsächlich um Fraßstellen von Schädlingen.
  • Mikroskopische Untersuchung ergab:
    - Polfasern waren exakt bis zum Tuftingvlies abgefressen.
    - Fraßstellen beschränkten sich auf sehr helle Fasern.
  • Keinerlei Schädlinge oder Larven eines Schädlings im Teppichboden bzw. an den Fraßstellen zu finden.
  • Teppichboden war einige Monate in der Tiefgarage eingelagert.
  • Erhöhte Feuchtigkeit in der Tiefgarage legt den Schluss nahe, dass Silberfischchendie Verursacher der Fraßstellen sind.
  • Ursache des Schadensbildes: ungeeignete Lagerung des Teppichbodens in einem Feuchtraum, in dem sich Silberfische aufhalten.