Im Extremfall austauschen Rutschhemmung von Bodenbelägen: Häufige Fragen und Antworten

Rutschunfälle stehen seit Jahren an der Spitze des Unfallgeschehens. Fußböden müssen deshalb rutschhemmend ausgeführt sein. Wie wird die Rutschhemmung von Boden­belägen gemessen? Welche Anforderungen müssen im Einzelfall erfüllt weren?

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    Rutschhemmung von Bodenbelägen
    © Steinhäuser
    Fußböden müssen rutschhemmend ausgeführt sein.
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    Rutschhemmung von Bodenbelägen
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    Unfälle aufgrund fehlender Rutschhemmung sind bei Treppen besonders häufig.

Nach den Statistiken der Unfallversicherungsträger und der Berufsgenossenschaften liegen Stolper-, Rutsch- und Sturzunfälle bei betrieblichen Tätigkeiten seit Jahren an der Spitze des Unfallgeschehens. Sowohl die Arbeitsstättenverordnung als auch die Unfallverhütungsvorschriften schreiben vor, dass Fußböden rutschhemmend ausgeführt sein müssen.

Die Oberfläche von Bodenbelägen muss also so beschaffen sein, dass sie für den jeweiligen Verwendungszweck ausreichenden Schutz gegen das Ausrutschen bietet. Daher ist die Angabe des Gleitwiderstandes bei textilen und elastischen Bodenbelägen Gegenstand der CE-Kennzeichnung. Auch die "Europäische Arbeitsstättenrichtlinie" enthält diese Forderung.

1. Welche Kriterien gelten für die Bewertung der Rutschgefahr?

Um einen Fußboden sicher begehen zu können, müssen bestimmte Reibungswerte zwischen Schuhsole und Fußboden vorhanden sein. Gleitfördernde Stoffe vermindern die Reibungskräfte. Bei Bodenbelägen mit ebener, glatter Oberfläche können bereits Wasser und Feuchtigkeit die Reibung gegenüber dem trockenen Zustand erheblich vermindern. Der Bewertung der Rutschgefahr liegen nach BGR 181/DGVU Regel 108-003 folgende Kriterien zu ­Grunde:

  • Häufigkeit des Auftretens gleitfördernder Stoffe auf dem Boden und deren Verteilung.
  • Art und Eigenschaft der gleitfördernden Stoffe.
  • Der durchschnittliche Grad, z.B. die Menge des Stoffes, der Verunreinigung des Fußbodens durch diese Stoffe.
  • Sonstige bauliche, verfahrenstechnische und organisatorische Verhältnisse.

2. Wie wird die Rutschhemmung geprüft?

Das Verfahren zur Prüfung der Rutschhemmung ist in DIN 51130 "Prüfung von Bodenbelägen; Bestimmung der rutschhemmenden Eigenschaft; Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit erhöhter Rutschgefahr; Begehungsverfahren; schiefe Ebene" festgelegt. Das Prüfverfahren besteht darin, dass ein Bodenbelag auf einer neigbaren Plattform befestigt wird.

Die Belagsoberseite wird nach festgelegten Bedingungen mit Öl definierter Beschaffenheit benetzt. Eine Prüfperson mit Prüfschuhen begeht in aufrechter Haltung mit Schritten einer halben Schuhlänge vor- und rückwärts den zu prüfenden Bodenbelag, dessen Neigung vom waagerechten Zustand beginnend bis zum sogenannten Akzeptanzwinkel gesteigert wird.

Der Akzeptanzwinkel ist der Winkel, bei dem die Prüfperson nicht mehr sicher gehen kann und zu rutschen beginnt. Der von der Prüfperson erreichte mittlere Akzeptanzwinkel dient zur Beurteilung des Grades der Rutschhemmung. Für die Bewertung der Rutschhemmung von Bodenbelägen wurden Bewertungsgruppen in Abhängigkeit von den Akzeptanzwinkeln gebildet. Bodenbeläge mit der Bewertungsgruppe R 9 genügen den geringsten und mit der Bewertungsgruppe R 13 den höchsten Anforderungen an die Rutschhemmung.

Für Arbeitsbereiche mit erhöhtem Aufkommen an Verunreinigungen werden zusätzlich zu den Bewertungsgruppen der Rutschhemmung Verdrängungsräume ("V") verlangt. Verdrängungsräume sind Strukturierungen der Oberfläche mit einem Volumen von >4 cm3/dm2. Ein Probekörper wird mit einer Paste bündig abgeglichen und seine Masse vor und nach dem Abgleichen gemessen. Aus der Massendifferenz und der Dichte der Paste wird das Volumen des Verdrängungsraumes errechnet. Bodenbeläge mit Verdrängungsraum werden mit dem Kennzeichen "V" in Verbindung mit der Kennzahl für das Mindestvolumen des Verdrängungsraums versehen.

3. Gibt es Entscheidungshilfen zur Auswahl geeigneter Bodenbeläge?

Bei der Planung neuer Arbeitsräume, beim Umbau, in der Sanierung und Renovierung stellt sich die Frage nach der Auswahl geeigneter Bodenbeläge. In der ASR A 1.5/1,2 – Technische Regeln für Arbeitsstätten sowie in der BGR 181/DGUV Regel 108-003 – Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr ist sehr ausführlich eine Tabelle aufgeführt, in der die Bewertungsgruppen der Rutschgefahr (R-Gruppe) und die Verdrängungsräume (V) mit Kennzahl für das Mindestvolumen den jeweiligen Arbeitsräumen, Arbeitsbereichen und Verkehrswegen zugeordnet sind.

Das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitssicherheit (BIA) gibt außerdem in regelmäßigen Zeitabständen im Rahmen des BIA-Handbuches das sicherheitstechnische Informations- und Arbeitsblatt 560210 "Geprüfte Bodenbeläge-Positivliste" heraus. In der Positivliste sind geprüfte und in eine der Bewertungsgruppen der Rutschhemmung und gegebenenfalls des Verdrängungsraumes eingeordnete Bodenbeläge aufgeführt.

Darüber hinaus erteilen die Hersteller der Bodenbeläge Auskünfte über die Zuordnung ihrer Bodenbeläge zu den einzelnen Bewertungsgruppen. Die oben genannte Tabelle sowie diese Positivliste sind eine ausgezeichnete Arbeitsgrundlage für jeden Planer/Architekten/Bodenleger.

Nachfolgend einige Beispiele der Bewertungsgruppen:

  • R 9 gilt beispielsweise für Bodenbeläge in allgemeinen Bereichen, wie in Büro­räumen.
  • R 10gilt für öffentliche Toiletten.
  • R 11 gilt für Ladeneingänge und Treppen außen sowie in Küchen für Gemeinschaftsverpflegung in Wohnheimen, Kindertagesstätten, Sanatorien.
  • R 12 gilt in Krankenhausküchen und in Küchen, in denen mehr als 100 Gedecke täglich produziert werden.
  • R 13gilt für Bodenbeläge in Schlachthöfen.

Die beiden hier aufgezeigten Prüfmethoden zur Ermittlung der Bewertungsgruppen der Rutschhemmung und der Verdrängungsräume sind allerdings nur im Labor möglich. Die Bewertung der Rutschsicherheit "vor Ort" kann bei der Renovierung und Sanierung, aber auch bei der Bewertung von Unfällen durch Sachverständige erforderlich werden.

Für die "Vor-Ort-Messung" der Rutschmessung werden verschiedene Geräte eingesetzt. Allen gemeinsam ist, dass ab der Bewertungsgruppe 10 keine Möglichkeit zur nachträglichen Überprüfung mit Gleitreibmessmethoden besteht.  Diese Verfahren sollen hier nur genannt werden,  ausführliche Beschreibungen der einzelnen Geräte sind unter der Wikipedia-Rubrik "Rutschsicherheit - Prüfmethoden vor Ort" zu finden: Schustergerät, SRT-Pendel, FSC 2000, GMG 100 & GMG 200 sowie FSC 3.

In der DIN CEN/TS 16165/73/ werden verschiedene, in Europa angewandte Verfahren zur Ermittlung der Rutschhemmung von Fußböden beschrieben und spezifiziert. Hier sind beispielsweise die Verfahren nach DIN 51097 (barfüßiges Begehen einer schiefen Ebene), DIN 51130 (beschuhtes Begehen einer schiefen Ebene) sowie DIN 51131 (Tribometer-Prüfung) aufgeführt. Für Deutschland gilt bis zur Veröffentlichung einer EN-Norm die DIN 51131.

4. Welche Rutschhemmung gilt in Sporthallen?

Bodenbeläge in Sporthallen müssen rutschsicher sein. Die Bewegungsabläufe sind etwas anders als in normalen Verkehrsbereichen. Es wird viel gelaufen, es kommt zu Stoppvorgängen und es werden spontane Drehbewegungen durchgeführt. Aufgrund von Drehbewegungen dürfen Sportböden nicht zu stumpf sein. Entsprechend den Gesetzmäßigkeiten der Bewegungsabläufe hat man sich für Sporthallen entschieden, ein Prüfgerät zu normen, das bei der Messung eine Rotationsbewegung durchführt.

Gemessen wird die beim Abbremsen des Rotationskörpers auftretende Torsionskraft. Das Ergebnis wird als Gleitreibungsbeiwert angegeben. Die Kontrolle des Gleitverhaltens ist wichtig, um ein Gleiten in bestimmten Grenzen zu gewährleisten. Dieses Gleiten entsteht vor allem durch plötzliche Bremsmanöver und/oder Richtungsänderungen des Sportlers.

Bodenbeläge in Sporthallen müssen einen Gleitreibungsbeiwert von mindestens 0,4 und maximal 0,6 haben. Der Gleitreibungsbeiwert muss auch noch nach der Reinigung und Pflege des Bodenbelages gewährleistet sein.

5. Was gilt in Barfußbereichen?

Nassbelastete Barfußbereiche sind dadurch gekennzeichnet, dass die Bodenbeläge in diesen Bereichen in der Regel nass sind und barfuß begangen werden. Nassbelastete Barfußbereiche für den Einsatz elastischer Bodenbeläge sind hauptsächlich Krankenhäuser und Umkleideräume, seltener Wasch- und Duschräume.

In der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) Information – 207-006, Ausgabe Juni 2015 sind die Anforderungen und Prüfungen an nassbelastete Barfußbereiche enthalten. Außerdem werden in dieser Information die Kontrolle der Rutschhemmung unter Betriebsbedingungen sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Rutschhemmung von verlegten Bodenbelägen beschrieben.

Für Planer, Architekten, Bodenleger sowie Sachverständige ist folgender Hinweis in dieser Information besonders wichtig. Das Kuratorium "Rutschhemmende Bodenbeläge – Liste NB" veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Listen mit der Zuordnung geprüfter Bodenbeläge für nassbelastete Barfußbereiche zu den festgelegten Bewertungsgruppen. Bei der Anwendung dieser Liste NB ist zu berücksichtigen, dass das Prüfergebnis nur für die geprüfte Charge Gültigkeit besitzt.

Die rutschhemmenden Eigenschaften von Bodenbelägen für nassbelastete Barfußbereiche werden nach DIN 51097 "Prüfung von Bodenbelägen, Bestimmung der rutschhemmenden Eigenschaft – nassbelastete Barfußbereiche – Begehungsverfahren – schiefe Ebene" geprüft. Das Prüfverfahren gleicht dem Prinzip der "Schiefen Ebene".

Als Gleitmittel wird hier destilliertes Wasser verwendet, dass mit Tensiden versetzt ist. Die Testpersonen gehen barfuß. Nach dem Messergebnis werden die Bodenbeläge den Bewertungsgruppen A, B und C zugeordnet. Elastische Bodenbeläge werden in der Regel in die niedrigste Bewertungsstufe A eingestuft. Es gibt aber auch höhere Bewertungen.

6. Was tun bei einer Häufung von Rutschunfällen?

Sollte im Falle einer Häufung von Rutschunfällen der Verdacht bestehen, dass die erforderliche Rutschhemmung nicht mehr gewährleistet ist, müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, beispielsweise:

  • Optimierung des Reinigungskonzeptes.
  • mechanische oder chemische Behandlung der Bodenbeläge.
  • Beschichtung.
  • Im Extremfall Austausch des Boden­belages.

Rutschhemmung bei Bodenbelägen: Die wichtigsten Regeln und Verordnungen

Anforderungen und Prüfungen im Hinblick auf die Rutschhemmung von Bodenbelägen bzw. Fußböden sind unter anderem in folgenden Unterlagen erfasst:

  • ASR A1.5/1,2 – Technische Regeln für Arbeitsstätten – Fußböden, Ausgabe Februar 2013
  • DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) Information – 207-006 Bodenbeläge für nassbelastete Barfußbereiche, Ausgabe Juni 2015
  • BGR 181/DGUV Regel 108-003 – Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr, Berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGR) (bisherige ZH 1/571), Ausgaben 10/1993; 10/2003; … 10/2010

Berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BG-Regeln) sind Zusammenstellungen bzw. Konkretisierungen von Inhalten ­beispielsweise aus

  • staatlichen Arbeitsschutzvorschriften (Gesetze, Verordnungen) und/oder
  • berufsgenossenschaftlichen Vorschriften (Unfallverhütungsvorschriften) ­und­/oder
  • technischen Spezifikationen und/oder
  • den Erfahrungen berufsgenossenschaftlicher Präventionsarbeit.

Die BG-Regeln richten sich an Unternehmer und Planer, aber auch an Sachverständige. Sie sollen Hilfestellung bei der Umsetzung von Arbeitsschutzvorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften geben und Wege aufzeigen, wie Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren vermieden und aufgeklärt werden können.