Als der Bauherr den Bodenleger auf der Baustelle beim Betrachten eines YouTube-Videos zur Herstellung von Hohlkehlsockeln ertappte, zweifelte er an dessen Qualifikation. Zu Recht, wie die spätere gutachterliche Prüfung der Verlegeleistung ergab.
Ein praktizierender Tierarzt gab einem Generalunternehmer den Auftrag, einen Neubau für eine Tierarztpraxis mit einem modernen OP-Bereich zu errichten. Da der Tierarzt mit dem örtlich ansässigen Geschäftsführer eines Malerbetriebes befreundet war, wurden die Maler- und Bodenbelagsarbeiten aus dem GU-Vertrag genommen und in Eigenregie vergeben. In der alten, seit Jahren betriebenen Tierarztpraxis gab es immer wieder offene Fugen und Ablösungen an den Hohlkehlsockeln. Dies sollte in der neuen Praxis unbedingt verhindert werden.
Bodenleger schaute auf der Baustelle YouTube-Video über das Verarbeiten von Hohlkehlsockel
Die Bodenbelagsarbeiten wurden begonnen und der Tierarzt nutzte seine Mittagspause, um den Baufortschritt zu kontrollieren. Hierbei sah er einen Bodenleger auf dem gespachtelten Boden sitzen, welcher ein YouTube-Video sehr interessiert ansah. Der Bodenleger hat sich das Video des Bodenbelagherstellers angesehen, bei dem erklärt wurde, wie die Hohlkehlsockel zu verarbeiten sind. Das verunsicherte den Tierarzt sehr. Er fragte den Bodenleger, ob er schon solche Hohlkehlsockel verarbeitet hat? Darauf entgegnete der Bodenleger mit einem klaren Nein. Er gab ferner an, das sehe ganz einfach aus und er als Fachmann könne das natürlich mindestens genau so gut wie der Bodenleger auf dem Video.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Im Laufe des Nachmittags dachte der Tierarzt immer wieder an diesen Sachverhalt. Das führte dazu, dass er am Abend die Montage der ersten Hohlkehlsockel kontrollierte. Die bereits montierten Hohlkehlsockel sahen eigentlich sehr fachmännisch aus. Dennoch kam der Tierarzt zu der Überzeugung, dies sollte ein Sachverständiger kontrollieren, um später nicht wieder die Undichtigkeiten wie in der alten Praxis zu haben. Der Tierarzt hatte jedoch keine Eile, da die montierten Hohlkehlsockel optisch sehr akkurat montiert waren. Die Arbeiten sollten daher erst kurz vor der Abnahme der Bodenbelagsarbeiten kontrolliert werden, um somit noch letzte Nachbesserungen vom Bodenleger ausführen zu lassen. Die Bauverzögerung führte zwischenzeitlich dazu, dass die gesamte OP-Einrichtung inklusive des MRT-Geräts (Kernspintomografen) der Röntgengeräte etc. schon montiert waren. Schließlich wollte man in Kürze die Praxis eröffnen und es waren schon OP-Termine geplant.
Sachverständige fordert an einigen Stellen Nachbesserungsarbeiten
Doch es lief alles anders als ursprünglich geplant. Bei den Überprüfungen vor Ort stellte der Sachverständige fest, dass an einigen Innen- und Außenecken noch Nachbesserungsarbeiten erforderlich sind. Die Hohlkehlsockel waren fest verklebt und unter Beachtung der Vorgeschichte relativ exakt verarbeitet. Alles schien bis zu diesem Zeitpunkt noch super zu laufen.
Auf die Frage, wer Linoleum für die OP-Bereiche empfohlen hat, kam prompt die Antwort des Tierarztes. Der Malermeister habe Linoleum wegen der natürlichen bakteriologischen Eigenschaft empfohlen. Schließlich könnte man ja bei der Flächendesinfektion künftig Geld sparen. Dass Linoleum fleckempfindlich ist, z. B. bei heruntertropfenden Wunddesinfektionsmitteln wie z. B. Polyvidon-Jod und auch gegenüber Säuren wie Magensäure etc. nur eine geringe Beständigkeit aufweist, wurde nie besprochen. Aufgrund dieser Materialeigenschaften werden in OP-Bereichen vorzugsweise PVC-Bodenbeläge eingesetzt. Diese sind diesbezüglich widerstandsfähiger als Linoleum.
Linoleum erfüllt nicht Anforderungen an Erdableitfähigkeit
Zum Abschluss der Ortsbegehung wollte der Sachverständige in den OP-Bereichen nun auch noch die Ableitfähigkeit des verlegten Linoleum-Bodenbelags messen, um sicher zu stellen, dass die Anforderungen für OP-Bereiche erfüllt werden. Die Messungen des Erdableitwiderstands nach EN 1081 mit der Dreibein-Elektrode sollte bei dem verlegten Bodenbelag einen Erdableitwiderstand Re < 108 Ω ergeben. Die Messungen der Erdableitwiderstände auf dem fertig verlegten Bodenbelag haben dann allerdings einen Erdableitwiderstand Re >108 Ω ergeben. Für die Räume, in denen explosionsfähige Atmosphären vorherrschen können, liegt die Anforderung der Gerätehersteller Erdableitwiderstand Re >107 Ω vor. Demzufolge erfüllte das Linoleum nicht die erforderlichen Anforderungen an die Erdableitfähigkeit. Auch der getätigte Anruf bei dem Gerätehersteller führte nur dazu, dass dieser bei Überschreitung dieser Anforderung die Gewährleistung ablehnen würde. Die OP-Bereiche konnten daher nicht wie geplant in Nutzung genommen werden.
YouTube-Video führte zum Fiasko für den Malermeister
Das YouTube-Video hat dem ausführenden Bodenleger geholfen. Allerdings hatte dieses Video beim Tierarzt eine gewisse Skepsis hervorgerufen. Das führte dazu, dass weitere wichtige und bis dato unbeachtete Fakten zutage gekommen sind. Letztlich stellte sich heraus, dass die OP-Bereiche aufgrund der unzureichenden Ableitfähigkeit nicht zu nutzen sind.
Somit führte das YouTube-Video zum Fiasko für den Malermeister, weil dadurch indirekt seine unzureichende Beratung aufgedeckt wurde. Deshalb: Beachten Sie, dass stets die objektbezogenen Anforderungen bei der Beratung zu berücksichtigen sind. Sie leisten gegenüber Laien, wie im vorliegenden Fall, eine planerische Leistung!