Aus Fehlern anderer lernen Ausfransungen im Teppichboden sind keine Bagatellen

Immer wieder kommt es bei hochwertiger Schlingenware zu Reklamationen, weil sich im Bereich von Nahtkanten, Durchdringungen und Anschlüssen Ausfransungen und Fussel bilden. Wie kommt es dazu und wie lässt sich diese Reklamation vermeiden?

Fadenzug und Ausfransungen im Teppichboden
Unsaubere Ausbildung des textilen Bodenbelags im Bereich der Elektranten mit Fadenzug und Ausfransungen. - © iba-Institut

In einem Neubau für Büro und Verwaltung mit Lagerwirtschaft wurde auf den Geschoßdecken aus Rohbeton ein Hohlraumboden eingebaut. Als Oberboden wurde eine bahnenförmige, textile Bodenbelagqualität vollflächig am Untergrund verlegt/verklebt. Dabei handelt es sich um eine Objektware - Schlinge, getuftet. In den Räumlichkeiten sind neben den Fachberatern im Außendienst weitere Mitarbeiter im Bereich Verkauf/Verwaltung tätig.

Ausgangslage: Mängelrüge wegen Fadenzug und Ausfransungen

Kurz nach der Möblierung und dem Einzug sind erste Auffälligkeiten an dem verlegten textilen Bodenbelag in Form von Fadenzug an einzelnen Nahtkanten, Ausfransungen im Bereich von Revisionsdeckeln und Elektranten bauherrenseitig gegenüber dem Auftragnehmer für Bodenbelagsarbeiten, dem Hersteller der textilen Bodenbelagqualität, dem planenden und bauüberwachenden Architekten und dem Fachplaner für Inneneinrichtung schriftlich als Mängelrüge dargelegt worden.

Dabei haben die Reaktionen der Vertragspartner übereinstimmend erbracht, dass die vorgebrachten Mängelrügen nicht akzeptiert werden – vom Auftragnehmer für Bodenbelagsarbeiten wurden ausgefranste Polfäden lediglich aus Kulanz temporär abgeschnitten, andere Maßnahmen erfolgten nicht.

Zunächst wurden bauherrenseitig Bürodrehstühle mit weich ummantelten Doppellenkrollen verwendet. Diese Doppellenkrollen wurden dann gegen harte Rollen ausgetauscht. Ebenso erfolgte die tägliche Unterhaltsreinigung zunächst mit ungeeigneten Staubsaugern mit Flachdüsen. Diese Staubsauger wurden ausgetauscht und durch Staubsauger mit kontrarotierenden Bürsten ersetzt. Im gleichen Zuge erfolgte auch eine Schulung vom Reinigungspersonal des Bauherrn durch den Hersteller des Staubsaugers.

Im weiteren Verlauf der Nutzung und Frequentierung entstanden weitere Ausfransungen des Polfadens im Nahtbereich mit Fadenzug. Auf erneute Mängelrügen reagierten die Vertragsparteien nicht mehr – der Auftraggeber forderte Mangelbeseitigung.

Der Bodenleger zeigte sich ohne Verantwortung und erklärte, keine Fehler bei der Ausführung gemacht zu haben. Schließlich habe der Kunde den textilen Bodenbelag (als Schlingenware) vorgegeben! Zur Klärung der Schadens- und der Verursacherfrage wurde ein Sachverständiger des iba-Institut beauftragt.

Auf den Punkt gebracht

Verlegter Bodenbelag: Textile Bahnenware, Schlinge getuftet, objektgeeignet, vollflächig am Untergrund verklebt.

Schadensbilder: Nahtkanten mit lokalen Fehlstellen, Fadenzug an einzelnen Nahtkanten, Ausfransungen des Polfadens im Bereich von Revisionsdeckeln und Elektranten, partielle Hohlstellen bzw. Hohlleger sowie sichtbar störende (Kopf-) Nähte.

Weitere Auffälligkeiten: Eindruckstellen bzw. Abdruckstellen der aufgelagerten Doppellenkrollen (Typ H) von Bürodrehstühlen im textilen Bodenbelag.

Der Sachverständige stellte in seiner Begutachtung fest, dass nicht entsprechend den Vorgaben des Bodenbelagsherstellers gearbeitet wurde und es sich somit um handwerkliche Fehler des Auftragnehmers für Bodenbelagsarbeiten handelt.

Schadensbild: Ausfransungen, Fadenzug und sichtbar störende (Kopf-)Nähte

Sockelleiste mit Fadenzug
Sockelleiste mit Fadenzug. - © iba-Institut

Während der Begutachtung waren die Räumlichkeiten in den jeweiligen Geschossen (5. OG bis 1. OG) der Nutzung entsprechend ausgestattet und der textile Bodenbelag mit Einrichtungsgegenständen (Schreibtische, Regale, Tische, Stühle u.a. Möblierungen) lokal und/oder partiell abgedeckt vorzufinden. Der dunkelfarbige, bahnenförmige, textile Bodenbelag (Schlinge, getuftet) zeigte folgende Befunde bei der Begutachtung:

  • Angrenzend zum Metallrahmen von bodentiefen Fenstertürelementen lokale Ausfransungen am Polfaden des textilen Bodenbelags,
  • lokale Fehlstellen im Nahtkantenbereich des textilen Bodenbelags, einhergehend mit partiellen Ausfransungen des Polfadens,
  • im Bereich der Revisionsklappen lokale Ausfransungen des textilen Bodenbelags angrenzend zu dem umlaufenden Metallrahmen,
  • an den mit textilem Bodenbelag belegten Elektrantendeckeln (Bodensteckdosen) umlaufend um den hier kreisrunden, textilen Bodenbelag erhebliche Ausfransungen des Polfadens,
  • an den umlaufenden Sockelleisten (mit Teppichboden belegt) angrenzend zum bahnenförmigen, textilen Bodenbelag lokal und partiell Ausfransungen, vereinzelt Hohlleger bzw. Hohlstellen im verklebten textilen Bodenbelag
  • aus aufrechtstehender Betrachtungsweise optisch sichtbar störende (Kopf-) Nähte im Eingangsbereich der Räumlichkeiten angrenzend zur gleichartigen Bodenbelagebene im Flurbereich.

Ferner zeigten sich weitere Auffälligkeiten bei der Begehung und Inspektion wie folgt:

  • An wegen Homeoffice auf Grund der Corona-Pandemie temporär nicht genutzten Arbeitsplätzen konnten bei Verschieben vorhandener Bürodrehstühle Eindruckstellen bzw. Abdruckstellen der aufgelagerten Doppellenkrollen (Typ H) im textilen Bodenbelag konstatiert werden,
  • im Bereich von genutzten Arbeitsplätzen zeigte sich unterhalb von Schreibtischen und im Einflussbereich von Bürodrehstühlen ein optisch störendes Aussehen der textilen Bodenbelagebene durch eine lokal verdichtete Oberfläche,
  • im Bereich der Apothekerschränke liegen störend sichtbare Eindruckstellen der Laufrollen und/oder des mobilen Auszugs durch lokal verdichtete Oberflächen vor (U-förmig).

Schadensanalyse: fehlerhaft ausgeführte Bearbeitung der Nahtkanten und unterlassene Nahtkantenverfestigung

In Bezug auf die festgestellten Befundtatsachen an der textilen Bodenbelagebene (Nahtkanten mit lokalen Fehlstellen, Fadenzug an einzelnen Nahtkanten, Ausfransungen im Bereich von Revisionsdeckeln und Elektranten, partielle Hohlstellen bzw. Hohlleger wird auf die herstellerseitigen Hinweise in der produktspezifischen Verlegeanleitung, die normativen Vorgaben der VOB, Teil C, ATV DIN 18 365 „Bodenbelagsarbeiten“ (Ausgabe 2019) und mitgeltende technische Regelwerke sowie den „Verbände übergreifender Kommentar zur ATV DIN 18365 Bodenbelagsarbeiten“ hingewiesen.

unsaubere Nahtkanten
Wenig Sorgfalt bei der Ausbildung von Nahtkanten, fehlende Nahtkantenverfestigung und Fehlstellen im Bereich der Nahtkanten sowie Fadenzug. - © iba-Institut

Im o.g. Kommentar wird dargelegt im Abschnitt „(…) 3 Ausführung (…)“ unter Punkt „(…) 3.4.10 […] Textile Bodenbeläge sind, soweit konstruktionsbedingt möglich, grundsätzlich mit geeigneten Nahtschnittwerkzeugen in der Polgasse zu schneiden. […] Beim Anarbeiten an Säulen, Elektranten, Profile u.a. Einbauteilen ist darauf zu achten, dass die vorgesehenen Bodenbeläge dafür geeignet sind. Dies betrifft auch ggf. erforderliche Diagonalschnitte. Bei nicht schnittfesten Nahtkanten (z.B. Axminster) aber auch bei anderen textilen Bodenbelägen kann eine zusätzliche Nahtkantenverfestigung mit den dafür empfohlenen Produkten erforderlich sein(…)“.

Auch in der herstellerseitigen Verlegeanleitung der textilen Bodenbelagqualität wird hierzu gefordert „(…) Rapportgemusterte Dessinierung […] Übergangsbereiche, Elektranten, Revisionsöffnungen und Rundschnitte sollten grundsätzlich an den Kanten verfestigt werden, um ein Ausbrechen der einzelnen Polnoppen zu vermeiden (…)“.

Die Befunderhebungen vor Ort haben den Nachweis erbracht, dass an den Schnittkanten des textilen Bodenbelags (Schlinge, getuftet) ein Nahtkantenverfestiger nicht zum Einsatz gekommen ist. Hierbei handelt es sich um einen handwerklichen Fehler des Auftragnehmers für Bodenbelagsarbeiten.

Weiterhin ist in der herstellerseitigen Verlegeanleitung folgender Hinweis enthalten „(…) Nahtschnitt: Die Nähte werden bei dieser Qualität grundsätzlich mit einem Mittag-Schneider von oben in der Noppengasse geschnitten. Ein Nahtschnitt mit dem Hackenmesser von der Rückseite in der Noppengasse ist auch möglich (…)“.

Hierzu haben die Inspektionen und Überprüfungen erkennen lassen, dass die aneinandergrenzenden Bahnen der textilen Bodenbelagqualität nicht entsprechend den Vorgaben des Herstellers ausgeführt wurden: lokale Fehlstellen im Nahtkantenbereich einhergehend mit Ausfransungen im Bereich des Polfadens lassen den Rückschluss zu, dass entgegen den Herstellervorgaben und der sonst auch üblichen Verlegetechnik die Nahtkanten bzw. der Nahtschnitt mit einer Hackenklinge von oben im Bereich der Polgasse ausgeführt wurde und dadurch die Schlingen der Polschicht durchgeschnitten/aufgeschnitten worden sind. Die Folge war ein lokales Ausfransen des Polfadens und partiell ein Fadenzug - hierbei handelt es sich um einen handwerklichen Fehler des Auftragnehmers für Bodenbelagsarbeiten.

Auf die festgestellten Auffälligkeiten hinsichtlich der Aussehensveränderungen (z.B. lokale Eindruckstellen u.a.) der textilen Bodenbelagebene anlässlich des Gutachtertermins nach ca. 1,5 Jahren der Nutzung der Räumlichkeiten wurde der Bauherr entsprechend hingewiesen.

Schadensbehebung: zeitaufwendige Nachbesserungen

Im vorliegenden Fall hätte der Auftragnehmer bei Kenntnisnahme der Auslobungen vom Hersteller der textilen Bodenbelagqualität den Schaden vermeiden können. Nun sind zeitaufwendige Nachbesserungen die Folge – ein teures Unterfangen: die fehlerhaft ausgeführte Bearbeitung der Nahtkanten und unterlassene Nahtkantenverfestigung waren die Schadensursache. Dabei handelt es sich nicht um eine Bagatelle und die Mängelrügen des Bauherrn/Auftraggebers sind daher berechtigt gewesen.

Der Autor

Dipl.-Ing. (FH) Hans-Joachim Rolof ist ö.b.u.v. Berufssachverständiger im iba-Institut, Düsseldorf. Koblenz. Stuttgart. Kontakt: info@iba-institut.de

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    Sockelleiste mit Fadenzug.
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    Unsauberer Anschluss mit Fadenzug im ­Bereich von Türen ...
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    Unsauberer Anschluss mit Fadenzug im ­Bereich von Türen.
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    Unsauberer Anschluss mit Fadenzug im ­Bereich von Metallprofilen
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    Unsauberer Anschluss mit Fadenzug im ­Bereich von Metallprofilen.
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    Nahtkanten, fehlende Nahtkantenverfestigung
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    Wenig Sorgfalt bei Ausbildung von Nahtkanten, fehlende Nahtkantenverfestigung und Fehlstellen im Bereich der Nahtkanten sowie Fadenzug.
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    Nahtkante Fadenzug
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    Wenig Sorgfalt bei Ausbildung von Nahtkanten, fehlende Nahtkantenverfestigung und Fehlstellen im Bereich der Nahtkanten sowie Fadenzug.