Innung Wien Auswahlprogramm in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) - Zweite Chance für Jugendliche"> Innung Wien Auswahlprogramm in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) Zweite Chance für Jugendliche

In fast allen Berufen wird um Lehrlinge gekämpft, weil die Zahl der Jugendlichen insgesamt zurückgeht. Ein Wiener Projekt soll Abhilfe schaffen, indem es Jugendliche für den Bodenlegerberuf trainiert und mit Ausbildern zusammenbringt.Zweite Chance für JugendlicheWie alle Gewerke kämpfen auch die Bodenleger um Lehrlingsnachwuchs. Was in der Vergangenheit recht gut geklappt hat, reicht plötzlich nicht mehr aus. Größere Anstrengungen und neue Wege sind gefragt, wenn einzelne Bodenlegerfirmen statt wie üblich 30 Bewerbungen für die freien Lehrstellen plötzlich nur mehr drei bekommen. Statt Panik ist aber ein maßvolles Vorgehen angesagt, wie es die Sozialpartner in Wien demonstrieren. „Wir machen die Berufsorientierung in Wien schon seit vielen Jahren und bringen damit nicht nur unseren Mitgliedsbetrieben die dringend benötigten Lehrlinge, sondern unterstützen auch junge Menschen, die aus verschiedenen Gründen keinen Lehrplatz gefunden haben. Damit ersparen wir auch der Volkswirtschaft hohe Folgekosten wegen eingesparten Arbeitslosenbeiträgen“, sagt Innungsmeister Heinz Hofer. Der Berufsschullehrer und Gründer der Arbeitsgemeinschaft Aus- und Weiterbildung für Bodenleger weiß als Praktiker, wovon er spricht. Motivierten und geeigneten Nachwuchs für das Bodenleger-Handwerk zu finden, wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Gemeinsam mit den Sozialpartnern von der Gewerkschaft und dem Arbeitsmarktservice (AMS) wurde daher ein spezielles Auswahlprogramm organisiert. Junge Menschen, die auf reguläre Bewerbungen keine Chance am Arbeitsmarkt hatten, bekommen dort eine zweite Chance. Drei Wochen TrainingDer Arbeitsmarktservice AMS wählt in jedem Herbst ca. 80 Jugendliche aus, die keine Lehrstelle bekommen haben. Sie werden in der Berufsschule Wien in zwei Tranchen an zwei Tagen auf Eignung und Motivation geprüft. In die nächste Runde schaffen es ungefähr 30 Jugendliche, die dann drei Wochen lang unter praxisnahen Bedingungen in der Werkstätte für ihren gewählten Beruf trainiert werden. „Wir machen das sowohl für die Bodenleger als auch für die Maler, da bei uns in Wien die Doppellehre mit dieser Kombination besonders häufig ist“, ergänzt Hofer. So dürfen die Jugendlichen an der Wand ihre ruhige Hand zeigen, indem sie komplizierte Muster mit Pinsel und Farbe exakt ausfüllen sollen. Zu Beginn geht das noch etwas holprig, doch die Ergebnisse werden nach einigen Tagen immer besser. Auch am Boden gibt es viel zu tun und auszuprobieren. An einem Übungsbrett trainieren die Teilnehmer mit elastischen Belägen zunächst einfache Schneideübungen. Dann werden komplizierte Muster und auch Einlegearbeiten und Kreise geübt, was vielen Teilnehmern bald schon gut gelingt. Beim Holzbrett gilt es, mit einem Zweischicht-Parkett ein Mehrfach-Fries und kompliziertere Einlegearbeiten herzustellen. Das alles geschieht unter den wachsamen Augen der Trainer Christian Steurer für die Bodenlege- und Gerhard Zisch für die Malerarbeiten. Die Firmenchefs springen immer wieder helfend ein, wenn ein Teilnehmer nicht mehr weiterweiß oder mit seinem Können am Ende ist. Trotzdem ist die Atmosphäre entspannt. Zum Stress des Neuen kommt noch ein weiterer Stressfaktor dazu: Potentielle Arbeitgeber beobachten die Ausbildungswilligen bei ihren praktischen Arbeiten und können sich so ein Bild über die Fähigkeiten und Motivation der Jugendlichen machen. Nicht nur einmal ist es vorgekommen, dass ein Firmenchef gesagt hat: „Genau diesen Burschen will ich nehmen, der ist motiviert und macht auch sonst einen sehr guten Eindruck auf mich!“ So erging es auch Edis Sinanowitsch, der wie die meisten seiner 30 Kollegen in der Qualifikationsmaßnahme einen Lehrplatz als Bodenleger bekommen hat. „Ich will sehr gerne Bodenleger werden, mir gefällt das Arbeiten auf der Baustelle sehr gut und ich schneide gerne komplizierte Muster. Ich bin nicht nervös gewesen und habe einfach Spaß an meiner Arbeit“, erzählt der 16-Jährige, der über seinen neuen Lehrplatz überglücklich ist. Er bedankt sich vor allem bei den Organisatoren und den Betreuern für ihre Unterstützung. Da viele Teilnehmer vom Elternhaus und ihrem Umfeld wenig oder gar keine Unterstützung bekommen, ist die Betreuung der Trainer besonders wichtig. Neben anderen sozialen und persönlichen Problemen ist mangelnde Unterstützung oft der Hauptgrund dafür, dass die Jugendlichen zuvor keine Lehrstelle gefunden haben. „Es ist in Wien wirklich schwierig, Lehrlinge oder Facharbeiter in unserem Handwerk zu bekommen“, sagt KR Christian Dobianer. Er hält nichts von den in den anderen Branchen durchgeführten 19-Monats-Kursen, die mit einem Lehrabschluss enden. „Wir gehen einen anderen Weg und schauen, dass ein langjähriger angelernter Arbeiter bei uns einzelne Module der Lehrlingsausbildung im Zuge der Meistervorbereitung macht und dann die Lehrabschlussprüfung absolviert.“ Dies bringe nicht nur Prestige durch den Facharbeiter-Status, sondern mehr Geld jeden Monat und vor allem bessere Pensionszahlungen. Neue Projekte geplantWeil die derzeit ca. 74 Bodenleger-Lehrlinge in Wien nicht weniger, sondern wieder mehr werden sollen, will die Innung gemeinsam mit den Sozialpartnern in Zukunft noch mehr Geld in die Lehrlingsgewinnung investieren. „Wir haben bereits ein neues Projekt in der Pipeline, das wir in einigen Monaten vorstellen werden“, verrät der engagierte Innungsfunktionär. „Nur wer schnell und attraktiv ist, hat heute eine Chance, auch richtig wahrgenommen zu werden. Wir sind dabei!“, lautet die selbstbewusste Ansage. Der müssen nun Taten folgen. Thomas Mayrhofer