Porträt Österreichisches Textilforschungsinstitut, Wien Wiegen, zählen, messen

Vor mehr als 30 Jahren begann das Österreichische Textilforschungsinstitut (ÖTI) als ausgelagertes Teppich forschungsinstitut für 15 Hersteller. Heute ist es ein international anerkanntes Prüf- und Zertifizierungsinstitut auf den Gebieten Innenausstattung, Bauprodukte, Textilien und Spielzeug.Wiegen, zählen, messen Non-Profit-Unternehmen müssen sich veränderten Rahmenbedingungen genauso anpassen wie Unternehmen der freien Wirtschaft. Das Österreichischen Textilforschungsinstitut (ÖTI), hat sich durch seinen hohen Standard im In- und Ausland einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Doch wer heutzutage Gutachten für Konsumenten, Produzenten, Architekten, Behörden, Versicherungen und Gerichte erstellen will, muss einen aufwendigen Akkreditierungsprozess durchlaufen; unabhängig davon, wie renommiert die Einrichtung bereits ist. Alle Maschinen, Mittel und Verfahrensschritte werden dokumentiert, damit die Messergebnisse nachvollziehbar sind. Überprüft werden diese Standards mittels so genannter Rundversuche, in deren Verlauf alle beteiligten Institute bei derselben Prüfung das gleiche Ergebnis im Rahmen der festgelegten Toleranzen herausbekommen müssen. Das Leistungsspektrum des ÖTI umfasst neben der Forschung drei Bereiche. Seit Anfang der 90er Jahre machen die Öko-Tex- Prüfungen knapp 25 Prozent des Umsatzes aus. Für diese Zertifizierung von schadstoffarmen Textilien haben sich 15 Institute in Europa und Japan zusammengeschlossen, die für 6.000 Unternehmen Zertifikate für Millionen Produkte, etwa Babybekleidung, Arbeitskleidung, Vorhänge oder Teppichböden, ausstellen und damit garantieren, dass diese frei von gesundheitlich bedenklichen Schadstoffen sind. Service steht im Vordergrund Der zweite Bereich sind die klassischen Textilprüfungen auf Scheuerfestigkeit und Farbechtheit von Stoffen. Das Segment Raumausstattung und Bauprodukte ist ein historisch gewachsenes Standbein mit europaweit einzigartigem interdisziplinärem Wissen. Da es nur wenige österreichische Betriebe in diesem Industriezweig gibt, war man schon immer auf den europäischen Markt angewiesen. Um gegen die Mitbewerber bestehen zu können, haben sich die ÖTI-Mitarbeiter voll auf die Wirtschafts- und Kundenorientierung gestürzt. „Nicht der Preis, sondern der Servicegedanke muss neben der Schnelligkeit immer im Vordergrund stehen“, betont der stellvertretende Instituts- und Bereichsleiter Ing. Hanspeter Bauer. Beurteilt das ÖTI ein Produkt negativ, muss der Auftraggeber sofort Auskunft erhalten, wie er dies in Zukunft verhindern kann oder sein Produkt neu konzipieren muss. Die europäischen Bauproduktenrichtlinie und das österreichische Bauproduktegesetz haben im Innenausstattungsbereich und bei den Bauprodukten vieles verändert. Obwohl das ÖTI 1994 eines der ersten Institute war, das beim Wirtschaftsministerium als Prüfstelle akkreditiert wurde, war es zusätzlich notwendig, sich beim Österreichischen Institut für Bautechnik akkreditieren zu lassen. Nach eingehender Prüfung ist die Prüf- und Forschungsstelle Fußbodentechnik und Raumausstattung im ÖTI seit 2001 als Prüf- und Überwachungsstelle für die Fachgebiete Zünd- und Brennverhalten von Materialien und Produkten, Zünd- und Brennverhalten von Baustoffen und Bauelementen, Wärmedämmung, Innenausbau, textile und nicht textile Bodenbeläge sowie textile Flächengebilde zugelassen. Expertise über Jahre aufgebaut Das ÖTI ist somit Ansprechpartner für die Industrie, das Gewerbe, für Architekten, Behörden und Auftraggeber; und zwar für alle Belange der Prüfung und Beurteilung von Bauprodukten und Innenausstattungen. Die externe Überprüfung und ein strenges Qualitätssicherungssystem geben den Kunden Rechtssicherheit bei der Anwendung der ÖTI-Prüfzeugnisse in der täglichen Geschäftspraxis. Dieses Renommee ist das Ergebnis von mehr als drei Jahrzehnten kontinuierlicher Personalpolitik und -entwicklung. Die Führung des 40-köpfigen Teams setzt auf Eigenverantwortung und Selbstmotivation. Weil es die entsprechenden Experten in den einzelnen Fachgebieten auf dem Markt nicht gibt, bildet das ÖTI diese selbst aus. Es achtet sehr darauf, diesen Sachverstand dauerhaft ans Haus zu binden. Hanspeter Bauer: „Durch unsere komplexen Anforderungen an die Verlässlichkeit unserer Gutachten brauchen wir bis zu zwei Jahre, um eine Sekretärin so fit zu machen, dass sie ein Gutachten schreiben kann.“ Es gibt daher eine Vielzahl von Teilzeitmodellen. Zwei Mitarbeiter sind sogar in Vaterschaftskarenz gegangen. Für das vorbildliche Personalmanagement ist das ÖTI im Vorjahr als familienfreundlicher Betrieb ausgezeichnet worden. Telefonservice vermeidet Schäden Das ÖTI erstellt im Jahr 3.000 Gutachten mit etwa 30.000 Einzelprüfungen. „Wir sind besonders stolz, dass alle großen deutschen Sachverständigenbüros bei uns prüfen lassen“, erzählt Bauer. Das ÖTI hat aber noch andere wichtige Aufgaben, die für den Handwerker relevant sind. Die von ÖTI geführte Arbeitsgemeinschaft Fußbodentechnik und Raumausstattung bearbeitet jährlich mehr als 2.000 Anrufe. Den Service finanziert zum Teil die Bundesinnung der Bodenleger, aber auch der Besko-Einkaufsverband und zahlreiche Einzelmitglieder. „Ein großer Verleger zahlt uns 2.000 Euro pro Jahr. Er erspart sich durch unsere Betreuung nach eigenen Angaben jährlich mehr als 20.000 Euro, die durch Schäden fällig würden“, sagt Bauer. Wichtig ist auch die Mitarbeit im Normenwesen. Für die neu erschienenen Normen verfasst das ÖTI gemeinsam mit dem ständigen Sachverständigenausschuss Interpretationen und Kommentare, die dem Bodenleger in der Praxis genau sagen, was wie zu machen ist. Die Schulung der Sachverständigen sowie die Kalibrierung, also Einstellung der Messgeräte, sind weitere Aufgaben des Instituts. Das Institut forscht zu Themen wie Geruchsprobleme oder Farbunterschiede bei textilen Systemen. Die Ergebnisse werden dann oft vom Ausland übernommen. Ausbau in der Spengergasse Seit seiner Gründung engagiert sich das ÖTI international. So hat es am europäischen Forschungsprojekt Virtuell Interior Textil Academie (VITA) teilgenommen, zusammen mit Deutschland, Portugal, Holland, Frankreich und Belgien. Diese E-Learning-Plattform in Modulen zur Komplettschulung von Verkäufern für Textilien von A bis Z mit entsprechenden Übungen und Wissenstests könnte als Vorbild für ein ähnliches Paket zum Thema elastische Beläge oder Holzböden dienen. Vorbildlich läuft die Zusammenarbeit des ÖTI mit der Bundesinnung der Bodenleger. Regelmäßig findet ein Gedankenaustausch zu Zukunftsthemen statt. Ingenieur Hanspeter Bauer und sein Team organisieren überdies die jährlich von der Bundesinnung veranstaltete Austrofloor. Für die Zukunft hat man sich in der traditionsreichen Institution viel vorgenommen. Ein großzügiger Ausbau steht auf dem Plan. Nachdem die Textilfachschule Spengergasse, in der das ÖTI sitzt, generalrenoviert werden muss, ist für das Institut ein Zubau geplant. Die Erweiterung ist dringend notwendig und durch das beste Ergebnis in der Institutsgeschichte im ersten Halbjahr 2006 auch finanzierbar. Das Führungsteam und die gesamte Mannschaft sind zuversichtlich, nach und während der schwierigen Umzugsphase auch weiterhin Partnern und Kunden mit ihrem Expertenwissen hilfreich zur Seite zu stehen.◇

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