Der interessante Schadensfall Schattenfugen zwischen Leisten und Parkett: Was darf sich eine Leiste leisten?

Der Abschluss einer Parkett- bzw. Bodenfläche mit Leisten und Schienen kann die Wertigkeit der Belagsarbeit krönen. Leider gelingt das nicht immer, wie der nachfolgend geschilderte Fall zeigt, dessen objektive Beurteilung schwierig ist.

Hohe Fußleisten passen sich Unebenheiten eines Fußbodens nicht an, wodurch störende Schattenfugen entstehen können. - © Humm

Sachverständige befassen sich bei der Beurteilung der fachgerechten Ausführung einer Belagsarbeit meist mit der Fläche selbst. Leisten und Schienen kommen dabei vielfach nur als Randthema vor, da sie keine Auswirkung auf die technische Funktionalität des Bodens haben. Aber neben der Funktionalität eines Werks ist auch die Ästhetik des Erscheinungsbildes von Bedeutung. Eine fachgerechte Leistung muss nicht nur funktionieren, sondern auch den üblichen ästhetischen Ansprüchen genügen. Das Problem bei der sachverständigen Bewertung von Ästhetik ist, dass sich eine solche Eigenschaft nicht direkt messen lässt. Damit kann der sachverständige Ist-Soll-Vergleich nicht mit Zahlenwerten und physikalischen Größen objektiviert werden.

Schadensbild: Schattenfugen

In einem dieser Fälle wurde der Sachverständige damit beauftragt, zur Abnahmefähigkeit eines Zweischichtparketts mit Räuchereiche-Deckschicht Stellung zu nehmen. Bezeichnenderweise war die Auftraggeberin eine Hautärztin, die auf Schönheitsoperationen spezialisiert war. Entsprechend bezogen sich ihre Beanstandungen mehr auf die optischen Auffälligkeiten als auf die Qualität der Verklebung. Beim Ortstermin zeigt sie dem Sachverständigen die Schattenfugen, die sich zwischen der weißen Fußleiste und dem dunklen Parkett deutlich abzeichneten und bat um seine fachliche Bewertung.

Beurteilungsgrundlagen

Zur Befundermittlung in einem solchen Fall wird eine Messung der Ebenheit erfolgen und es werden Schattenfugen dahingehend untersucht, ob sie gleichmäßig vorliegen, welche Spaltmaße sich ergeben und in welchen Abständen die Leiste aufliegt. Für die Bewertung bietet sich dann DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau“ an, da diese Norm entsprechende Prüfpunkte beinhaltet. Eine Bewertung der Schattenfugen aber nur auf diese Normvorgaben zu stützen, würde der Sache nicht gerecht werden.

Schattenfugen zwischen Leisten und Parkett: Auf den Punkt gebracht

Bei einem Zweischichtparkett mit Räuchereiche-Deckschicht zeichneten sich Schattenfugen zwischen der weißen Fußleiste und dem dunklen Parkett deutlich ab. Denn: Bei der Montage von hohen Fußleisten wirken sich Unebenheiten des Untergrunds sichtbar aus.

Die Befundermittlung beinhaltete folgende Punkte:

  • Messung der Ebenheit
  • Liegen Schattenfugen gleichmäßig vor?
  • Welche Spaltmaße  ergeben sich?
  • In welchen Abständen liegt die Leiste auf?

Die Norm DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau“ kann nur bedingt zur Beurteilung herangezogen werden.

In der Fußbodenbranche gibt es keine einheitliche Meinung, welche Schattenfuge das allgemeine Erscheinungsbild beeinträchtigt und welche nicht.

Das subjektive Empfinden von optischer Wirkung bzw. Ästhetik macht eine objektive Beurteilung schwierig, ob das allgemeine Erscheinungsbild beeinträchtigt ist.

Obwohl in der DIN 18202 passende Kriterien wie Stützweite und Höhendifferenz aufgeführt sind, ist der Sinngehalt der Regelung ein anderer. Stark verkürzt ausgedrückt soll durch diese Norm im Hochbau der übliche Toleranzwert vorgegeben werden, mit dem Planer und Handwerker bei der Ausführung von Vorleistungen und ergänzenden Leistungen anderer Gewerke rechnen können. Solange diese Normwerte von einem Gewerk erbracht werden, kann ein anderes Gewerk in erwartbarer Weise darauf aufbauen.

Prüfung mit Hilfe eines Messkeils. - © Humm

Daraus kann nicht zwangsläufig gefolgert werden, dass ein nachfolgendes Gewerk bereits alle notwendigen Voraussetzungen für die fachgerechte Ausführung seiner Haupttätigkeit vorfindet. Ein normgerechter Estrich z.B. ist nicht zwingend eben genug für die Ausführung von Parkett­arbeiten. Die notwendigen Vorarbeiten sind also als Nebenleistungen gesondert zu beauftragen und zu bezahlen.

Für die Beurteilung einer Schattenfuge und einer Fußleiste kann die DIN 18202 also nur soweit herangezogen werden, wie Abweichungen über den Toleranzwert liegen. Eine Stützweite von einem Meter zusammen mit einem Spaltmaß von 5 mm oder mehr muss kein Auftraggeber als eine erwartbare und übliche Ausführung hinnehmen.

Bei einer Schattenfuge von z. B. 3 mm werden bei derselben Stützweite Reklamationen mit DIN 18202 nicht begründet werden können. In diesem Fall muss der Sachverständige seiner Beurteilung die berufliche Praxis zugrunde legen. Er muss als Branchenexperte dazu Stellung nehmen, ob eine solche Ausführung branchenüblich bzw. erwartbar ist. Die Gegebenheiten des Einzelfalls müssen dabei verständig berücksichtigt werden. Die wichtigste Grundlage für seine Bewertung wird hierbei den Inhalten der beruflichen Ausbildung zukommen.

In den berufsspezifischen Lehrinhalten bilden sich die handwerklichen Techniken ab, die sich in der Praxis bewährt haben und für die eine allgemeine Akzeptanz angenommen werden kann.

Falls sich aus den Ausbildungsinhalten keine Anknüpfungspunkte ergeben, kann auch auf das Erscheinungsbild abgestimmt werden. Das Problem dabei ist, dass ein subjektives Empfinden von optischer Wirkung beziehungsweise Ästhetik eine Objektivierung eines Sachverhalts begründen soll. Damit macht sich der Sachverständige in seiner Person zum Maßstab der fachlichen Bewertung. Wenn der Sachverständige mit einer Ausführung das „beeinträchtigte allgemeine Erscheinungsbild“ verbindet, muss er den möglicherweise aufkommenden Gegenwind auch aushalten.

Fachliche Bewertung der Schattenfugen

In der Fußbodenbranche wird sich sicher keine einheitliche Meinung finden lassen, welche Schattenfuge das allgemeine Erscheinungsbild beeinträchtigt und welche nicht. Im vorliegenden Fall brachte der Sachverständige die fachliche Bewertung auf den Punkt, in dem er alle Schattenfugen, in die sich ein normales Meterstabglied einschieben ließ, als unübliche Ausführung bewertete. Als Begründung fügte er noch an, dass ein Auftraggeber Bedenken im Vorfeld anmelden muss, wenn er die Möglichkeit störender Auffälligkeiten absehen kann.

Bei der Montage von hohen Fußleisten wirken sich Unebenheiten des Untergrunds sichtbar aus, wie jeder Profi weiß. Daher muss er in Erfüllung seiner obligatorischen Sorgfalts- und Beratungspflicht gegenüber seinem Auftraggeber auf diese zwangsläufige Beeinträchtigung hinweisen.

Vorsicht bei hohen Fußleisten

  • Hohe Fußleisten sind reklamationsträchtig: Bei absehbaren Auffälligkeiten müssen im Vorfeld Bedenken angemeldet werden.
  • Die fachliche Prüfung der Estrichebenheit sollte sinnvoll auch die Randbereiche erfassen, wenn hohe Fußleisten ausgeführt werden sollen.

Er sollte seinen Auftraggeber aufklären, dass durch vorherige Spachtelung oder nachträgliche Verfugung oder auch durch eine Aushobelung eine fachgerechte Ausführung erreicht werden kann, wobei solche besonderen Arbeiten zusätzliche Kosten verursachen.

Es wird dann die Entscheidung des Auftraggebers sein, ob er eine schöne Ausführung haben will und bereit ist, sie auch zu bezahlen oder ob er mit den absehbaren Schattenfugen leben kann und will.

Wenn der Auftragnehmer versäumt, seinen Auftraggeber diese Entscheidungsmöglichkeiten zu kommunizieren, setzt er sich dem Risiko einer berechtigten Reklamation aus. Im vorliegenden Fall hat sich dieses Risiko in Form eines erheblichen Abzugs von Werklohn für den Auftragnehmer realisiert.

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    Hohe Fußleisten passen sich Unebenheiten eines Fußbodens nicht an, wodurch störende Schattenfugen entstehen können.
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    Prüfung mit Hilfe eines Messkeils.