Fachthema Rationalisierung ja, Qualitätseinbußen nein Risiko Fertigteilestriche?

Gerade weil Estriche höchsten Belastungen standhalten müssen, sollte genau hingesehen werden, wenn aus Gründen der Rationalisierung Fertigteile zum Einsatz kommen. Berufssachverständiger Ralf Marth erläutert, worauf es dabei ankommt.Risiko Fertigteilestriche? Als Estrich (althochdeutsch Esterih; griechisch Óstrakon, das heißt „Scherbe“; lateinisch Astracum; mittellateinisch Astricus, also „Pflaster“) bezeichnet man in Deutschland die wenige Zentimeter dicke und fugenlose Schicht des Fußbodenaufbaus, die auf einem tragenden Untergrund (Geschossdecke, Sohle) hergestellt wird; sie kann von diesem durch eine Trenn- oder Dämmschicht getrennt sein. Die Oberfläche wird unmittelbar genutzt oder mit einem Belag versehen, der in die frisch hergestellte Estrichschicht verlegt werden kann. Estriche haben buchstäblich über Generationen höchste Verantwortung zu tragen. Da es sich eben nicht um einen jederzeit leicht austauschbaren Gebäudeteil handelt, gibt es hinsichtlich Rohstoffen und Zusätzen auch keine Kompromisse. Qualität ist durch nichts zu ersetzen. Estrich ist eine feste, ebene Fußbodenschicht, die als begehbare Fläche oder Untergrund für Bodenbeläge jeder Art dient. Eine zunehmende Rationalisierung des Ausbaus, bei Einhaltung erhöhter Anforderungen an den Wärme- und Schallschutz, fördert eine Verlegung von Fertigteilestrichen (auch Trockenestriche genannt) im Hochbau. Fertigteilestriche bestehen aus der wärme- und/oder trittschalldämmenden sowie einer aus Fertigteilplatten zusammengesetzten, Last verteilenden Schicht. Die Fertigteilplatten bestehen in der Regel aus Schichten von mineralisch oder kunststoffgebundenen Stoffen, wie Gipskarton, Keramik, Holz oder Zement, mit nutzungsgerechten Eigenschaften. Nach kraftübertragender Verklebung und dem Abbinden des Klebstoffs können sie nach wenigen Stunden begangen und belegt werden. Auch wenn Trag- und Verformungsverhalten sowie der Trittschallschutz von Fertigteilestrichen nicht so günstig sind wie bei üblichen, schwimmenden Magnesia-, Zement- und Calciumsulfatestrichen, sind Fertigteilestriche im Hochbau dann gut einsetzbar, wenn vom Planenden die baustoffbedingten Begebenheiten berücksichtigt werden. Sinngemäß gelten die Anforderungen der DIN18560, Teil 2, „Estriche im Bauwesen; Estriche und Heizestriche auf Dämmschichten“. Fertigteilestriche sind Lastverteilungsplatten, die auf der Baustelle zumeist aus trockenen, vorgefertigten Elementen zu einer Estrichfläche verbunden werden (oft über eine Profilierung zusammengefügt oder stumpf miteinander verbunden/geklebt) und nach Einbau ohne große Wartezeit belegbar sind (siehe Herstellerangaben). Typische Vertreter sind Holzwerkstoffplatten, also: eSpanplatten, eOSB-Verlegeplatten, eHDF-Verlegeplatten, eHolzfaser-Zementplatten. Und mineralisch gebundene Platten, also: eGipsfaserplatten, eGipskartonplatten. Trockenestriche unterscheiden sich deutlich hinsichtlich des Aufbaus. Vorteile von Trockenestrichsystemen sind: ekurze Austrocknungszeit nach Verlegung, Verlegereife bereits am nächsten Tag und somit schneller Baufortschritt, egute Formstabilität, da keine Trocknungsprozesse mehr notwendig sind, eleichte Erstellung der Untergrundebenheit, egeringe Aufbauhöhe, geringes Gewicht, erelativ glatte Oberfläche und so bei Spachteln/Kleben geringerer Materialverbrauch der Verlegehilfsstoffe. Folgende Nachteile sind erwähnenswert: edurch die geringere Masse geringere Trittschallreduzierung, egeringere aufnehmbare Flächenlasten, eGefahr von Aufwölbungen in schwimmender Konstruktion. Wer einen Fertigteilestrich einbaut, ist in einem Bereich des Estrichlegerhandwerks tätig und muss Vorschriften über Estriche im Bauwesen und Estricharbeiten beachten. Das gilt besonders für die Verpflichtung des Verlegers, etwa Rohdecke auf ihre Verlegereife zu untersuchen. Auch gegen die aufsteigende Feuchtigkeit aus der Rohbetondecke muss Fertigteilestrich gegebenenfalls geschützt werden. Die Estriche können auf Balken, Dämmschichten oder Trockenschüttungen, schwimmend oder fest (kraftschlüssig) verschraubt, verlegt werden. Zur Abschätzung der Eignung von Trockenestrichen für die kraftschlüssige Aufnahme von Bodenbelägen wurden Versuche in den Laboren und in der Praxis, also auf der Baustelle, vorgenommen. Zusammenfassend wurde ermittelt, dass die Scherfestigkeit (wichtig beim Verkleben von Bodenbelägen, besonders bei Parkett) bei Holzwerkstoffplatten großenteils über den Werten liegt, welche Baustoffestriche erreichen. Die niedrigsten Scherfestigkeiten besitzen (wegen der Konstruktion) Gipskarton- und Gipsfaserplatten. Bei Kraftzugfestigkeiten sieht es ganz anders aus. Die besten Ergebnisse erzielen durch ihren isotropen Aufbau Zementfaserplatten. Im Unterschied dazu weisen Holzwerkstoffplatten durch anisotropen Aufbau weitaus niedrigere Haftzugfestigkeiten auf. Noch schlechtere Resultate zeigen wiederum die Gipskartonplatten. Wie sieht die Praxis aus? Wo gibt es Probleme mit Fertigteilestrichen? Das bereits Gesagte ist Theorie – was beschäftigt Verarbeiter auf der Baustelle? Zwei Schadensfälle aus der Praxis: 1.In einer Grundschule wurden im Zuge von Umbau- sowie Modernisierungsmaßnahmen Bodenbelagarbeiten vorgenommen. Teilweise wurden die bauseits vorhandenen Dielenböden entfernt und nach entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen, mittels Schüttung, neue Fertigteilestrichelemente, hier zementgebundene Spanplatten, schwimmend verlegt. Einige Räume, die kontinuierlich angebaut worden waren, wiesen eine nicht näher bezeichnete mineralische Lastverteilungsschicht als Untergrund auf. Auf die Oberfläche der gemäß Herstellervorgaben vorbereiteten Untergründe (Trockenestrichelemente und die mineralische Lastverteilungsschicht) hat der Auftragnehmer Linoleumbodenbelag in einer Dicke von 3,2 Millimeter sach- und fachgerecht verlegt/geklebt. Etwa drei Jahre nach Ende der Verlegung, jedoch innerhalb der Gewährleistungsfrist, hat der Auftragnehmer vom Auftraggeber wegen unzähliger Absenkungen innerhalb der Fußbodenkonstruktion die Mängelanzeige erhalten. Bei einem Gutachtertermin vor Ort wurden in den Bereichen, in denen eine Fertigteilestrichkonstruktion vorlag, die entsprechenden Verformungen festgestellt. Gerade in den Stoßkanten-/Fugenbereichen der Fertigteilestrichelemente lagen auf der Messstrecke von etwa 70 Zentimeter Absenkungen von bis zu acht Millimeter vor. Gleiches galt für den Bereich der Wandsockel, hier kam es bereits zu Abrissfugen des elastischen Dichtstoffmaterials. Partiell waren weiterhin Abrisse der Verfugung im Stoßkantenbereich von einzelnen Bodenbelagbahnen sichtbar. Zwecks Ursachenforschung wurden mehrere Prüfstellen innerhalb der hier in Rede stehenden Linoleumbodenbelagebenen eingerichtet und entsprechend Proben aus der Fußbodenkonstruktion, auch für Feuchtigkeitsmessungen im Labor des beauftragten Sachverständigen, entnommen. Wieder unzählige Verformungen Dabei wurde ein Feuchtigkeitsgehalt der Fertigteilestrichelemente 10,0 Massenprozent ermittelt. 2.In einer alteingesessenen Druckerei wurden im Zuge umfassender Modernisierungsmaßnahmen Bodenbelagarbeiten ausgeführt. Aufgrund der stetigen Expansion der Bürobereiche wurde jahrelang an den Altbestand angebaut und das Gebäude dadurch erweitert. Um die Fußbodenkonstruktionen auf ein gleiches Höhenniveau zu bringen, war es nötig, teils Balken einzuziehen sowie Deckendurchbrüche herzustellen, um entsprechende neue Auf- und Abgangswege zu erschließen. Deshalb wurde auf einer Gesamtgrundrissfläche von etwa 600 Quadratmeter eine neue Fertigteilestrichkonstruktion (OSB-Platten) eingebaut. Etwa ein Jahr nach dem Ende dieser Arbeiten wurde der Auftragnehmer aufgefordert, sich die unzähligen Verformungen und Abzeichnungen der Fertigteilestrichelemente auf der sehr teuren, elastischen Bodenbelagoberfläche anzuschauen und entsprechende Sanierungsmöglichkeiten vorzuschlagen. Der Auftragnehmer wies die Schuld von sich, so dass ein neutraler Sachverständiger eingeschaltet wurde. Beim Gutachtertermin waren auf einer Messstrecke von 50 Zentimeter Absenkungen im Stoßkantenbereich der einzelnen Fertigteilelemente von bis zu neun Millimeter erkennbar. Klar zu sehen waren Stoßkantenbereiche auf der Oberfläche der elastischen Bodenbelagebene. Auch Feuchtigkeitsproben wurden aus der Fertigteilestrichkonstruktion für die Ursachenforschung entnommen, die Unterkonstruktion wurde überprüft. Doch die Balkenkonstruktion war sach- und fachgerecht, also gemäß einschlägiger Richtlinien sowie Normen erstellt und dadurch genügend tragfähig. Ausreichend dick dimensioniert waren auch die Fertigteilestrichelemente, so dass es zu keiner unüblichen Durchbiegung bei Belastung kam. Es wurde ein Feuchtigkeitsgehalt der Fertigteilestrichelemente in dieser Holzkonstruktion von 9,5 Massenprozent ermittelt. Der Auftragnehmer von Bodenbelagarbeiten hat nach VOB, ATV DIN 18365 „Bodenbelagarbeiten“ Prüfungen an Untergrund und Material vor Start der Verlegung vorzunehmen. Dazu gehört die Prüfung des Feuchtigkeitsgehalts im Untergrund. Dafür ist nach Überzeugung des Sachverständigen das CM-Gerät nur geeignet, wenn es sich um mineralische Baustoffe/Untergründe handelt. Bei der erwähnten Fertigteilkonstruktion handelt es sich um zementgebundene Spanplatten beziehungsweise OSB-Platten, also um Sonderkonstruktionen. Also kann kein CM-Messgerät eingesetzt werden. Eine weitere Möglichkeit der Feuchtigkeitsbestimmung ist der Einsatz des elektronischen Feuchtigkeitsmessgerät. Dieses ist für Fertigteilestrichkonstruktionen jedoch nicht immer einsetzbar und gibt nur unpräzise Werte an. Welche angezeigten Werte trockenen und so verlegereifen Untergrund belegen, ist von Gerät zu Gerät unterschiedlich. Hersteller können nicht für alle erhältlichen Feuchtigkeitsmessgeräte entsprechende Grenzwerte angeben. Doch der Auftragnehmer muss mit den ihm zur Verfügung stehenden sowie üblichen Messgeräten den Restfeuchtigkeitsgehalt des Verlegeuntergrundes ermitteln können. Auch die Industrie ist gefordert Doch steht dem Auftragnehmer ein vorgegebenes Messgerät nicht immer zur Verfügung. Kann er die Restfeuchtigkeitsbestimmung des Untergrundes, die ihm obliegen würde, nicht bewerkstelligen, so handelt es sich um einen Sonderfall. Der Auftragnehmer muss sich bei der Fertigteilestrichverlegung sowie Oberbodenbelagarbeiten auf die vom Hersteller angegebenen Feuchtigkeitswerte für die ausgelieferten Fertigteilestrichelemente verlassen. Doch dürfte bekannt sein, dass alleine wegen des Transportweges und der anschließenden Lagerung der Baustoffe auf der Baustelle diese erheblichen Feuchtigkeitseinflüssen unterworfen sind. Liefert man diese Materialien im Winter, bei Regen oder Schnee auf eine Baustelle, kommt es zwangsläufig zu erheblicher Feuchtigkeitseinwirkung auf alle Fertigteilelemente. Da der Auftragnehmer für Fertigteilelementverlegung keine Prüfmöglichkeiten hat, muss er nach bestem Wissen und Gewissen sowie aufgrund seiner Erfahrung Trockenestrichelemente verlegen. Werden diese in zu feuchtem Zustand eingebaut, kommt es nach Ende der Verlegung sowie durch die Nutzung zwangsläufig zu einem normalem Trocknungsverhalten der Fertigteilestrichkonstruktion und dadurch zu diesen Verformungen, die heute vielerorts feststellbar sind. Zusammenfassung: Sehr häufig wird beanstandet, dass sich im Verlauf von Bodenbelagarbeiten Ränder der Holzwerkstoffplatten, gerade bei Spanplatten, aufwölben und sich die Stöße der Spanplatten an der Oberfläche der zumeist glatten, elastischen Bodenbeläge, die auf die Holzwerkstoffplatten geklebt wurden, abzeichnen. Teils platzen gar Spachtelmassen ab. Wie kann man dies in der Praxis vermeiden? Wichtig ist, dass der Feuchtigkeitsgehalt der Platten beim Verlegen nicht abrupt geändert wird (in der Regel verändern sich Holzspanplatten in Länge und Breite um 0,1 Prozent bei einer Feuchteänderung von 3,0 Gewichtsprozent). Daher ist es umso wichtiger, dass die Spanplatten nach der Verlegung sofort mit Bodenbelag belegt oder, falls es nicht möglich ist, mit wasserdampfdichter PE-Folie abgedeckt werden. Die Industrie sollte Auftragnehmern für Trockenestrichverlegung sowie Oberbodenbelagarbeiten entsprechende Messinstrumente zur Verfügung stellen, um zu ermitteln, mit welchem Feuchtigkeitsgehalt Fertigteilestrichelemente eingebaut und Oberbodenbelagarbeiten ausgeführt werden können. Da eine Vielzahl verschiedener Fertigteilestrichkonstruktionen und Materialzusammensetzungen auf dem Markt sind, ist es schwierig, einheitliche Messinstrumente sowie Bewertungskriterien zu erstellen. Daher hat auch der Bundesverband Estrich und Belag (BEB) im Arbeitskreis Doppelboden und Hohlraumböden, Fertigteilestriche erstmals einen Initiativ-Arbeitskreis Trockenböden einberufen. Er tat dies in Folge der zunehmenden Bedeutung der Thematik, gerade hinsichtlich des zunehmenden Sanierungsmarktes bei Gewerbe- und Wohnungsgebäuden. In den Sachverständigen-Gutachten der vergangenen Jahre haben sich zunehmend negative Resultate im Bereich Trockenböden beziehungsweise Fertigteilestrichkonstruktionen ergeben. Es bleibt zu hoffen, dass Verarbeitern sowie Auftragnehmern entsprechende Instrumente und Bewertungskriterien an die Hand gegeben werden, um die mitunter gehäuft auftretenden Schäden durch Verformungen an den Fertigteilestrichkonstruktionen zu vermeiden. Kommt es zu Verformungen, wendet sich der Auftraggeber zumeist an seinen Auftragnehmer. Aber wer zahlt den Schaden? Hier steht der Auftragnehmer immer an erster Stelle im Verhältnis zum Auftraggeber. Deshalb ist die Industrie gefordert, den Auftragnehmer entsprechend zu unterstützen. Aus Kulanzgründen werden teilweise die entstehenden Schäden von der Industrie übernommen oder behoben. Doch kann es für den Auftragnehmer nicht die gewünschte Position sein, ohne juristische Handhabe von der Kulanz seiner Industriepartner abhängig sowie sonst mit dem Schaden allein zu sein. Ralf Mart ralf.marth@freenet.de