Patzkes ganz normale Fragen aus dem Baustellenalltag (Teil 8) - Perfekt ist hier nicht gut genug"> Patzkes ganz normale Fragen aus dem Baustellenalltag (Teil 8) Perfekt ist hier nicht gut genug

Perfekt ist hier nicht gut genugPatzke hat ja mittlerweile viel gelernt. Er liest Ausschreibungen von Architekten, Bauträgern und anderen finsteren Gesellen. Achtet penibel auch aufs Kleingedruckte und alle Nebensätze. Da stehen häufig Sachen drin, die man als Bodenleger eigentlich gar nicht ausführen kann. In der letzten Zeit kommen immer mehr Bodenbeläge auf den Markt, die fast unifarben und/oder meist braun oder beige sind, eine Musterung wie bei den Belägen früherer Herstellung ist eigentlich gar nicht mehr zu erkennen. Dazu ist die Oberfläche fast glänzend, mit den Bodenbelägen, wie wir sie in der Vergangenheit hatten, haben die gar nichts mehr zu tun. Viele Hersteller nennen das dann auch noch lebenslang pflegeleicht oder besonders nutzerfreundlich. Architektonisch und ästhetisch mag das ja einen besonderen künstlerischen Eindruck ergeben, für den ausführenden Handwerker ist es aber eigentlich ein Alptraum. So eine Ausschreibung hatte Patzke neulich auf dem Schreibtisch. Wie gewohnt zog er sich mit einer Flasche Barolo in sein Arbeitszimmer zurück, um die ganze Sache ausführlich zu lesen und um alle Fallstricke möglichst früh zu erkennen. Aber solch eine Ausschreibung wie diese hatte er noch nicht in den Händen gehabt. Architekt war diesmal kein Mann wie Hohl, Tatarani oder andere schalbehängte Konsorten. Nein, eine Innenarchitektin mit dem wohlklingenden Namen Anett von Glaeseker zu Kleinburgwedel hatte sich was ganz besonderes ausgedacht. In der neuen Christian-Wulff Gesamtschule in Hannover soll ein innovativer Lesesaal eingerichtet werden, aber einer, der es in sich hat. Literatur, Schriftstücke, Dokumente und alles, was für die Anfertigung von Abitur-Examen und -Doktorarbeiten nötig ist, stehen jedem Beteiligten kostenfrei und sofort zur Verfügung. Eine aufwendige Recherche zu Sachthemen entfällt, abschreiben kann man überall und anonym. Als Bodenbelag sollte einer dieser neuen unifarbenen elastischen Beläge verlegt werden, allerdings soll dieser nach Fertigstellung der Arbeiten mit einem speziellen hochglänzenden Beschichtungssystem von einem Gebäudereiniger überzogen werden. Patzke staunte nicht schlecht, als er über diesen Aufbau nachdachte. Kellenschläge oder gar Fremdkörpereinschlüsse sind auf jeden Fall zu vermeiden und werden seitens der Architektin in keinster Weise geduldet, war die eindeutige Ansage, das sei auch unwiderruflich Teil des Vertrages. Mit so einer Verlegung wollte Patzke auf keinen Fall etwa zu tun haben. Deshalb gab er einen Preis ab, der mehr als das Doppelte so hoch war, wie er üblicherweise kalkulierte. Die Flasche Barolo war leer, für ihn war die Sache damit eigentlich erledigt. Ein paar Tage später hatte er den Auftrag im Briefkasten, ablehnen konnte er die Sache jetzt auch nicht mehr. Seine Jungs gaben ihr Bestes, der Unterboden wurde geschliffen, gerakelt, gesaugt, selbst mit einer leicht klebrigen Folie vom Autolackierer wurde noch einmal alles gesäubert. Die Fläche zeigte sich in einem perfekten Zustand, selten hatte Patzke und seine Leute eine solch tolle Fläche hingekriegt. Die Freude war groß, bis der Gebäudereiniger eine Beschichtung aufgetragen hatte, die an einen hochglanzpolierten Autolack erinnerte. Nun konnte man bei genaustem Hinschauen an drei, vier Stellen kleinste, fast unsichtbare Einschlüsse erkennen. Die Architektin zitierte Patzke sofort zur Baustelle und erklärte, dass diese Arbeit nicht abgenommen und schon gar nicht bezahlt werde. Kann ein Architekt solche Forderungen stellen, auch wenn sie vertraglich gefordert werden? Die Antwort erhält Patzke in der nächsten Ausgabe von bwd.

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