Nachhaltigkeit am Bau und damit auch im Fußbodenbau hat viele Facetten. Dieser Beitrag lenkt den Blick auch auf die energetische Sanierung, die dem Bodenleger ein neues Geschäftsfeld im Bereich Flächenheizung eröffnet.

Der Begriff Nachhaltigkeit kann ganz grob in die drei Bereiche soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit aufgegliedert werden. Damit liegt eine erste Einteilung vor, um sich nicht ganz in den Themen zu verlieren. Wesentlich größer wird die Nachhaltigkeit von der UN mit den 17 Sustainable Development Goals, kurz SDG’s, beschrieben. Diese wurden im Rahmen der Rio+20 Konferenz im Jahre 2012 beschlossen, mit dem Titel „Transformation unserer Welt: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“.
Basierend auf den SDG’s hat die Europäische Kommission dann im Jahre 2019 den Green Deal auf den Weg gebracht. Damit wurden tiefergreifende Maßnahmen beschrieben und in verschiedenen Programmen aufgelistet. Unter anderem auch in der Renovation Wave, also der Renovations-Welle. Die Ziele dazu sind im Faktenblatt klar beschrieben. Im Rahmen der Renovierungswelle sollen 35 Millionen nicht energieeffiziente Gebäude bis 2030 saniert werden, damit die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % sinken und das Fundament für ein bis 2050 klimaneutrales Europa gelegt wird. Voraussichtlich werden 85 bis 95 % der Gebäude in der EU im Jahr 2050 noch bestehen. Die Renovierung dieses Gebäudebestands ist für die Verringerung der Emissionen und des Energieverbrauchs von zentraler Bedeutung. (1)
40 Prozent des Energieverbrauchs entfallen auf Gebäude
Die Hintergründe sind recht deutlich: Auf Gebäude entfallen mehr als 40 % des Energieverbrauchs und damit mehr als 36 % der energiebezogenen Treibhausgasemissionen. Zudem verursacht der Bausektor mehr als 40 % des Abfallaufkommens. Anhand der Zahlen wird deutlich, dass im Baubereich ein großer Hebel zur Erreichung dieser Ziele liegt. Zudem muss man wissen, dass ca. 35 % der Emissionen, die ein Gebäude von der Erstellung bis zum Abriss erzeugt, allein in der Herstellungsphase verbraucht werden. Daraus lassen sich dann die Weichenstellungen auch für den Boden- und Parkettleger ablesen: Bestand erhalten und energetisch sanieren.
Kommen wir zurück auf die bereits erwähnte Aufteilung in soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit. Im Folgenden wird nur die ökologische Nachhaltigkeit behandelt, sprich die Umweltauswirkungen, und dann bezogen auf den Bausektor. Da gibt es drei Handlungsmaximen: Reduce/Reduzieren, Reuse/Wiederverwenden und Recylce/Recyceln.
Baustoffe mit hohem CO2-Fußabdruck reduzieren
Für den ersten Bereich kommt dem Baustoff Zement bzw. Beton eine entscheidende Rolle zu. Weltweit werden jährlich ca. 30 Milliarden Tonnen Beton hergestellt, in Deutschland waren es in 2021 ca. 126 Millionen Tonnen. Der CO2-Fußabdruck von Zement und unisono dann auch von Beton ist im Vergleich zu anderen Baustoffen recht hoch. Deshalb hatte die Bundesregierung zur Wahrung der Klimaschutzziele die Einführung der CO2-Steuer beschlossen.
Diese hat in den letzten Jahren die Kosten von Zement und Beton enorm in die Höhe getrieben. Allein die Kostensteigerung für 2023 soll allein nochmals ca. 40 % betragen. Dies wird sich demnach auch in den verwendeten Mörteln und Spachtelmassen wiederfinden, denn solche Preisanstiege können nicht von Herstellern kompensiert werden. Von daher ist die CO2-Steuer einer der Gründe, warum Bauen aktuell deutlich teurer wird. In der Konsequenz wird sich die Art und Weise des Neubaus dauerhaft verändern. So werden die Zemente in der Zusammensetzung geändert, sodass weniger CO2-Anteil enthalten ist, Baukonstruktionen mit Beton werden leichter oder es werden zukünftig alternative Baumaterialien wie Holz, Stahl und Glas zur Erstellung von Gebäuden verwendet.
Auch der Bereich der Estriche ist davon betroffen. Wird Zement weiterhin verteuert, kommen Alternativen wie Calciumsulfatestriche oder auch Trockenestrichkonstruktionen vermehrt zum Einsatz. Somit soll der Materialeinsatz von Baustoffen mit hohem CO2-Fußabdruck deutlich reduziert werden. Auch Boden- und Parkettleger können in Teilen dazu beitragen, dass Produkte mit einem geringeren CO2-Fußabdruck verwendet werden. So können moderne Dispersionsgrundierungen zur Absperrung von Restfeuchte in Estrichen und Beton verwendet werden. Im Vergleich zu Epoxidharzen lässt sich damit ca. 62 % an CO2 einsparen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Eine Dispersionsgrundierung benötigt zur Herstellung wesentlich weniger Energie als eine Reaktionsgrundierung.
Nutzungsdauer des Fußbodens verlängern
Die zweite Handlungsmaxime lautet Reuse bzw. Wieder- oder weiterverwenden. Dies zielt unter anderem auch auf den Bereich der Sanierungen ab. Bestand soll länger erhalten bleiben, da ja bereits bei der Erstellung von Gebäuden ca. 35 % der CO2-Emissionen verursacht werden. Je länger ein Gebäude mit seinen Bauteilen genutzt werden kann, umso mehr verringern sich die CO2-Emissionen in der Gesamtbilanz. Oder einfacher gesagt, jeder Austausch von altem Estrich und Belag gegen neuen Estrich oder Belag erhöht die CO2-Bilanz, da neues Material produziert und eingebaut werden muss.
Von daher gilt in der Sanierung einerseits, Estriche und Unterkonstruktionen so lange wie es geht zu ertüchtigen und darauf dann neu aufzubauen. Sicherlich sind dem auch Grenzen gesetzt, aber moderne Verlegewerkstoffe in Kombination mit Armierungsprodukten machen doch schon einiges möglich. Auf der anderen Seite sollten Bodenbeläge so lange wie möglich im Gebäude verbleiben, am besten verklebt. Besonders in hoch belasteten Bereichen gibt es dazu keine Alternative. Denn die Funktionsfähigkeit von Belägen in Objekten wie Krankenhäusern, Restaurants, gewerblichen Bereichen oder auch in Büros ist am besten durch eine Verklebung gegeben, insbesondere im Zusammenspiel mit einer Fußbodenheizung. Denn verklebte Beläge ermöglichen eine geringere Vorlauftemperatur und sorgen somit für geringere Heizkosten. Dies wurde kürzlich in einer Untersuchung der TKB herausgefunden. Geklebte Bodenbeläge und Parkett leiten Wärme besser als schwimmend verlegtes Material. Bei Designbelägen wird der Wärmedurchgangswiderstand zu ca. 0,026 K m²/W bestimmt, bei 3-schichtigem Parkett (2,5 mm Nutzholz Oberbelag, HDF Mittellage, Gegenzug aus nordischer Fichte (Furnier), insgesamt 13 mm) wird ein Wert von 0,023 K m²/W gemessen. Bei gleicher Wärmeleistung kann damit die Vorlauftemperatur der Heizung um 2 bis 3 °C niedriger gefahren werden. (2)
Lukratives Betätigungsfeld für Bodenleger
Somit kommen wir zu einem weiteren wichtigen Aspekt, der Fußbodenheizung . In Deutschland gibt es ca. 22 Millionen beheizte Gebäude. Im Vergleich dazu sind es ca. 300.000 neu gebaute Wohnungen pro Jahr. Unschwer zu erkennen, dass eine energetische Sanierung der Gebäude unabdingbar ist. Werden die Gasbrennwerttherme oder die Ölheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt, muss in der Regel auch eine Anpassung an die Form der Wärmeübertragung erfolgen. Bei Einsatz von Rippenheizkörpern wurden zur Erreichung der gewünschten Raumtemperatur oftmals Vorlauftemperaturen von 70-90 °C benötigt. Damit Wärmepumpen noch wirtschaftlich arbeiten können sind in der Regel Vorlauftemperaturen von 25-35 °C vorgesehen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Strahlfläche erhöht werden muss, da Niedrigtemperatur-Heizungssysteme eine große Fläche zur Wärmeabstrahlung benötigen wie z. B. eine Fußbodenheizung.
Hier können dann Boden- und Parkettleger auf entsprechendes Geschäft hoffen. Wenn Bauherren sanieren, dann muss sich diese Investition in den nächsten Jahren auch amortisieren, sprich es wird in den meisten Fällen sicherlich eine energetische Sanierung werden. Die fachkundigen Energieberater werden dann, natürlich abgestimmt auf jeden Einzelfall, in der Regel auch eine Fußbodenheizung empfehlen. Hier gibt es zahlreiche Lösungen, um bestehende Estriche nachträglich mit einer Fußboden-Flächenheizung auszustatten. Angefangen von warmwassergeführten Heizsystemen als Noppe- oder Klett-Variante über nachträglich eingefräste Warmwasserleitungen im Bestandsestrich bis hin zu elektrischen Systemen als Kabel oder Carbonfasermatten. Je nach Anwendungsfall wird sich eine Lösung finden. Wer als Boden- und Parkettleger hier fachkundig beraten kann, die entsprechenden Systeme zu verarbeiten weiß und das Netzwerk zu den Fachbetrieben der Heizungsinstallation hat, dürfte sich über fehlende Arbeit in den nächsten Jahren nicht beschweren.
Nachhaltigkeit: Sechs Ansatzpunkte für das Handwerk
- Wo möglich, Produkte mit einem möglichst geringen CO2-Fußabdruck verwenden, z. B. Dispersionsgrundierungen statt Epoxidharzgrundierungen oder Gipsspachtelmassen statt Zementspachtelmassen.
- Produkte verwenden, die über eine Zertifizierung (z. B. EMICODE) und/oder einen Nachweis über die Auswirkungen auf die Umwelt (z. B. EPD) verfügen.
- Vollflächige Verklebung gegenüber einer schwimmenden Verlegung bevorzugen – insbesondere auf Fußbodenheizungen
- Bestand möglichst erhalten und auf geprüfte Systemlösungen für Sanierungen setzen.
- Auswahl und Beratung von möglichst nachhaltigen Bodenbelägen, je nach Erwartung und Anforderung des Bauherrn.
- Lösungen anbieten zur nachträglichen Installation von Fußbodenheizsystemen, wie warmwassergeführten Niedrigaufbausystemen oder elektrischer Fußbodenheizung.
Stellt sich noch die Frage nach dem richtigen Bodenbelag. Die Antwort darauf lässt sich nicht leicht und mal eben geben. Vielmehr sind die Erwartungen und die Anforderungen des Bauherrn relevant, und auch, was er dafür ausgeben möchte. Sind es Beläge mit geringen Emissionen , sollen sie frei von Weichmachern sein, muss es ein natürlich nachwachsender Rohstoff sein, ist eine Zertifizierung mittels Cradle-to-Cradle erforderlich? Hier gehen die Anforderungen weit auseinander. Manche Städte und Kommunen verbieten den Einsatz von PVC, stattdessen können z. B. elastische Beläge auf Basis von PET verwendet werden. Andere wiederum schließen den Einsatz von Weichmachern aus und fordern entsprechende Zertifikate. Hier muss sich ein jeder selbst über die verschiedenen Auswahlmöglichkeiten bei dem Hersteller seines Vertrauens erkundigen, sodass eine Beratung von Bauherrn und Endkunden möglich ist. Auswahlmöglichkeiten gibt es auf jeden Fall genug.
Was für den Handwerker an der Stelle noch interessant sein dürfte, ist der Preis der Produkte. Dieser liegt in der Regel doch deutlich höher im Vergleich zu den sonstigen Belägen. Demnach sind Bauherren mit einem Anspruch und Bewusstsein für nachhaltige Beläge auch bereit, mehr Geld für die gesamte Verlegeleistung zu bezahlen.
PVC-Sektor ist Vorreiter hin Sachen Recycling
Kommen wir noch zur dritten Handlungsmaxime, dem Recyceln. Dieses Gebiet ist sicherlich aktuell noch am wenigsten konkret. Was heißt recyceln, werden die ausgebauten Materialien in Stoffkreisläufe überführt, sodass eine Wiederverwendung gegeben ist. Oder ist es das Downcyceln wie im Bereich von Bauschutt praktiziert, der als RC-Schotter (Recycelter-Schotter) z. B. im Straßenbau verwendet wird. Klare Regeln gibt es noch nicht, aber immerhin viele Aktivitäten. So hat das DIN mit DIN.ONE eine Arbeitsgruppe zur Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) eingerichtet, die zeitnah die ersten Ergebnisse vorstellen wird. Darauf basierend wird es dann Handlungsanleitungen und später auch entsprechend Normen und Zielvorgaben geben.
Vorreiter im Bereich Recycling-Quoten ist die PVC-Fensterindustrie. Hier wird das Recyceln von PVC über den Verein VinyPlus stark gefördert, sodass PVC-Fenster heute schon zu 85 % recycelt werden. Auch PVC-Bodenbeläge werden schon recycelt, allerdings noch nicht mit einer so hohen Recycling-Quote. Soweit man den Informationen entnehmen kann, ist der Anteil an Klebstoff und ggf. vorhandenen Mörtelresten dabei so gering, dass dies keinen signifikanten Nachteil für den Recycling-Prozess darstellt. Auch im Bereich textiler Beläge gibt es schon zahlreiche Ansätze zur Rücknahme von Bodenbelägen, die dann recycelt und dem Produktionsprozess wieder zugegeben werden. Gleiches gibt es im Bereich Beton, sodass ein Betonhersteller die erste Zulassung für Betonfertigteile mit Zuschlägen aus recyceltem Beton erhalten hat.
Die Hersteller helfen
Wie kann die Industrie jetzt ihren Beitrag leisten und Handel sowie Handwerk unterstützen? Zum einen natürlich mit innovativen Produkten und Systeme, die zur Erreichung der Ziele des Green Deal beitragen. Zum anderen ist es essenziell, die nötigen Informationen und Zertifikate bereitzustellen, die von Bauherrn und Auftraggebern nachgefragt werden. Hier insbesondere die Nachweise zum Emissionsverhalten wie z. B. EMICODE Lizenzen, aber auch die Angaben zu den Umweltauswirkungen, die in den Umweltproduktdeklarationen (Environmental-Product-Declaration = EPD) enthalten sind. Gerade Planer und Architekten fordern diese Unterlagen zur Erstellung der Gebäude-Ökobilanz regelmäßig an. Denn EPS’s und EMICODE Lizenzen sind Nachweise von unabhängigen Dritten, die neutral und objektiv erstellt wurden und somit ein Green-Washing vermeiden. Aber auch das Aufzeigen von Produkten und Systemen unter den Stichworten „Wohngesund“, „CO2-reduziert“, etc. gehört dazu. Damit können Handwerk und Handel entsprechend Endkunden beraten. Somit kommen wir alle ein Stück weiter und machen aus dieser Herausforderung eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Der Autor Maik Evers ist Leiter Technischer Service Fußbodentechnik und Parkettbei der Mapei GmbH.
Quellen:
(1) https://ec.europa.eu/commission/pre sscorner/api/files/attachment/866547/RenovationWave_GreenDeal_FS_DE.pdf.pdf
(2) https://www.klebstoffe.com