Patzkes größter Auftrag Letzter Teil Mit der ältesten Karre zur Abnahme

Die Abnahme steht bevor. Eigentlich haben sich die Handwerker nichts vorzuwerfen. Aber Hohl sucht schon so lange, bis er etwas findet, was er auf seine Liste setzen kann. Und für Patzke kommt es tatsächlich anders, ganz anders, als er denkt.Mit der ältesten Karre zur Abnahme Heute ist der große Tag gekommen. Alle Beläge sind verlegt, alle Fußleisten angebracht. Hohl hatte frühzeitig mit Patzke einen Termin für die Abnahme vereinbart. Patzke und Hohl können ja nicht so richtig miteinander umgehen, deshalb sind beide ein bisschen aufgeregt. Solche Alphamännchen untereinander können schon mal zubeißen, das kennen wir auch an anderer Stelle. Aber Bleibtreu ist ja dabei, der wird die Wogen schon glätten, wenn es zu sehr rundgeht mit den beiden. Als Patzke auf die Baustelle kam, waren schon alle Chefs der beteiligten Firmen da. Zur Abnahme kamen sie mit ihren ältesten Karren Das war ein Auflauf, Patzke fand kaum einen Parkplatz. So viele rostige Golfs und verbrauchte Passat-Kombis hatte er lange nicht mehr gesehen. Das ganze Gelände erinnerte ihn mehr an einen Schrottplatz als an einen Parkplatz. Aber das war ja eigentlich allen klar, zur Abnahme kommt man mit der ältesten Karre, irgendwie will man ja arm und bedürftig ausschauen. Aber Hohl wird auf keinen Fall irgendwelche vergessenen Stundenzettel zusätzlich unterschreiben, der weiß ja schließlich auch, dass die schöne S-Klasse oder der schnelle Porsche zu Hause in der warmen Garage stehen. Hohl kam wie immer in seinem schwarzen Saab, hatte seinen schwarzen Rollkragenpullover unter seinem schwarzen Jackett an. Seine Augen funkelten durch eine schwarze Hornbrille, das Einzige, was sich farblich ein wenig absetzte, waren seine grauen Haare. Aber die will er sich auch bald schwarz färben lassen, das hatte er seiner Frau schon vor langer Zeit versprochen. So ging man also in großen Gruppen durch das Gebäude, Hohl tat sehr wichtig und schrieb ein langes Mängelprotokoll. Was der nicht alles entdeckt hatte, schiefe Steckdosen hinter Gardinen, kleinste Fehlstellen im Wandanstrich in Fußleistenhöhe, Deckenplatten mit unsichtbaren Fingerabdrücken, transparente Silikonspuren an den Fensterbänken. Aber bei den Bodenlegerarbeiten konnte er suchen, wie er wollte, da war nichts, aber auch gar nichts zu finden, was wie ein Mangel aussah. In seiner Not fing Hohl an, an den Fußleisten rumzuzerren. Tatsächlich konnte er sie mit einigem Kraftaufwand ein wenig von der Wand lösen. Triumphierend blickte er in die erwartungsfrohe Runde. Hohls Protokoll wurde immer länger und länger „Die Fußleisten sind ja gar nicht fest, die fallen beim nächsten Sturm alle von der Wand“, rief er. Bleibtreu verdrehte ein wenig die Augen und machte Patzke ein Zeichen, dass alles in Ordnung sei. So vergingen einige Stunden, bis alle Räume, Flure, Kammern und Gänge besichtigt waren. Hohls Protokoll wurde immer länger, er hatte schon seinen Reservekugelschreiber (schwarze Tinte) rausholen müssen. Aber im Prinzip waren alle Arbeiten in Ordnung, die Handwerker hatten gute Arbeit geleistet. Bleibtreu kannte Hohls unsinniges Gebaren von zahlreichen Baustellen zuvor, der machte das immer so. Bleibtreu war alles in allem ziemlich stolz, als er das Ganze gesehen hat. Was man doch aus so einem alten heruntergekommenen Gebäude mit Fleiß und guten Handwerkern machen kann, waren seine Gedanken. Wie bei jeder Baustelle, die er in den letzten Jahren abgeschlossen hatte, lud er alle Handwerker, Chefs und Architekten zu einem großen Fest ein, in 14 Tagen stattfinden sollte. Patzke war überrascht, so was hatte er noch nicht erlebt. Gerne würde er mit seinen Jungs kommen, er wollte sogar ein Taxi spendieren, war seine feste Absicht. Bleibtreu rief Patzke noch einmal zu sich und ging mit ihm in einen leeren Raum. „Herr Patzke, die Arbeiten haben ja gut geklappt, anfangs war ich ja etwas skeptisch, aber das hat sich schnell gelegt“, sagte Bleibtreu. „Ich habe letzte Woche ein anderes Gebäude gekauft, wollen Sie zu den gleichen Konditionen für mich arbeiten?“, fragte Bleibtreu. „Die Sache hat nur einen Haken“, Bleibtreu guckte jetzt etwas verschmitzt, als er Patzkes Gesicht sah: „Das Gebäude hat 30.000 m² und 900 Büros.“ Patzke lief rot an, er brachte kein Wort raus, er konnte nur ein gequältes „Selbstverständlich“ murmeln und machte sich sofort auf den Weg nach Hause, aber nicht, ohne vorher beim Mercedes-Händler vorbeizuschauen. Unterwegs fielen ihm die vielen Leute und Sachen ein, die er in der Zeit kennen gelernt hatte. Welche das waren, erfahren Sie im Kasten. - Ende - In eigener Sache: Vielleicht hat es euch ein wenig Spaß gemacht, mit Patzke ein Jahr zu erleben. Ich habe gerne aus dem Leben geschrieben, wir haben einen abwechslungsreichen und anspruchsvollen Beruf, bei dem man viel erleben kann. Herzlichst Manfred Krapp

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