Streiflicht Zwischen optischen und technischen Fehlern unterscheiden Im richtigen Licht betrachten

Mit dem Hinweis auf unübliche Streiflichtbetrachtungen wird so manche berechtigte Beanstandung abgeschmettert. Den hohen ästhetischen Anforderungen an einen Parkettfußboden wird man damit aber nicht immer gerecht, weiß der Sachverständige Joachim Barth.Das scheckige Bild einer noch nicht vollständig abgeschlossenen Ölbehandlungsmaßnahme kommt im Streiflicht voll zur Geltung.Im richtigen Licht betrachten Die Literatur birgt so manche Tücken, so auch dieser Auszug: „Bei der Beurteilung der Qualität optischer Beeinträchtigungen ist das Erscheinungsbild bei üblicher Raumnutzung maßgeblich. Die optische Einschätzung sollte daher in aufrechtstehender Haltung erfolgen, es sei denn, eine Sitzposition ist gebrauchsüblich. Des Weiteren dürfen keine von üblichen Gebrauchssituationen deutlich abweichenden Lichtverhältnisse vorherrschen. Unregelmäßigkeiten, die nur durch Abtasten der Bodenfläche bzw. im Streiflicht zu erkennen sind, stellen keinen Mangel dar, es sei denn, dass bei üblicher Nutzung eine Streiflichtbeleuchtung langfristig vorliegt.“ Das, was hier von den Autoren Oswald/Abel im Buch „Hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Gebäuden“ formuliert wird, wird leider allzu häufig und etwas vereinfacht als Entscheidungsparameter herangezogen, befand Bundesinnungsmeister Joachim Barth auf seinem Vortrag im Rahmen des „Forums Handwerk“ auf der Domotex. Oft werde eine unvollkommene handwerkliche Leistung und auch mangelnde Produktqualität hinter diesem als grundsätzlich vermitteltem Bewertungskriterium optischer Erscheinungsbilder versteckt. Allzu kritischen Kunden Einhalt gebieten Die analog herangezogene Sichtweise, die Beurteilung einer Fußbodenfläche dürfe nicht mit Blickrichtung des einfallenden Lichtes vorgenommen werden, steht im Widerspruch zu den allgemein anerkannten Regeln der Baukunst und Technik, insbesondere zu den Vorgaben der DIN 18356 (Parkettarbeiten) und der DIN 18202, sagt Barth, Mitverfasser des neuen Kommentars zur DIN 18356 Parkettarbeiten. Mit dieser Behauptung will Barth jedoch keineswegs typische Beurteilungsgrundsätze eines Parkettbodens in Frage stellen. Ein Parkettboden ist kein Möbelstück. Täglich malträtiert man ihn mit seinen Schuhen und hereingetragenem Schmutz. Er wird als Fußboden genutzt und ist in seinem Erscheinungsbild auch so einzuordnen, zitiert der Parkettexperte zu Recht die gängige Meinung, die die häufig von Kunden gestellten optischen Anforderungen relativieren und auf eine sachliche Basis stellen soll. Das bedeute jedoch auch, der Gepflogenheit allzu kritischer Kunden Einhalt zu gebieten, in tief gebückter Haltung vermeintliche Fehlstellen oder Glanzgradunterschiede unter bisweilen extremer Ausnutzung lichtbrechender Effekte, manchmal gar unter Mithilfe von Scheinwerfern, zu fokussieren und als Mangel zu anzusprechen. Fingerspitzengefühl gefragt Die Wahrheit liegt meist in der Mitte, denn die Frage, ob Streiflicht bei der Beurteilung eines Parkettbodens zulässig ist oder nicht, muss differenziert betrachtet werden, sagt Barth. Außerdem könne niemand das Streiflicht ausblenden. Einem Kunden zu erklären, er möge doch rückwärts ins Zimmer treten, wenn im Schein seiner tiefliegenden Fensterfront offensichtlich werdende Unregelmäßigkeiten in seinem Parkettboden ihn stören würden, ist sicherlich genauso wenig zielführend wie ihn aus gleichem Grund ans Fenster zu bitten und mit Blickrichtung in den Raum zu fragen, wovon er denn überhaupt rede. Wie beim Umgang mit allen Maßtoleranzanforderungen ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, denn der Kunde bestellt ja nicht irgendeine Norm, sondern möchte einen Parkettboden, der seinem Ausstattungswunsch entspricht. Und diesem Wunsch ist in allererster Linie Folge zu leisten, fordert Barth. Ein Parkettboden gilt heute mehr denn je als Ausdruck von Hochwertigkeit, individuellen Geschmacks und vor allem ästhetischen Anspruchs. Genau diesem Anspruch muss der Handwerker mit seiner Leistung gerecht werden, nicht nur weil der Kunde es fordert, sondern weil ein derartiger Auftrag ihm die notwendige Wertschöpfung bringt, ohne die er im heutigen Konkurrenzkampf als Meister seines Fachs nicht existieren kann. Dabei ist es absolut unangebracht, technische Fehler, mögen sie auch aus bestimmtem Blickwinkel als geringfügig erscheinen, zurückzuweisen, nur weil man sie ausschließlich im Gegen- bzw. Streiflicht erkennen kann. Wenn bei geölten Böden die Spuren des Randschleifers gegenüber dem Flächenschliff sichtbar bleiben, weil man bei diesem Arbeitsgang die verschiedenen Schleifrichtungen der Geräte außer Acht gelassen hat, ist das unabhängig von der Betrachtungsposition zu monieren. Hersteller mit ins Boot holen Gleiches gilt für unschöne Oberflächenbilder wie Quermuster in einem Schiffsboden, die beim scharfen Padden in falscher Arbeitsrichtung entstehen können und bei bestimmten Betrachtungspositionen unsichtbar, bei anderen aber schlichtweg unansehnlich sind. Für deutlich sichtbare Mittellagenabzeichnungen von Mehrschichtparkett sollte man auch den Hersteller mit ins Boot holen. Schließlich sind Konstruktionsunterschiede zwischen verschiedenen Produkten mit Auswirkung auf dieses Erscheinungsbild bisweilen erheblich. Wenn Stippnähte an den Kopf- oder Längsstößen im Zweischichtparkettboden auftauchen, kann man sich nicht auf optische Betrachtungsweisen beziehen, sondern muss der Ursache auf den Grund gehen. Dies auch im eigenen Interesse, denn dahinter können sich folgenreiche Ursachen verstecken. Man denke an dachrinnenähnliche Lunker im Oberflächenbild, die durch unfachgerechtes Absenken der Schleifwalze beim Richtungswechsel entstanden sind. Gerade letzterer Fall zeigt unmissverständlich, dass die DIN 18202 lediglich für Abweichungen von der Ebenheit des Untergrundes heranzuziehen ist und keineswegs für die Begutachtung von Fehlern im Schleifbild, Verformungen oder den beschriebenen Stippnähten zwischen Parkettelementen gilt. Darauf ist ausdrücklich hinzuweisen, weil es in der DIN 18202, Toleranzen im Hochbau, heißt: „Bei Streiflicht sichtbar werdende Unebenheiten in den Oberflächen von Bauteilen sind zulässig, wenn diese die Grenzwerte nach DIN 18202 nicht überschreiten.“ Betrachtet man den dort in der Tabelle 3 Zeile 3 und 4 aufgeführten Grenzwert für Messpunktabstände von 0,1 m, muss jedem Fachmann einleuchten, dass sie bei geschliffenen Oberflächen keine praxiskonformen Anforderungen darstellen und jeglicher Schleiffehler damit abgedeckt würde. Genauso dürfen Verformungen einzelner Parkettelemente mit einem Verweis auf Streiflichtbetrachtungen abgetan werden. Klare Ansage im Kommentar Bei Querkrümmungen von 0,2 bis 0,3 Prozent der Breite eines Parkettelementes die Ebenheitsnorm zu strapazieren, sei absoluter Blödsinn, sagt Barth. Hier geht es um technische Gegebenheiten wie Formstabilitäten, Feuchteeinflüsse oder gar ungeeignete Unterschnitte von Oberwangen, aber in keinem Falle um Ebenheitstoleranzen. Dies ist auch im neuen Kommentar zur DIN 18356 unmissverständlich dargelegt: „Toleranzen dienen nach DIN 18202, 4.1 zur Begrenzung der Abweichung von den Nennmaßen der Größe, Gestalt und der Lage von Bauteilen und Bauwerken, denn deren Einhaltung ist erforderlich, um trotz unvermeidlicher Ungenauigkeiten beim Messen, bei der Fertigung und bei der Montage die vorgesehene Funktion zu erfüllen“, heißt es unter 4.2 weiter. Sie soll „das funktionsgerechte Zusammenfügen von Bauwerken und Bauteilen des Roh- und Ausbaus ohne Anpass- und Nacharbeiten ermöglichen.“ Walter Pitt walter.pitt@t-online.de

Streiflicht Zwischen optischen und technischen Fehlern unterscheiden Im richtigen Licht betrachten

Bleiben Sie informiert

Sie möchten schon gehen? Das ist schade.