bwd im Gespräch Magister Gerhard Fessl, geschäftsführender Gesellschafter Göttliche Logistik

Das oberösterreichische Familienunternehmen Sonnhaus feierte Anfang Oktober sein 75-jähriges Bestehen. Am Firmensitz in Wels weihte die Nummer zwei der österreichischen Großhändler die neue Lagerhalle ein und präsentierte den Gästen Helios, das neue Logistiksystem.Göttliche Logistik Die Veränderung bahnte sich vor knapp zwei Jahren an. Mit der innerbetrieblichen Logistik konnte Sonnhaus aus Platzmangel nicht mehr effizient arbeiten. Ein Projektteam unter der Leitung von Prokurist Mag. Christian Müller suchte nach einer Alternative. Die Lösung: eine Lagerhalle mit 700 Quadratmetern Fläche für zusätzliche 1.200 Palettenplätze und eine neue Technologie, Helios. Helios ist das „High End Logistics Informations & Organisations System“. Das Prozesssteuerungssystem trägt den Namen des griechischen Sonnengotts – passend zum Sonnhaus Slogan „Wohnen wie die Götter“. Projektleiter und Mitarbeiter definierten Ablaufprozesse und Organisationsstrukturen neu, brachten Datenverarbeitung und Arbeitsplatzausrüstung auf den neuesten Stand der Technik. Kosten für Bau und Technik: zirka 2,3 Millionen Euro. Jetzt hat Sonnhaus ein System, das es nach Firmenangaben in der Branche bis dato nicht gegeben hat und verspricht sich davon in puncto Liefersicherheit einen deutlichen Vorsprung. Ab sofort gibt es im Lager keine Zettelwirtschaft mehr. Alle Bestellungen werden direkt bei der Annahme im Computer an das Lager weitergeleitet. Dort erscheinen die Aufträge auf einem Display am Stapler. Dieser findet mittels RFID-Funketiketten (Radio Frequency Identification) die gewünschte Ware. Mag. Gerald Mayr, neuer zweiter Geschäftsführer und seit drei Monaten verantwortlich für Logistik und Verkauf, stellte die neue Anlage bei der Einweihungsfeier den Gästen vor. Lieferanten aus Deutschland und Vertreter der Rigromont Einkaufsgemeinschaften, bei der Sonnhaus Mitglied ist, lernten bei einem Rundgang durch die Firma die Vorteile des Systems kennen. Irrläufer oder langes Suchen sollen der Vergangenheit angehören. Der Prozess ist automatisiert und mehrfach gesichert. Für die Kunden besteht nun auch die Möglichkeit, jederzeit den Status ihrer Bestellung in Echtzeit im Computer zu verfolgen und abzufragen. Mag. Gerhard Fessl betonte, dass die Kernkompetenz eines Großhändlers neben der Zusammenstellung des Sortiments und der Einlagerung der Ware eben der rechtzeitige und sichere Transport der Waren zum Kunden sei. Diese Kernkompetenzen trachte man weiter auszubauen, um die Kunden noch besser bedienen zu können. Vor den offiziellen Feierlichkeiten zum 75. Geburtstag sprach ’boden wand decke‘-Österreich-Redakteur Thomas Mayrhofer mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Magister Gerhard Fessl am Firmensitz in Wels. bwdHerzliche Gratulation zum 75. Geburtstag. Gleichzeitig feiern Sie 25 Jahre am Standort Ginskystraße. In zwei Jahren haben Sie dann Ihr persönliches Jubiläum mit 30 Jahren Firmenzugehörigkeit. Wie fällt Ihr Rückblick aus? FesslIch konnte auf ein sehr gutes Fundament der beiden Gründergenerationen aufbauen. Wir bleiben weiterhin ein klassischer Großhändler für Waren der Raumausstattung, der sich auf die Belieferung von Handwerk und Fachhandel spezialisiert hat. Die Großfläche werden wir auch in Zukunft nicht beliefern.bwdWarum haben Sie in Zeiten wie diesen mit einer Investition von 2,3 Millionen ein klares Bekenntnis zum Standort Wels abgegeben? FesslFür uns ist der Standort Wels optimal. Die Verkehrsanbindung ist gut und bei allen unseren Erweiterungen wurden wir in der Vergangenheit und auch jetzt von der Stadt Wels bestens unterstützt. Durch unsere gute Vernetzung mit unserem zweiten Lager in Straubing ergeben sich gute Synergieeffekte. bwdDer Betrag für eine Hallenerweiterung und eine neue Lagertechnik scheint sehr hoch. Rechnet sich so etwas wirklich? FesslWir hatten zu wenig Manipulationsfläche zur Verfügung, um wirklich effizient Waren umzuschlagen. Wir wollten aber nicht nur die Fläche erweitern, sondern unser Warenwirtschaftssystem von Grund auf erneuern und damit zukunftsfähig machen. Dank unseres Projektteams ist dies mit einer Vorlaufzeit von fast zwei Jahren bestens gelungen. bwdWas bringt das neue System dem Kunden wirklich? FesslZum einen ersparen wir uns innerbetrieblich sehr viel Zeit, weil alles just in time registriert wird. Diese Kostenersparnis – wir haben täglich immerhin mehr als 1.000 Kommissionen mit 3.000 bis 4.000 Positionen – kommt unseren Kunden indirekt über die Preise wieder zugute. Zum anderen können Fehllieferungen weitgehend vermieden werden. Unsere Kunden können überdies jederzeit den Lieferstatus ihrer Bestellungen verfolgen. bwdWollen Sie dieses System auch für das Lager Wien einführen? FesslWir haben im Rahmen unseres Helios-Projektes diese Themenstellung genau durchleuchtet. Wie haben die Lagererweiterung in Wels zum Anlass genommen, hier auch Tapeten einzulagern. Der Standort in Wien wurde aufgelöst. Selbstverständlich ist unser Außendienst auch in Zukunft in vollem Umfang um unsere Kunden bemüht. Es gibt weiterhin eine Abholmöglichkeit und auch Freihauslieferungen sind nach wie vor möglich. bwdEs gibt bei den österreichischen Großhändlern die Bestrebung, eine gemeinsame Lieferlogistik zu schaffen. Wie stehen Sie dazu? FesslDiese Idee habe ich bereits vor 20 Jahren gehabt. Sie wurde allerdings wegen des Widerstands anderer Marktteilnehmer nicht realisiert. Das Thema wurde gelegentlich am Rande angesprochen, jedoch nicht konkretisiert. Ich bin für diese Idee aber prinzipiell weiter offen. bwdSind in Ihrem Haus Rationalisierungsmaßnahmen geplant, die sich auch personell auswirken? FesslWir müssen permanent rationalisieren und mit der Zeit gehen. So waren wir bereits 1998 die Ersten in der Branche, die den Außendienst flächendeckend mit Laptops ausgestattet haben. Genauso ist heute unsere neue Logistiktechnologie führend in der Branche. Wir planen aber nicht, Personal abzubauen, sondern wollen mit der bestehenden Mannschaft mehr Umsatz machen. bwdWie steht es heuer um die Zuwachsraten? FesslWir holen derzeit etwas Luft und haben für heuer noch kein Wachstum zu verzeichnen. Dies liegt einerseits an den gesättigten Märkten im Inland und der Bindung der Managementkapazitäten für unser Logistikprojekt. Wir wollen aber in Deutschland unseren Aktionsradius deutlich ausweiten und damit Umsatzsteigerungen generieren. Ich rechne in Deutschland auch mit einer Konsolidierung des Marktes, bei dem mittelfristig nur mehr ein wesentlich kleinerer Anteil bundesweit tätiger Großhändler übrig bleiben wird. Dort wollen wir uns ein größeres Stück vom Kuchen abschneiden. bwdWie sehen Sie den Wandel auf der Kundenseite. Sterben Ihnen die Kunden nicht weg? FesslTatsächlich sperren immer mehr kleinere Händler oder Handwerker für immer zu, weil sie keine Nachfolger haben. Die dynamischen unter unseren Kunden wachsen dadurch aber stärker als der Markt und schaffen so einen gewissen Ausgleich.bwdWas erwarten Sie von der Zukunft? FesslDie Märkte werden sicher nicht einfacher. Wir werden aber konsequent den Weg mit unseren motivierten Mitarbeitern, für die wir eine große soziale Verantwortung spüren, weitergehen. Durch die Konzentration auf unsere Kernkompetenzen, unsere Innovationsfähigkeit und unsere gute Finanzausstattung werden wir unsere Marktstellung in den nächsten Jahren noch weiter ausbauen können. bwdIch danke Ihnen für das Gespräch. ◇