Praxiswissen: Bodenlegen im Gesundheitswesen Fit für den Zukunftsmarkt

Der Bodenleger hat im Gesundheitswesen einen unvergleichlich größeren Aufgabenbereich als andere Fußbodengewerke. Er kann dabei an wichtigen Stellschrauben drehen, genauso übrigens wie der Planer, wenn er weiß, worauf es ankommt.

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    © Project Floors
    Das Gesundheitswesen ist für Bodenleger ein bedeutender Zukunftsmarkt.
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    © Krapp
    Dellen im Boden durch Flächenpressungen der Rollräder.

Fit für den Zukunftsmarkt

Wie müssen Böden im Gesundheitswesen aussehen? Was unterscheidet die Arbeit in diesem Segment von anderen Aufträgen? „Bodenlegen im Gesundheitswesen“ war das Thema, das Manfred Krapp in seinem Vortrag im Rahmen des Forums Handwerk auf der Domotex beschäftigte. Er konzentrierte seinen Beitrag auf kleine, aber sehr wesentliche Teilbereiche und stellte die Abhängigkeiten zwischen biomechanischen, physikalischen und fußbodentechnischen Abläufen anhand dreier ausgewählter Beispiele dar.

Der Bodenleger ist Platzhirsch nicht nur im Altenheim

Dabei ging es ihm um grundsätzliche Fragen der Rutschhemmung, um das spezielle Thema der Anforderungen an einen Bodenbelag für Demenzkranke und um zukünftige Entwicklungen bei Krankenbettenrollen, wachsende Belastungen und deren Folgen für sein Gewerk.

Hintergrund der Überlegungen über Bodenbeläge im Gesundheitswesen ist derzeit der demographische Wandel in der Bevölkerung, der viele Länder in Europa betrifft, erklärte Krapp. Die Menschen werden immer älter, die Pflegebedürftigkeit steigt, das Pflegepersonal ist demgegenüber zahlenmäßig deutlich unterbesetzt, überall entstehen Neubauten wie Altersheime oder Seniorenparks, die wiederum zunehmend zu Renditeobjekten werden. In diesem Zusammenhang ist es beachtenswert, dass die Gesundheitskosten eines Menschen im Alter exponentiell ansteigen und Anteile von zirka 80 Prozent erreichen, während unter 50-Jährige nur 20 Prozent der Aufwendungen für die Gesundheit ausgeben bzw. benötigen. Diese Entwicklungen berühren den Bodenleger sehr direkt. Denn er ist im Vergleich zu anderen Fußbodengewerken der Platzhirsch in Altenheimen, Krankenhäusern, Arztpraxen, Reha-Bereichen oder auch in Sanatorien. Grob geschätzt gehören bis zu 95 Prozent der Fußbodenarbeiten zu seinem Tätigkeitsfeld, weit vor Fliesen und Parkett mit nur verschwindend geringen Anteilen, wobei Krapp insbesondere die hohen hygienischen Anforderungen in den meisten Flächenbereichen in Krankenhäusern als Entscheidungsparameter für die Belagswahl ausmacht.

Der Faktor Rutschhemmung
ist entscheidend

Eine der ganz wesentlichen Eigenschaften eines Belages im Gesundheitswesen ist dessen Rutschhemmung. Um zu verstehen, was sie beeinflusst, konzentrierte Krapp das Augenmerk auf den Bewegungsablauf des Fußes beim Gehen: Hier kommt es genau auf den Kontaktbereich von Schuhsohle und Belag an. Der Fuß wird aufgesetzt, beschreibt der Fußbodenexperte, abgerollt, stabilisiert und abgestoßen. Die Sehnen und Muskeln sind in ständiger Arbeit, dadurch wird der gesamte Bewegungsapparat stabilisiert, insbesondere in der sehr kurzen Phase, in der der Fuß am Boden verharrt. Dabei erfolgt die ständige Rückmeldung des Bewegungsablaufes vom Fuß an das Gehirn. Eine entscheidende Rolle spielt der Vestibularapparat im Ohr, der für den Gleichgewichtssinn verantwortlich ist.

Der Bodenbelag hat in diesem Zusammenspiel seine eigene Aufgabe. Er hat in erster Linie für die Rutschhemmung zwischen Schuh und Unterboden zu sorgen. Der Boden gibt eine deutlich fühlbare Rückmeldung an den Fuß und sorgt für ein angenehmes Gehgefühl. Besonders wichtig laut Krapp:

Visuell gibt der Boden eindeutige Informationen über seinen technischen Zustand, was man auch daran merkt, dass sich das Gehverhalten eines Menschen automatisch verändert, wenn die Rückmeldung negativ ausfällt, also wenn irgendwelche Unregelmäßigkeiten wie Dellen oder kaputte Nähte auftreten.

Krapp erinnert an die zunehmende Konzentration und Anspannung der Muskeln als völlig normal ablaufende Reaktion beim Begehen eines feuchten Bodens im Schwimmbad.

Die generellen Zusammenhänge lassen sich auch physikalisch erklären. In dem Moment, in dem beim Begehen der Fuß aufsetzt, entsteht über die Rauhigkeit des Bodens eine starke Haftung bzw. Adhäsion, die durch molekulare Bindungskräfte hervorgerufen wird. Löst sich der Schuh beim darauffolgenden Schritt, wird die entstandene Polarität aufgehoben. Folge davon ist, dass feinste Partikelchen aufgrund der starken Anhaftung sowohl aus dem Belag als auch aus dem Schuh herausgerissen werden.

Laut Krapp sind die auf diese Weise entstehenden Partikelstäube mit ihren großen polaren Bindungskräften auch der Grund für besonders hartnäckige Verschmutzung auf Bodenbelägen. Diese lassen sich zumeist nur mit speziellen Pads oder anderen abrasiven Methoden reinigen.

Führt man diesem System Feuchtigkeit hinzu, ändern sich die Verhältnisse komplett. Damit wird das Kriterium der Rutschhemmung eines Bodenbelages zur entscheidenden Größe.

Die genannten Zusammenhänge sind der DIN 51130 - Prüfung von Bodenbelägen, Rutschhemmung - zugrunde gelegt. Um die Rutschklasse zu ermitteln, läuft im Labor ein Proband auf einer schiefen Ebene mit genormtem Schuhwerk, Öl dient dabei als Trennmittel - um sicherzugehen, dass es auch rutschig wird. Der Grad der Neigung, bei der die Versuchsperson ins Rutschen gerät, ist die Grundlage für die Einstufung in Rutschklassen wie zum Beispiel R 9, R 10 oder R 11. Diese laut Krapp überholte Messmethode aus den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts trifft allerdings keine Aussage über das Rutschverhalten im Gebrauch, auch weil sie die notwendige Pflege eines Belages nicht mit einbezieht. Heute sind durchaus bessere, letztlich aber nicht genormte Prüfmethoden verfügbar. So gilt für die Überprüfung des Bodenbelages vor Ort seit August 2008 die DIN 51131. Dort werden dimensionslose Gleitreibungsbeiwerte mit über den Boden fahrenden mobilen Gleitmessgeräten ermittelt. Diese erhalten dann durch die Berufsgenossenschaften bzw. die gesetzlichen Unfallversicherungen eine Zuordnung zu den Anforderungen in bestimmten Anwendungsbereichen (siehe Kasten Bewertung der Rutschsicherheit).

Folgen für den Bodenleger

Folgende Konsequenzen gelten für den bodenlegenden Handwerker:

Er muss die richtige Wahl des Bodenbelages für den getrennten Einsatzzweck treffen.

Er muss den Boden sorgfältig verlegen, denn visuelle Eindrücke beeinflussen das Begehverhalten.

Er soll keine Bodenbeläge mit deutlich unterschiedlicher Rutschhemmung direkt nebeneinander verlegen, weil das zu abrupten Abbremseffekten führen kann.

Die Reinigung und Pflege dürfen ausschließlich nach Herstellervorschrift erfolgen.

Die Grundreinigung muss in bestimmten Intervallen erfolgen, um alle störenden Partikel zu entfernen.

Diese grundlegenden Erkenntnisse über Anforderungen an Bodenbeläge im Gesundheitswesen gelten für den Spezialfall der Demenzkrankheit in ganz besonderer Weise. Krapp hat eine Reihe von Kriterien herausgearbeitet, die ein Planer, aber auch ein Bodenleger kennen sollte, wenn er Fußbodenarbeiten in diesem Bereich vornimmt.

Für das Begehen eines Bodenbelages ergeben sich einige Besonderheiten.

Üblicherweise besteht, wie vorher ausführlich beschrieben, ein ständiger Kontakt eines Beines zum Boden. Die Bewegung ist automatisiert und erfolgt ohne Nachdenken, der Fuß gibt Rückmeldung über die Unterbodenbeschaffenheit. Im Prinzip ist, erläutert Krapp, beim Gehen alles auf das Verhindern vom Fallen ausgerichtet.

Der Bewegungsablauf eines Demenzkranken ist jedoch ganz anders. Der sonst vorherrschende Bewegungsautomatismus ist unterbrochen und die Rückmeldung des Fußes über die Unterbodenbeschaffenheit funktioniert nicht mehr, denn die Information geht auf dem Weg zum Gehirn, wo sie eigentlich ankommen soll, verloren. Deshalb verändert sich das Gehverhalten komplett. Der Demenzkranke sucht möglichst langen Kontakt zum Fußboden. Sehr typisch ist daher sein schlurfender Gang. Kleinste tastbare Unebenheiten bemerkt er sofort über die Kontaktfläche Schuh zum Boden. Das verunsichert ihn. Er bleibt stehen und hat Angst. Es besteht eine ständige Furcht vor Stürzen mit lebensbedrohlichen Auswirkungen. Dennoch ist auch in dem Demenzkranken immer noch ein tiefer Wunsch nach Mobilität verankert.

Dunkle Einleger als Barrieren für Demenzkranke

Fasst man diese Beobachtungen zusammen, gibt es für den Demenzkranken hinsichtlich des Bodens eine Reihe von visuellen Wahrnehmungen, die ihn verunsichern oder gar gefährden können. Dazu gehören kleinste sichtbare Unebenheiten, sichtbare Schweißnähte, versetzt verlegte PVC-Fliesen, Flecken im Boden oder auch dunkle Einleger.

Letztere macht man sich zu Nutze, indem man mit dunklen Einlegearbeiten in Bodenbelägen künstliche Barrieren schafft, die vom Demenzkranken als Begrenzungen wahrgenommen und nicht überschritten werden. An die Arbeiten des Bodenleger sind deshalb besondere Anforderungen zu stellen (siehe Checkliste oben).

Manfred Krapp ist sich sicher: Beachtet man all diese Dinge ergibt sich nicht nur ein dankbares Betätigungsfeld für den Bodenleger, sondern auch die Möglichkeit, mit seinen eigenen Mitteln die Lebensqualität von demenzerkrankten Menschen ein wenig zu verbessern. Weiterhin konzentrierte er seine Ausführungen auf die Krankenhausbettenrollen und hier insbesondere auf die zunehmende Flächenpressung für Bodenbeläge.

Krankenhausbetten werden immer schwerer, auch weil die Geräte, mit denen sie ausgestattet sind, ihren Teil zum Gewicht beitragen. Außerdem werden die Bettenrollen immer größer und schmäler. Wenn dann die Patienten zunehmend übergewichtiger werden, führt die Summe dieser Faktoren zu immer größeren Flächenpressungen in den Auflagebereichen der Rollen und damit zu erhöhten Belastungen des Bodens.

Gerade die Flächenpressung ist die entscheidende Größe, auf die man sein Augenmerk richten sollte, sagt Krapp. Sie ist definiert als Normalkraft/Berührungsfläche (P= N: A), d.h. sie ist die Kraft, die senkrecht von oben auf den Boden wirkt. Krapp erläuterte die Zusammenhänge an einem mathematischen Modell:

Ein altes Bett auf drei Rollen (theoretische Annahme, weil in den dazugehörigen normativen Betrachtungen immer von drei Rollen die Rede ist) mit einem Eigengewicht von 50 kg, das mit einem 100 kg schweren Patienten belegt ist, wiegt demnach 150 kg. Daher hätte jedes Rad 50 Kilo bzw. 500 N zu tragen. Bei einer Rollenauflage von 280 mm2 bedeutet das eine Flächenpressung in Höhe von ca. 1,7 N/mm². Der Wert des alten Standardbettenmodells bereitet also keinerlei Probleme. Um den Zuhörern eine Vorstellung von der Größe der entstehenden Druckkräfte zu vermitteln, verglich Krapp sie mit dem Daumendruck eines Menschen. So führten die mittlere Daumenkraft von etwa 160 Newton und eine theoretische Daumenfläche von 500 Quadratmillimetern zu einem Druck von 0,32 Newton/ mm², einer im Vergleich zu einer Bettenrolle sehr geringen Größe.

Flächenpressungen deutlich über der Norm

Die neueren Krankenhausmodelle und Bettensysteme, zumeist mit großen Doppellenkrollen auf höhere Tragfähigkeit ausgerichtet, müssten jedoch erheblich mehr Kräfte aufnehmen. Flächenpressungen von 4,5 N/mm² wären keine Seltenheit. Krapp rechnet allerdings damit, dass künftig mit ganz anderen Belastungen als bisher zu rechnen sei. Diese Annahme machte er an folgenden Entwicklungen fest. Die Größe der Rollen würde immer weiter zunehmen zugunsten immer geringerer Auflageflächen, weil damit die Anfahrwiderstände bzw. die Reibungs- oder auch Schwenkwiderstände herabgesenkt werden können. Betten werden heute so konstruiert, dass das Pflegepersonal bei dessen Arbeit entlastet wird und nicht mehr so viel Kraft aufbringen muss, um sie fortzubewegen.

Krapp wies darauf hin, dass Flächenpressungen von 6.000 N (!) bei einer Auflage von nur 200 mm² in der Praxis vorkommen. Druck bis zu 10 N/mm² ist demnach der Regelfall, eine Zahl, die zum Beispiel weit über den in der Stuhlrollennorm festgelegten maximalen Flächenpressungen von 5/mm² für harte Beläge herausgehen würde, die allerdings nicht für diesen Anwendungsfall herangezogen werden kann.

Eine Verfünffachung der bisherigen Flächenpressung auf den Bodenbelag und den Unterboden würde mit diesen Werten einhergehen. Das weiß nur keiner, monierte Krapp dieses Manko, das weder die Konstrukteure von Krankenhausbetten noch die Einkäufer in den Krankenhäusern oder gar die Planer berücksichtigen würden.

Die Folge derartiger Flächendrücke sind laut Krapp Fahrspuren im Belag, ein hoher Verschleiß vor allem an den Drehpunkten der Rollen, möglicherweise eine Zerstörung der Spachtelschichten und damit des Untergrundes. Aus kleinen Fehlstellen würden nach und nach immer größere Schäden entstehen.

Bessere Kenntnis der Materialien notwendig

Der Planer von Bodenbelagsarbeiten sei in erster Linie gefordert. Er müsse zukünftig mit größeren Lasten rechnen, forderte Krapp. Er benötige bessere Kenntnisse aller eingesetzten Produkte wie auch der Verlegematerialien und müsse in speziellen Fällen auch einmal Alternativen ausschreiben.

Dem Bodenleger muss laut Krapp dabei immer wieder vor Augen geführt werden, dass die Anforderungen an den Untergrund in diesen Anwendungsbereichen ausnehmend hoch sind.

Der Sachverständige fordert unter anderem dicke Spachtelschichten, die ein großes Maß an Sicherheit bringen würden. Rückseitige Reliefausbildungen der eingesetzten PVC-Beläge sorgen darüber hinaus im Einzelfalle für eine bessere Haftung und Verkrallung mit dem Klebstoff. Zweikomponentige Produkte, nicht nur bei der Verklebung, sondern auch bei Spachtelmassen, helfen Krapp zufolge, zu erwartenden Problemen möglichst wirksam zu begegnen.

Eine dauerhafte Flächenpressung von Fußbodenkonstruktionen ohne irgendwelche Sondermerkmale von über 5 N/mm² würde in Zukunft viele Schäden erwarten lassen, befürchtet Krapp. Auch wenn man das, wie er anmerkte, als Bodenleger erst mal eher gelassen sehen kann.Walter Pitt

walter.pitt@t-online.de