Statement Horst Müller, Sachverständiger - Die Grenzen des olympischen Gedankens"> Statement Horst Müller, Sachverständiger Die Grenzen des olympischen Gedankens

» Bei Estrich-beschleunigern verbleibt ein Risiko ähnlich dem russischen Roulette. « Horst Müller, Sachverständiger aus Düsseldorf.Die Grenzen des olympischen Gedankens Die Bauphysik zu überlisten, ist seit jeher der Traum der Anwendungstechniker in der Verlegewerkstoffindustrie. Der olympische Gedanke „schneller - höher - weiter“ lässt sich nicht so ganz bei der Bauchemie anwenden. Es sind zwar viele Systeme entwickelt worden zu einer schnelleren Belegreife von mineralischen Estrichen, dennoch muss man die Grenzen der einzelnen Systeme erkennen. Gab es früher den klassischen Zementestrich und den klassischen „Gips bzw. Anhydrit-Estrich“, so haben wir heute ein Bündel an Maßnahmen und Möglichkeiten zur schnelleren Belegung mit Bodenbelägen und Parkett. Schnellestriche: Erprobte Systeme Die heutigen Schnellestriche werden durch das Bindemittel, bestehend aus ◆ Zement, ◆ Tonerde-Schnellzement, ◆ Gips, klassifiziert. Diese Systeme verbrauchen weitgehend ihr eigenes Anmachwasser und sind in der Regel je nach klimatischen Baustellenbedingungen nach ca. drei Tagen zu belegen. Vor der Belegung der Flächen mit Bodenbelägen oder Parkett ist die Belegreife/Feuchtigkeit des Untergrundes nach der CM-Methode zu prüfen. Diese Prüfung auf Belegreife gehört zu den Prüfungspflichten des Boden- bzw. Parkettlegers. Die Systeme Schnellestriche sind erprobt und werden schadensfrei seit vielen Jahren eingebaut. 2-K-Epoxidharzgrundierung: Wann sie helfen, wann sie schaden Vielfach werden Zementestriche normal eingebaut und man hofft auf die Zeitschiene der Trocknung auf der Baustelle. Auf Grund der engen Termine und der dickeren Estriche (Verkehrs- und Punktlasten) sind die Estriche nach vier Wochen noch nicht belegreif. Bei Zementestrichen lässt sich die Zeitspanne zur Belegreife nach einer Faustformel bestimmen. Dicke des Estrich im Quadrat x Faktor 1,6 = Tage z.B.: 4 cm² x 1,6 = 16 x 1,6 = 25,6 Tage 6 cm² x 1,6 = 36 x 1,6 = 57,6 Tage 8 cm² x 1,6 = 64 x 1,6 = 102,4 Tage↓ Insbesondere bei gewerblichen Objekten naht der Eröffnungstermin und der Estrich ist noch nicht trocken bzw. belegreif. Bei einem solchen Fall hat sich seit Jahren eine zweilagig aufgebrachte 2-K-Epoxidharzgrundierung bewährt. Das Epoxidharz wird im Kreuzgang zweilagig mit einer Lamellenrolle aufgetragen, Verbrauch ca. 2 x 350g/m². Damit sich die Ausgleichs-/Spachtelmasse auf dem Untergrund verkrallen kann, wird unmittelbar nach dem Auftragen des zweiten Auftrags feuergetrockneter Quarzsand der Körnung 0,3 bis 0,8 mm im Überschuss eingestreut. Zwischenzeitlich gibt es Entwicklungen. anstatt der Quarzsandeinstreuung einen Spezialvoranstrich zu verwenden. Die Verwendung einer 2-K-Epoxidharzgrundierung darf nur auf einen Zement-estrich oder Betonuntergrund verwendet werden. Bitte das System Epoxidharz nicht einsetzen bei Calciumsulfatestrichen, da dort durch die im Estrich verbleibende Feuchtigkeit die Estrichrandzone „vergipst“ und diese an Festigkeit verliert. Des Weiteren werden auch Epoxidharze angeboten, welche mit Wasser verdünnt werden können. Diese Systeme sind kritisch zu beurteilen und weniger geeignet als Absperrmaßnahme für kapillar aufsteigende Feuchtigkeit. Anstelle von Epoxidharzsystemen sind mittlerweile auch 1-K-Polyurethan-Systeme gegen kapillar aufsteigende Feuchtigkeit im Angebot. Estrichbeschleuniger: Mit Vorsicht zu genießende „Zaubermittel“ Die Bauchemie bietet eine Fülle an Zusatzmitteln zur Beschleunigung von analog hergestellten mineralischen Estrichen an. Diese „Zusatzmittel“ bzw. „Zaubermittel“ sind mit Vorsicht zu genießen. Der Auftragnehmer steht beim Einbau von Estrichen immer öfters unter Termindruck hinsichtlich der Fertigstellung seines Gewerks Estrich. Um den Termindruck und die Fertigstellung des Gesamtwerks einschließlich Bodenbeläge nicht zu gefährden, bietet er diese Beschleuniger „Zaubermittelchen“ an. Diese Beschleuniger funktionieren nur bei ganz bestimmten Parametern und nur bei entsprechenden Klimabedingungen auf der Baustelle. Die Hersteller von diesen Produkten schreiben dem Boden- und Parkettleger vor, bestimmte Prozente (1,0 % bis 1,5 %) von den ermittelten CM-Werten abzuziehen. Diese Methode ist äußerst fragwürdig. Im Schadensfall lassen sich diese Mittel nicht nachweisen, zur Feststellung, ob diese Beschleuniger überhaupt eingesetzt wurden. Es verbleibt somit bei diesen Beschleunigern ein Risiko ähnlich dem russischen Roulette. Hier besteht meiner Ansicht nach das größte Entwicklungspotenzial, um diese Systeme funktionsgerecht und sicherer zu machen. Bei der heutigen generellen schnellen Beton-Bauweise bleibt einfach zu wenig Zeit zur Austrocknung. Die alten Baumeister hatten Respekt vor der Feuchtigkeit im Bau, nicht umsonst blieb ein Rohbau im Winter offenstehen, damit dieser austrocknen konnte. Dipl.-Ing. Horst Müller ist von der IHK Düsseldorf öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Estrich, Parkett sowie textile und elastische Bodenbeläge. Mehr auf www.mueller-pa.de.

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