Ettringit: Vorkommen, Entstehung, Relevanz für den Fußbodenbau Der Helfer im Verborgenen

Ettringit wird gelegentlich in Verbindung mit Estrichen oder Beton genannt. Kaum ein Estrichleger dürfte allerdings wissen, welch ein nützlicher Stoff sich tatsächlich dahinter verbirgt und wie er uns in der täglichen Praxis helfen kann.

Einsatz eines ternären Schnellzement­estrichs für zuverlässig frühe Belegreife. - © Uzin

Chemisch gesehen ist Ettringit ein wasserhaltiges Calcium-Aluminium-Sulfat, das auch natürlich als Mineral auftritt. Benannt wurde es nach dem Ort Ettringen in der Eifel, wo sich eine der Fundstätten für dieses Mineral befindet. Formelmäßig kann Ettringit wie folgt charakterisiert werden: Ca6Al2(OH)12 (SO4)3 · 26H2O.

Ein Molekül Ettringit enthält demnach 26 Moleküle Wasser, die als Kristallwasser gebunden sind. Aus dieser Formel ergibt sich ein theoretischer Wasseranteil von rund 37 Gewichtsprozent, zum Vergleich: Der Wasseranteil in Gips beträgt nur rund 21 Gewichtsprozent. Über seine Dichte von 1,75 g/ml hochgerechnet bedeutet dies, dass 1 l Ettringit etwa 650 ml Wasser kristallin gebunden enthält! Aus diesem vergleichsweise sehr hohen Wassergehalt lassen sich auch die technologisch für die Fußbodentechnik wichtigsten Eigenschaften ableiten.

Ettringit entsteht bei der Hydratation von Zement, wenn die dafür notwendigen Reaktionspartner Calciumoxid, Aluminiumoxid und Sulfat in ausreichender Menge und im richtigen Mischungsverhältnis vorhanden sind. Ettringit ist in einem pH-Wert-Bereich von ca. 10,7 bis 13,5 und einer Temperatur bis ca. 70 °C stabil.

Anwendungstechnisch
relevante Eigenschaften

Dem Fußbodenbau nutzt Ettringit vor allem durch die folgenden drei Eigenschaften.

1. Die Bildung von Ettringit verlangsamt beim Anmachen von Zement-Mörteln (sofern nicht explizit erwähnt, ist im vorliegenden Text mit dem Begriff „Zement“ immer Portlandzement gemeint) die Hydratation und macht diese dadurch erst handhabbar.

2. In Schnellzementen kann durch gezielte Ettringit-Bildung die Trocknung erheblich beschleunigt werden.

3. Als Mörtelbestandteil mit hohem Wassergehalt kann Ettringit das Brandverhalten durch Wasserabspaltung und „innere Kühlung“ positiv beeinflussen. Darüber hinaus kann bei der sogenannten sekundären Ettringit-Bildung Beton in sulfathaltiger Umgebung Treiberscheinungen zeigen. Diskutiert wird, dass diese negative Erscheinung nur bei vorgeschädigten Betonen auftritt. Dieser Effekt wird hier nicht näher beschrieben.

Durch Ton als Ausgangsstoff für die Herstellung von Portlandzement enthält der Zementklinker immer auch Aluminium, das nach dem Brennen als Mischoxid mit Calcium vorliegt (mineralogisch C3A). Für sich genommen würde C3A so schnell mit dem Anmachwasser reagieren, dass ein solcher Zement nicht mehr verarbeitbar wäre. Hier wird die Bildung von Ettringit genutzt, um die Zeit bis zur Erstarrung der Mischung gezielt zu verlängern.

Erstarrungsverzögerung in zementären ­Mischungen

Dazu wird dem Zementklinker bereits im Zementwerk Gips (Calciumsulfat-Dihydrat) als Sulfatspender beim Mahlen zugesetzt. Dieser reagiert mit den anhydratisierten C3A-Teilchen zu Ettringit und schirmt dadurch deren Oberfläche gegen weiteren Wasserzutritt ab. Die Folge ist eine verzögerte Erstarrung. Circa 4 bis 5 Stunden nach dem Anmachen ist der Sulfatgehalt in der Mischung soweit abgesunken, dass der  zwischenzeitlich gebildete Ettringit wieder unter Calciumsulfat-Abspaltung zerfällt. Der äußere Ring aus Ettringit um die C3A-Teilchen bricht dadurch auf, die Hydratation schreitet fort und die Mischung erstarrt.Bei dieser sogenannten primären Ettringit-Bildung im Zement tritt der Ettringit also nur als Zwischenstufe auf, die dem Verleger allerdings erst die Verarbeitung von Zement ermöglicht.

Trocknungsbeschleuniger für zementäre Mörtel

Zur Beschleunigung von Zementmörteln aus Portlandzement sind mehrere Substanzklassen bekannt. Sie führen in der Regel zu einem rascheren Festigkeitsaufbau im Mörtel. Da der Wasserbindmechanismus in den meisten Fällen davon kaum beeinflusst wird, bleibt die Menge an chemisch gebundenem Wasser praktisch unverändert. Mörtel mit solchen Bindemittelmischungen werden somit schnell fest, ohne außergewöhnlich schnell trocknend zu sein. Einige dieser Bindemittel werden häufig auch für Schnellzementestriche eingesetzt, die nachfolgend mit keramischen Fliesen belegt werden sollen. Dies ist praktikabel, weil für eine zuverlässige Belegreife bei der Fliesenverlegung eher eine ausreichende Festigkeit, verbunden mit Spannungsabbau, maßgebend ist.

Ist, wie bei textilen und elastischen Belägen bzw. Parkett, eine schnelle Trocknung für das Erreichen der Belegreife maßgeblich, ist wieder die Ettringitbildung gefragt. In speziellen Dreistoffgemischen aus Portlandzement, Aluminat-Zement und Calciumsulfat wird gezielt die Ettringitbildung so gesteuert, dass große Mengen von Wasser kristallin gebunden werden. Solche Bindemittel werden auch als ternäre Bindemittel bezeichnet. Sie sind in der Lage, das Anmachwasser weitgehend unabhängig von den Umgebungsbedingungen zu binden und führen zu verlässlich früh belegbaren Estrichen.

Das Grundprinzip dieser Bindemittel – das Dreistoffgemisch zur gezielten Ettringit-Bildung – wird auch bei der Formulierung von schnell erhärtenden und schnell trocknenden Fliesenklebern sowie auch in Spachtelmassen ­genutzt.

Mörtelbestandteil für ein günstiges Brandverhalten

Von gipsgebundenen Bauteilen ist bekannt, dass diese aufgrund des Kristallwassergehalts im Gips von ca. 21 % ein günstiges Brandverhalten aufweisen. Bei der Ermittlung des Feuerwiderstands von solchen Gipsbauteilen zeigt sich im Temperatur-/Zeit-Diagramm ein typisches Halteplateau bei ca. 150 °C, das aus der Wasserabspaltung ­resultiert.

Im Vergleich zu Gips ist der Wassergehalt im Ettringit mit ca. 37 % fast doppelt so hoch. Ettringithaltige Mörtelsysteme sollten sich demnach ebenfalls durch ein günstiges Brandverhalten auszeichen. Im Brandversuch zur Ermittlung der Feuerwiderstandsdauer des Turbolight-Systems bestätigt der ettringithaltige Dünnestrich diese Annahme. Ähnlich wie bei den gipsbasierten Baustoffen tritt eine ausgeprägte Haltephase auf, die auf die Kühlwirkung des ausgetriebenen Wassers zurückzuführen ist.

Da Ettringit bereits bei 70–90 °C sein Kristallwasser abspaltet, das dann bei ca. 100 °C verdampft, erscheint diese Plateau bereits bei der Temperatur von 100 °C. Diese Wasserdampfbildung ist so ausgeprägt, dass sie sich als permanente Dampfwolke um den Brandofen im Testverlauf zeigt. Mit solcherart ausgestatteten Bodensystemen lassen sich Feuerwiderstandsdauer von F 60 oder gar F 90 erreichen.