Die Beni-Lysser-Kolumne Das darf doch nicht wahr sein

Geschichten aus über 25 Jahren Sachverständigenerfahrung und 3.000 GutachtenEs gibt Zeiten, da fällt einem fast die Decke auf den Kopf. Übermäßig viel Büroarbeit, zu viele Termine auf Baustellen, Gezänke im eigenen Personal und vielleicht noch Unzufriedenheit zu Hause. Jedermann/-frau kann das treffen. Sieht der oder die Betroffene Licht am Horizont, und wenn’s auch erst nach einigen Wochen oder Monaten ist, überstehen sie das in der Regel ohne Folgen, außer dass morgens früh mit Arbeiten begonnen, abends erst spät damit aufgehört und dazu noch das Wochenende genutzt wird. Schlapp, müde, gereizt, ungeduldig sowie nervöse Zustände helfen aus solchen Situationen auch nicht besonders zu gutem Einvernehmen mit den Vis-à-vis. Und derartige Phasen trafen auch mich mehrmals während meiner Berufstätigkeit. Es geschah im Frühjahr und dauerte bis in den Sommer. Fünfzehn Stunden Job waren an der Tagesordnung. Und weil das von Montag bis Freitag nicht ausreichte, diente das Wochenende ebenso der Arbeit. Zum Essen verblieb kaum Zeit, und wenn, dann nur husch, husch und nicht viel. Etwas zu trinken, das musste ausreichen. Eines Nachmittags bat mich meine Frau, am Abend doch mitzukommen zu einem Nachtessen auswärts. Ich wusste genau, heute ist Hochzeitstag. Den habe ich über vierzig Jahre lang nie vergessen. Nur Zeit wollte ich mir an diesem längsten Tag des Jahres (21. Juni) absolut keine nehmen. Gegen Abend erneut die Bitte, doch für einmal die Büetz zu unterbrechen. Zum 25-jährigen Jubiläum möchte sie mich einladen. Ja was ich denn anziehen müsste, wollte ich wissen. Komm in Jeans, einem sportlichen Hemd und einer dicken Jacke, war ihre Antwort. Warum denn eine dicke Jacke? Es ist doch Sommerbeginn! Nun, Zeit hatte ich nicht zum Studieren und fügte mich den erhaltenen Anweisungen. Aus dem Haus wollte sie nicht in Richtung Garage, sondern zum Schulhaus. Was soll denn das nun? In Gedanken weit weg von einem gemütlichen Abend mit feinem Essen trottete ich ihr nach. Und was sah ich? Etwa zehn große Motorräder, bereit zur Abfahrt. Ich bekam einen Helm und musste aufsitzen. Der Tross fuhr zu einer Blockhütte und dort gab’s einen feinen Znacht, begleitet von einer Live-Band. Als der Leader erfuhr, dass wir unser 25-Jähriges haben, schüttelte er immer wieder den Kopf und sang ungläubig dazu: „twenty-five years, twenty-five years“. Endlich wieder zu Hause, konnte ich noch eine Weile weiterarbeiten, bevor ich ganz müde im Bett versank. Der Abend war im Nachhinein betrachtet trotzdem schön! Vor allem hatte ich wieder einmal richtig und gut gegessen. Das Licht am Horizont kam näher und gegen Ende Sommer trat wieder etwas Normalität in meinen Tagesablauf. Als ich das selber ebenso verspürte, auch wieder regelmäßig mit meiner Familie aß, dachte ich zurück: das Gute an dieser Zeit war sicher, dass ich mit der sparsamen Kost einige Kilos abnahm. Das wollte ich überprüfen und staunte nicht schlecht. Kein Gramm verlor ich! Der Körper hortete, was er konnte und verbrauchte absolut keine ausreichend vorhandene Fettreserve. Verdammt, was soll denn diese Schufterei?Beni Lysser