Kampfpreise Eine Kurzgeschichte - Arbeit und Risiko eingekauft"> Kampfpreise Eine Kurzgeschichte Arbeit und Risiko eingekauft

Viele Bodenleger stöhnen unter dem harten Preiskampf am Markt. Manche treibt diese substanzverzehrende Situation sogar in die Insolvenz. Unsere Kurzgeschichte aus der Praxis zeigt, dass es oft an mangelnder Kalkulation liegt.Böses Erwachen: Sind nach der ersten Kalkulation (siehe Kasten) 30.160 Euro Gewinn geblieben, bleibt unter Einbezug aller Kostenfaktoren letztlich ein Minus von 1.340 Euro.Zwei Inhaber von renommierten Bodenverlegebetrieben treffen sich zum Mittagessen, um ihre Erfahrungen am Markt auszutauschen. Während der eine klagt, dass er zu wenige Aufträge bekommt, weil er unter bestimmten kalkulierten Mindestpreisen nicht arbeitet, berichtet sein Kollege von seiner Strategie, im Großobjekt hohe Umsätze mit geringeren Margen zu erzielen. Unterm Strich lohne sich das für ihn noch immer. Daraufhin gehen die beiden Bodenlegermeister der Sache mittels einer einfachen Nachkalkulation auf den Grund. Alles, was sie dazu brauchen, ist ein Stück Papier. Kostenerhebung„Ich habe für das Objekt, eine Wohnhausanlage mit circa 160 Wohnungen, einen gar nicht so schlechten Preis bekommen. Für das Zweischichtparkett in ‚Eiche Exlusiv‘ bekomme ich immerhin 44 Euro netto pro Quadratmeter, sodass der ganze Auftrag bei knapp 13.000 Quadratmetern einen schönen Umsatzbrocken von fast 600.000 Euro bringt. Da kann ich auch mit einer engen Spanne leben.“ So die Meinung des Objekteurs. „Wie viele Abzüge musstest du akzeptieren, damit du diesen schönen Auftrag bekommen hast, und wie steht es um die Material- und Verlegekosten?“, fragt sein Gegenüber. Da muss sich der angesprochene Firmenchef zum ersten Mal etwas verlegen am Kopf kratzen. „Du hast natürlich recht: Die Abzüge muss man auch bedenken. Aber fünf Prozent Nachlass und 4,5 Prozent für alle sonstigen Kosten wie Bauschaden, Strom, Wasser und Versicherung sind leider branchenüblich, da kann ich gar nichts machen. Das muss man einfach akzeptieren. Dafür habe ich das Material sehr günstig bekommen und auch meine Subverleger mussten für den Auftrag etwas bluten – ich muss schließlich auch etwas verdienen.“ So die noch verhalten optimistische Antwort. „Dann machen wir doch gemeinsam eine kleine Aufstellung, so sehen wir, was dir am Schluss tatsächlich von diesem Auftrag übrig geblieben ist“, schlägt sein Kollege vor. Gesagt, getan, innerhalb weniger Minuten ist das Ergebnis schon schwarz auf weiß zu lesen (siehe Kalkulationskasten rechts). „Siehst du, das ist doch gar nicht so schlecht, ich habe gut 30.000 Euro auf der Baustelle verdient“, so die optimistische Aussage des Auftragnehmers. „Es wären ja noch mehr geworden, aber ich habe leider nur mit 1,1 Kilogramm Klebstoff kalkuliert – es war dann doch ein halbes Kilogramm mehr. Bei einer solchen Baustellengröße geht das gleich gewaltig ins Geld. Ich habe dadurch fast sieben Tonnen Kleber mehr gebraucht – das waren gleich 20.000 Euro, die ich sonst mehr verdient hätte. Auch bei den Sockelleisten habe ich mich verkalkuliert, weil ich leider niemanden gefunden habe, der für 1,50 Euro pro Laufmeter arbeitet. Dadurch musste ich einen Euro mehr zahlen und haben somit über 10.000 Euro von meiner Spanne verloren.“ „Du meinst also, du hast noch immer 20.000 Euro mit dieser Großbaustelle verdient?“, fragt sein Kollege ebenso unschuldig, wie ungläubig. „Sag’ ich dir doch, glaubst du meinen Zahlen nicht?“ „Doch, doch, natürlich“, beschwichtigt der Kollege sein etwas aufgebrachtes Gegenüber. Böses Erwachen„Aber was ist eigentlich mit deinen sonstigen Kosten, wie hast du die abgedeckt?“ Die Frage formuliert der sorgfältig kalkulierende Betriebsinhaber lieber zurückhaltend. „Ja, das habe ich ganz vergessen. Leider wurde uns eine halbe Palette Parkett gestohlen, was mich zusätzlich noch 2.500 Euro gekostet hat. Noch ärgerlicher ist aber das Schallgutachten, welches ich beauftragen musste – das hat mich nochmals über 3.000 Euro gekostet“, antwortet der Gefragte zerknirscht. Der Fragesteller bleibt jetzt aber hartnäckig: „Das heißt, unter dem Strich sind dir noch ungefähr 15.000 Euro übrig geblieben. Wie lange musstest du eigentlich für diese Baustelle arbeiten?“ „Natürlich war die Abwicklung nicht einfach. Ich musste bei den Sublern immer hinterher sein, damit die Leistung halbwegs stimmte und ich keine Qualitätsabzüge bekam. Leider war die Baustelle auch nicht gerade um die Ecke, sodass ich pro Tag zu den ‚ein bis zwei Stunden nach dem Rechten sehen‘ noch eineinhalb Stunden Fahrzeit täglich in Kauf nehmen musste. Zum Glück haben wir alles in nur einem halben Jahr geschafft.“ Das Gegenüber am Mittagstisch macht jetzt große Augen: „Das heißt, du hast etwa 450 Stunden auf der Baustelle verbracht und dann auch noch die Abrechnung mit deiner Sekretärin gemacht? Das können wir ja dann nochmals mit 100 Stunden ansetzen – wenn wir deinen Stundenselbstkostenpreis günstig mit 30 Euro bewerten und den deiner Sekretärin mit 25 Euro, dann kommen wir für beide Kostenblöcke auf 16.000 Euro!“ Einige Sekunden herrscht tiefes Schweigen. „Das gibt es doch nicht. Dann hätte ich ja glatt 1.000 Euro auf die Baustelle getragen – das ist doch nicht möglich!“ Die gnadenlose Antwort seines Kollegen ist noch deprimierender: „Es sind nicht nur 1.000 Euro, die du sicher verloren hast – du hast außerdem keine Kostendeckung für deine Gemeinkosten, wie beispielsweise das Büro und deine Versicherungen. Dann wären da noch deine sonstigen Kosten, wie EDV oder Bankzinsen – von deinen Spritkosten für die Fahrten auf die Baustelle ganz zu schweigen. Da kommt noch einmal ganz schön was zusammen.“ Über die Zinsen für die Vorfinanzierung der Großbaustelle, die bei einer Abwicklungsdauer von einem halben Jahr, selbst bei einem geringen Zinssatz von vier Prozent, nochmals an die 10.000 Euro verschlungen hatten, wird gnädig geschwiegen – der mit den Verlusten konfrontierte Betriebschef ist ohnehin mächtig bedient. In seinem Essen sorgenvoll herumstochernd fängt er langsam an, über die Annahme des Auftrags und seine Gesamtsituation nachzudenken. Es brodelt in ihm. Das Fazit„Dann wäre es ja besser gewesen, ich hätte diesen Auftrag gar nicht angenommen! So hätte ich weniger Arbeit sowie weniger Sorgen gehabt und mir wäre auch noch der Verlust erspart geblieben. Hoffentlich bekomme ich wenigstens noch die ausstehenden Restzahlungen von 15.000 Euro, sonst kann ich bald zusperren“, ruft der verzweifelte, vermeintlich erfolgreiche Bodenleger. „Eine zweite solche Baustelle kann ich mir sicher nicht leisten!“ Die Rechnung für das Mittagessen bezahlt dann zum Trost der Fragesteller, der Appetit ist dem eingeladenen Firmeninhaber mit Fehlkalkulation aber mittlerweile sichtlich vergangen. Nach dieser beispielhaften und leider völlig realen Kurzgeschichte kann jeder Bodenhandwerker deutlich sehen: Wer unter dem Preis arbeitet, gefährdet seine Existenz.