Vorwerk Mozart-Ausstellung „Experiment Aufklärung“ in der Albertina, Wien Als Franz West dem Musikgenie den Himmel des Rokoko zu Füßen legte

270.000 Besucher aus aller Welt erwiesen ein Vierteljahrtausend nach dessen Geburt in Salzburg Wolfgang Amadeus Mozart die Ehre. Dass das Da Ponte Institut in Wien dabei Geisteshaltung und Epoche gleich mit präsentiert, liegt auch am Teppich.Als Franz West dem Musikgenie den Himmel des Rokoko zu Füßen legte Was wohl das aufgeweckte Wolferl dazu gesagt hätte? Doch halt! Prof. Herbert Lachmayer, als Vorstand des Da Ponte Instituts für Librettologie, Don-Juan-Forschung und Sammlungsgeschichte der Kurator der Ausstellung „Experiment Aufklärung“ in Wiens Albertina (17. März bis 20. September) sowie kongenialer Inszenator eines in jeder Hinsicht üppigen Stoffes, mahnt: „Mozart ist immer viele.“ Also beispielsweise der den Sieben-Meilen-Stiefeln des einst auf dem halben Kontinent gefeierten Wunderkinds entwachsene und zwischenzeitlich vergleichsweise erfolglose Künstler, der sich 1779 weit unter Anspruch und Würde als Salzburger Domorganist verdingt: Was hätte der wohl gesagt, wäre er auf dem Rocaille-Kunstwerk von Franz West zu seinem Instrument geschritten? Hätte die Komposition der Motive Quitte, mit Quasten besetzter Gürtel eines Morgenrocks und des Genies eigene Ohren auf eindringlichem Rosé den Musikus eher befremdet oder belustigt? Der Übergang, weiß Lachmayer, der mit Spitzzüngigkeit („Mozart würde heute als schizophren gelten“) und Esprit verführt wie der Lebemann einst mit Symphonie und Singspiel, mag da schon mal fließend sein: „Wir befinden uns im ausgehenden 18. Jahrhundert und in einer Epoche produktiver Dekadenz.“ Als das Genie kurze Zeit später, Halbwaise geworden, in Wien – wie passend – zurück in die Erfolgsspur findet, da dürfte ihm der höfische Hedonismus bedeutend näher gewesen sein. Denn zumindest als eine „Parallelwelt“, wie der Wissenschaftler formuliert, muss dem zum Kammerkompositeur avancierenden Liebling des Adels die Lebenssituation seines Publikums präsent gewesen sein. Hier lässt sich eine Parallele herausarbeiten: „Als ich mich nach Lachmayers Anfrage erstmals mit dem Designer des Teppichs traf, war das schon skurril“, sagt Vorwerk-Geschäftsführer Johannes Schulte. Verständnis entwickeln Warum? „Franz West ist in Österreich einer der renommiertesten Künstler der Gegenwart. Aber als er mit Professor Lachmayer, Ausstellungsmacher und auch Österreicher, sprach, da habe ich kein Wort verstanden“, berichtet der Manager von den Teppichwerken aus Hameln in Niedersachsen. Doch West hat sich, wie einst der Komponist in seiner Zaubermusik alle Standesschranken überwand, durch sein Werk über Barrieren der Sprache, vielleicht eines leisen Misstrauens einem als nicht ganz unkompliziert geltenden Künstler gegenüber hinweggesetzt – mit absoluter Professionalität: „Er hat dann alles genauestens wissen wollen, sich nach jedem Detail erkundigt“, scheint Schulte noch heute beeindruckt. Ein Beispiel: „Auf dem Weg von der Empfangshalle mit der Montgolfiere in diese Prunkräume des ersten Stockwerks wollte er eine Variation. Deshalb hat er darauf gedrungen, den Teppich dort genau im Winkel von 17,5 Grad zu verlegen.“ Doch dass der Kurator der für viele bedeutendsten Veranstaltung im Wiener Mozartjahr den im Sechs-Farb-Verfahren auf hochwertigem Dialog-Velours gedruckten Teppich neben der unter Glas schwebenden Montgolfiere und einem roten, dem des Jubilars nachempfundenen Gehrock Roberto Capuccis (1992) zu den „Emblematiken“ der Ausstellung rechnet, bedeutet: West gefällt sich nicht in der Rolle des rätselhaften Künstlers. Wie vor mehr als 200 Jahren ein Komponist hat er offenbar genau bedacht, wen und was er erreichen wollte – und vor allem: wie. Nur schade, dass die edle Präsentation erst zwei Wochen vor Ende der Ausstellung angesetzt ist, die tatsächlich bis zur Gestaltung des Fußbodens Lachmayers Leitmotiv „Reinventing Rokoko“ gefolgt ist; sicher: So konnten sich die gut 60 ausgesuchten Gäste – vor allem Architekten, Entscheider – davon überzeugen, dass sogar die täglich 1.500 Besucher einem Vorwerk-Teppich nur wenig anhaben konnten. Auf der anderen Seite hätte ganz gewiss auch der Blick auf den frisch verlegten Belag gelockt, gelohnt. Übrigens hat den handwerklichen Part ein Mann übernommen, den höhere Aufgaben nicht nur der Gelassenheit des Alters wegen schon lange nicht mehr schrecken: „1969 habe ich für die Weltausstellung in Montreal gearbeitet“, berichtet Erich Kuspis von seiner vielleicht spektakulärsten Erfahrung. Zwar hat er die Leitung seines Betriebs im 15. Wiener Bezirk 1998 dem Nachwuchs übertragen, der Auftrag aber fordert den Routinier. Der berichtet von einiger Unruhe während der zweiwöchigen Verlegearbeiten: „Weil die Albertina natürlich normal geöffnet hatte, als diese Ausstellung vorbereitet wurde, haben wir einige Nachtschichten einlegen müssen. Und angesichts der Belastung musste die Verarbeitung gleichzeitig mit höchster Präzision erfolgen, weil anderenfalls innerhalb kürzester Zeit mit Wellenbildung zu rechnen gewesen wäre.“ Zudem galt es diese Räume von unschätzbarem Wert zu schützen, nur selbst liegende Verlegung kam in Frage. Fixierungsband verspannt dabei den ornamentierten Rocaille-Teppich an den Nahtstellen und hält diese unsichtbar zusammen. Architekten überzeugen Auch Kuspis’ Verbindung zu den Niedersachsen, vor allem im Objektgeschäft, hält schon lange. So wie die Geschäftsbeziehung zwischen der Salzburger Architektin Berta Stich und dem für diese Region zuständigen Vorwerk-Mann Harald Eberhartinger. Dass namhafte Designer zur Gestaltung jener Textilerzeugnisse verpflichtet werden, ist in Stichs Augen eine Investition, die Sinn macht: „Gerade weil die Budgets permanent knapper werden, gilt es, den Architekten zu überzeugen. Ich arbeite gerne mit Vorwerk, die Betreuung vor Ort klappt sehr gut.“ So machen Veranstaltungen, welche sich an Multiplikatoren richten, Sinn; wenn sie vergegenwärtigen, welche Wirkung Produkte der Branche zu entfalten vermögen, die oft dazu neigt, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Dass dabei längst nicht alle Möglichkeiten innovativer Gestaltung ausgeschöpft sind, zeigt in Wien die Realisierung stilvoller Möbelstoffe aus Franz Wests omnipräsentem Teppichmuster: So wurden in der Albertina die nach der Schwester des Geburtstagskinds liebevoll „Nannerln“ genannten Chaiselongues auf Anregung des Designers von den Vorwerk-Entwicklern ins gleiche farbenfrohe Kleid gehüllt. Die edle Druckdecke kam erneut zum Einsatz. Nur latexiert – ohne den Einsatz eines Rückens – lädt dieses weiche Textil somit als samtiger Velours-Möbelstoff zum Verweilen ein. Schade nur, was Michael Weber, bei Vorwerk der Mann für Unternehmenskommunikation, beinahe beiläufig preisgibt: Nach dem Ende der Ausstellung wird dieser Teppich eingestampft. Ruhm ist eben vergänglich. Mal abgesehen von Mozart freilich.Reinhold Kober reinhold.kober@holzmannverlag.de