Sachverständigen-Seminar in Feuchtwangen: Karsten Krause und Dr. Norbert Arnold über die Entstehung von Nahtfugen bei Nadelvliesbelägen Lückenlose Aufklärung

Der Sachverständige Karsten Krause thematisierte das immer wiederkehrende Thema von Nahtfugen bei Nadelvliesbelägen mit Polyamidfasern. Zusätzlich stellte der Chemiker Dr. Norbert Arnold passend zum Thema ein neues Hinweisblatt vor.

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    Lückenlose Aufklärung
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    Das Thema im Bild: Eine klassische Nahtfuge.
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    Karsten Krause referierte über die verschiedenen Ursachen für die Entstehung von Nahtfugen bei Nadelvliesbelägen auf Basis von Polyamidfasern.
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    Dr. Norbert Arnold stellte das neue Merkblatt zum Thema „Bewertung des Nahtbildes von verlegten Nadelvliesbodenbelägen mit Hauptfaseranteil Polyamid in der Nutzschicht“ vor.

Das Phänomen ist in Fachkreisen bekannt: Seit Jahren fallen Reklamationen in Verbindung mit Nadelvliesbelägen auf, bei denen Nahtöffnungen immer wieder Anlass zu Beanstandungen geben. Die Ursachen für die Entstehung dieser Nahtfugen seien laut Karsten Krause sehr unterschiedlich (siehe Kasten). Dabei werde es als störend empfunden, wenn die Fugen eine Breite von mindestens 0,5 Millimetern aufwiesen. Zahlreiche Sachverständige sind mit derartigen Fällen konfrontiert, ohne dass es eine einheitliche Meinung zu diesem Thema gibt. Hauptverursacher dieser Schadensbilder ist nach Meinung von Experten die Polyamidfaser im Nadelvliesbelag, denn das Problem der Nahtfugen scheint vor allem bei hochwertigen Produkten auf Basis dieses Fasertyps aufzutreten. Die Polyamidfaser ist aufgrund ihrer Materialstruktur in der Lage, mehr Feuchtigkeit aufzunehmen, als es andere Fasern können. Zumeist stammt die Feuchtigkeit aus der umgebenden Raumluft oder aus dem noch nicht ausreichend getrockneten Estrich, der bei bestehender Diffusionsfähigkeit des Belages die Faser aufquellen lässt. Beide Verursacher sorgen dafür, dass sich das Faservolumen vergrößert. Erfolgt später dann aus irgendeinem Grund eine Rücktrocknung, ist eine Schrumpfung des Belages mehr oder weniger programmiert. Diese tritt im ungünstigsten Fall durch Nahtöffnungen in Erscheinung. Eine Fußbodenheizung oder eine kontrollierte Wohnraumlüftung sind aufgrund der damit verbundenen niedrigen relativen Luftfeuchten häufig verstärkende Parameter dieses Erscheinungsbildes. Krause zitierte einen Hersteller mit der Aussage, dass es eine physikalische Gesetzmäßigkeit gebe, wonach die Polyamidfaser bis zu sechs Prozent Luftfeuchte aufnehmen kann. Wenn eine Raumluftfeuchte von 50 bis 65 Prozent vorliegt, dann sind in der Regel keine Fugen sichtbar. Sinkt sie jedoch deutlich unter 50 Prozent relativer Luftfeuchte ab, kann eine sichtbare Fugenbildung im Nahtbereich auftreten. Andere Hersteller versuchen, das Nahtproblem damit in den Griff zu bekommen, dass bestimmte Klebstoffe vorgegeben werden.

Wie sieht’s mit der Reinigung aus?

Die Einlassungen der Industrie sind für die mit dem Problem konfrontierten Sachverständigen insgesamt unbefriedigend, monierte Krause, der nebenbei die Frage in den Raum stellte, ob Nadelvliesbeläge auf Polyamidfaserbasis überhaupt für eine Nassreinigung geeignet seien und damit auf mögliche Schwierigkeiten verwies, die durch die notwendige Reinigung und Pflege entstehen können. Das Thema der Nahtfugen bei Nadelvliesbelägen ist auch deshalb so wichtig, weil diese Böden heute im Objektbereich und im öffentlichen Bau eine große Bedeutung haben. Krause unterlegte diese Aussage mit Zahlen, wobei er Schätzungen mit einem Verbrauch von 30 Millionen Quadratmetern zugrunde legte.

Hersteller reden Problem klein

Er ging dabei überschlägig von etwa zehn Millionen Quadratmetern auf Polyamidfaserbasis aus und rechnete weiter hoch, dass, wenn allein fünf Prozent von Nahtproblemen betroffen wären, etwa 500.000 Quadratmeter für mögliche Reklamationsfälle in Betracht kommen.

Das deckt sich nicht mit den Herstellerauskünften, nach denen das beschriebene Nahtproblem nur noch selten auftritt und dann  angeblich auf Verlegefehler zurückzuführen sei. „Offene Nahtfugen kommen häufiger vor, als die Branche zugeben möchte“, so Krause und meinte, dass in den überwiegenden Fällen eine Maßänderung des Belages unvermeidlich ist. Allerdings ist es entscheidend, sich auf einen Grenzwert zu einigen, der festlegt, wie breit Fugen in Nadelvliesbelägen sein dürfen. Genau an diesem Punkt setzt das neue Hinweisblatt Nummer 1 an, dessen Textvorschlag Dr. Norbert Arnold unter der Überschrift „Bewertung des Nahtbildes von verlegten Nadelvliesbodenbelägen mit Hauptfaserbestandteil Polyamid in der Nutzschicht“ in Feuchtwangen vorstellte. Das als kurzer Leitfaden gedachte Merkblatt ist mit benachbarten Verbänden und auch mit dem TKB abgestimmt und in erster Linie dafür gedacht, mit der Auffassung aufzuräumen, Nadelvliesbeläge hätten fugenlos zu sein, so Arnold.

Hinweisblatt regelt Abstände
für Fugen

Das Hinweisblatt enthält vor allem folgende Kernaussagen. Erstens: Fugenbreiten bis 0,2 Millimeter sind hinzunehmen (handwerkliche Leistung). Zweitens: Fugenbreiten über 1,0 Millimeter sind nicht fachgerecht. Drittens: Fugenbreiten über 0,2 bis 1,0 Millimeter unterliegen der gutachterlichen Bewertung. In dem Merkblatt, das explizit für die im Titel aufgeführten Nadelvliesbeläge mit Hauptbestandteil in der Polyamid-Nutzschicht gedacht ist, wird auch auf allgemeine Zusammenhänge hingewiesen. Dazu gehört die Erkenntnis, dass stark schwankendes Raumklima zu materialtypischen Dimensionsänderungen bei Polyamid führen kann,  oder diejenige, dass Luftfeuchtedifferenzen zwischen der Verlegung und Zeiten der Nutzung die Fugenbildung begünstigen.

Arnold zitierte auch die aufgeführten Anforderungen an den Klebstoff: Der Handwerker muss auf die Minimierung von feuchtebedingten Dimensionsänderungen achten, auf eine möglichst hohe Zugscherkraft sowie auf einen möglichst schnellen Kraftaufbau. Im Übrigen haben sich Klebstoffe mit Zugscherfestigkeiten, die größer als 2 N/mm² seien, bewährt. Arnold betonte zum Abschluss seines Vortrags, dass für das Phänomen der Nahtfugenbildung nicht ein einziger, sondern immer mehrere Parameter entscheidend sind. Diese Tatsache hat bei der Erarbeitung des Hinweisblattes eine besondere Rolle gespielt und wurde berücksichtigt.