Die Experten aus der Bodenbelag- und Verlegewerkstoffindustrie, den fußbodenrelevanten Verbänden sowie dem Sachverständigenwesen diskutierten in Düsseldorf leidenschaftlich aktuelle Herausforderungen aus der Fußbodentechnik.
Wenn die Experten in dem zum 15. Mal von der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) einberufenen Kreis zusammentreffen, hält man sich schon einmal etwas länger an einzelnen Themen fest, als zunächst eingeplant. Und man steigt auch etwas tiefer ein in die Materie, als gemeinhin auf den großen Branchenveranstaltungen der Fußbodenszene üblich. So wurde eingangs der Diskussionsrunde angeregt, nur kurz über den aktuellen Stand zum Thema sensorische Geruchsprüfungen bei Innenausbauprodukten zu sprechen.
Doch in Kürze ließ sich das nicht abhandeln. Nach Ansicht des TKB-Vorsitzenden Dr. Frank Gahlmann, der die Gesprächsrunde moderierte, würden sensorische Geruchsprüfungen für Standardklebstoffe sowohl hinsichtlich der bei Baustoffen wichtigen Hedonik als auch der Intensität keine großen Probleme bereiten. Obwohl die Prüfmethodik noch nicht endgültig geklärt sei, befürchtet man aber ganz allgemein, dass solche als überflüssig erachteten Geruchstests irgendwann einmal auch bei Bodenbelägen greifen würden. Und das nicht nur als Zulassungskriterien beim Blauen Engel, sondern auch als Teil der bauaufsichtlichen Zulassung.
Dabei gehe es aber nicht um die Bodenbeläge selbst oder die einzelnen, für sich allein als geruchsfrei oder den festzulegenden Anforderungen entsprechenden Schichten des Bodenaufbaus, sondern um deren Gesamtwirkung innerhalb der speziellen Bedingungen im jeweiligen Objekt. Diese Gesamtwirkung wäre allerdings kaum zu beherrschen.
Wenn es beim Einsatz zugelassener Materialien zu irgendwelchen Wechselwirkungen kommen würde, wäre nicht der Handwerker in der Verantwortung, befand Manfred Weber, Leiter des Sachverständigenwesens im ZVPF. Aus seiner Sicht muss einzig und allein der Planer wissen, welche Materialkombinationen funktionieren. Doch nicht nur die Wechselwirkungen seien problematisch, sondern auch die mangelnde Genauigkeit in der Analytik, die bei weitem nicht ausreiche, um zu belastbaren Aussagen zu gelangen, bemerkte Thomas Brokamp (Bona).
Überraschendes zu Belegreifwerten
Ein Thema, dass die Gemüter der Branche erhitzt, betrifft die DIN 18365. In der Neufassung der DIN 18365 gibt es einige Neuerungen, über deren Erscheinen sich die anwesenden Experten sehr verwundert zeigten. Durch den erstmaligen Hinweis auf die DIN 18560 Teil 1 und über die dort aufgeführten Gründe für die Bedenkenanmeldung hinaus wird diese Norm Bestandteil des erforderlichen Kenntnisstandes des Bodenlegers, was u.a. zur Folge hat, dass, wie Gahlmann es formuliert, „überraschende“ Änderungen hinsichtlich der Belegreifwerte bei Fußbodenheizung auf Calciumsulfatestrich von 0,3 auf 0,5 CM-% einflossen und damit beachtenswert werden.
Die neue Situation sei nicht hinnehmbar, auch weil das höhere Risiko eines Feuchteschadens nicht dem Verursacher, sondern dem Parkett- und Bodenleger aufgebürdet werde, lautete der Tenor unter den Experten nahezu unisono. „Den schwarzen Peter haben wieder wir“, sagte Jörg Baumann (ZVPF) aus Sicht der Bodenleger. Simon Thanner, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Estrich und Belag im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, hielt den Ball flach und wies darauf hin, dass die Werte empirisch ermittelt seien und als Begründung erwähnt wurde, dass bei 0,5 % CM-Feuchte das Potential so gering wäre, dass kein Schaden mehr zu erwarten sei.
Damit war er mit Peter Schwarzmann (Carpet Concept) nicht uneinig, der erläuterte, dass dieser Wert auch in anderen Ländern Gültigkeit hätte. Auch in diesem Falle helfe dem Auftragnehmer nur das Mittel der Bedenkenanmeldung, befand hingegen Weber, um der anscheinend von der Mörtelindustrie gewünschten schneller erreichbaren Belegreife von CT-Estrichen zu begegnen. Damit wäre der Auftraggeber bzw. der von Weber immer wieder fokussierte Planer mit im Boot. Außerdem läge nach Webers Ansicht das Problem eindeutig auf der Seite des Estrichlegers, wenn dieser sich für die Belegreife von 0,5 CM-% aus dem Fenster lehne.
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Volker Kettler (MeisterWerke), der konstatierte, man würde in den Herstellerempfehlungen beim bisherigen Wert bleiben, weil wegen der feuchtesensiblen Holzwerkstoffprodukte die Skepsis gegenüber der anscheinend „geschickt eingefädelten“ Neuerung überwiege.
Allgemein war man sich einig, dass nur eine gemeinsame Haltung aller betroffenen Verbände geeignet wäre, dieser wohl von einem gemeinsamen wirtschaftlichen Interesse geleiteten Formulierung in die fachlich richtige Richtung zu lenken, wobei die Änderungen derzeit noch nicht in der DIN 18356 Parkettarbeiten mit deren feuchteempfindlichen Holzfußböden verankert sind.
Spachtelarbeiten künftig klassifizieren
Gesprächsstoff lieferte weiterhin die Klassifizierung von Spachtelarbeiten. Hier liegen derzeit Vorschläge des Kölner Instituts für Raumausstattung (IFR) und des ZVPF vor, die verschiedene Levels bzw. Ebenheitsklassen von Untergrundqualitäten definieren (vgl. hierzu den ausführlichen Beitrag ab Seite xy dieser Ausgabe). Während die Vorstellungen von IFR-Leiter Richard Kille eher dahin gehen, es den Herstellern zu erleichtern, für den jeweils gelieferten Belag eine exakte Anforderungsstufe zu benennen, scheint der Ansatz des Verbandes eher der zu sein, eine Handlungsanweisung für den Anwender zu liefern, wie man produktbezogen zu einem besseren Ergebnis kommt, ohne dabei Grenzwerte zu nennen. Nach vielen Diskussionen im Vorjahr scheint jetzt Konsens darüber zu herrschen, dass Handlungsbedarf aufgrund veränderter Rahmenbedingungen besteht, weil zum Beispiel gegenüber den Untergrundvoraussetzungen rasant erscheinende Entwicklungen bei den Belägen beobachtet werden.
sd-Wert alleine nicht aussagefähig
Handlungsbedarf besteht nach Auffassung der TKB auch hinsichtlich der richtigen Einordnung der Wirkungsweise und Bewertung von wasserdampfdiffusionsbremsenden Grundierungen. Insbesondere die gelegentliche Praxis, zwischen sd-Werten der einzelnen aufgebrachten Schichten und deren Funktionsfähigkeit im gesamten Fußbodenaufbau einen Zusammenhang herzustellen, sei nicht fachgerecht, weshalb die TKB eine Information zu diesem Thema herausgegeben hat. „Vornehmlich die Porosität des Untergrundes, aber auch andere Unwägbarkeiten, ständen einer statischen Schichtdicken- und daraus resultierenden sd-Wertebetrachtung mit durchaus schwankenden Materialkennwerten entgegen“, sagte Gahlmann.
Er brachte deshalb den effektiven Diffusionsweg als entscheidendes Kriterium unterschiedlicher Faktoren in die Diskussion ein, da dieser bei der Beurteilung von Fußbodenschäden eine deutlich höhere Aussagekraft hätte als die Reduzierung auf den in diesem Zusammenhang nicht aussagefähigen sd-Wert als alleinige Bewertungsgrundlage.
Bewertungsgrundlagen wie Normen, Merkblätter, Kommentare oder Stand der Technik sowie der Versuch eines Rankings dieser Bewertungsgrundlagen waren ein weiteres Thema des Branchengespräches. Klar wurde dabei, dass die Norm nicht nur aus Sachverständigensicht immer den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Interessenparteien darstellt, der hinter dem Stand oder gar dem anerkannten Stand der Technik zurückfällt. Mit Bezug auf die DIN 18560 würde diese Erkenntnis bedeuten, dass ein Belegreifwert von 0,3 CM-% bei beheizten Calciumsulfatestrichen, der anscheinend von der breiten Mehrheit der Fußbodenpraktiker getragen werde, eher Gültigkeit für sich beanspruchen könne, als lediglich ein in einer fachlich nachrangigen Norm genannter Wert.