An- und Ungelernte mit Praxiserfahrung können nun über eine Externenprüfung den Berufsabschluss nachholen. Das Projekt ist an der Handwerkskammer für Mittelfranken angesiedelt. Wie es aussieht und was es bringt, erklärt Martina Schuster.

Zweite Chance für Abbrecher
bwd Wie kam es zu dem Projekt?
Schuster Die Idee kam aus unserem Projekt Nachqualifizierung rund um Nürnberg (NQ RuN). Wir haben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung den Auftrag, Nachqualifizierung in der Region Mittelfranken möglich zu machen. Dies bedeutet, dass An- und Ungelernte mit Praxiserfahrung über die Externenprüfung den Berufsabschluss nachholen.
bwd Wo ist das Projekt beherbergt?
Schuster Das Projekt ist an der Handwerkskammer für Mittelfranken angesiedelt. Speziell für das Parkett- und Fußbodenlegerhandwerk haben wir zusammen mit der Handwerkskammer Oberfranken und Heinz Brehm, dem Bundeslehrlingswart im Zentralverband Parkett- und Fußbodentechnik, eine Kompetenzfeststellung konzipiert, die auf die Externenprüfung vorbereitet.
»Im Bodenlegerhandwerk gibt es viele ungelernte Kräfte mit großer Praxiserfahrung.«
bwd Warum gerade für das Parkett- und Bodenlegerhandwerk?
Schuster Im Parkett- und Bodenlegerhandwerk gibt es erfahrungsgemäß viele ungelernte Handwerker mit großer Praxiserfahrung, die mit ein wenig Unterstützung sicherlich erfolgreich die Gesellenprüfung bzw. den Facharbeiterbrief ablegen könnten. So ein Berufsabschluss sichert nicht nur den eigenen Arbeitsplatz, sondern zeigt auch dem Kunden, dass er von einem Experten beraten wird.
bwd Was ist das Ziel des Projekts?
Schuster Das Projekt richtet sich an Arbeitnehmer, die über mindestens drei Jahre Praxiserfahrung im Parkett- oder Bodenlegerhandwerk verfügen. Dabei wird auch Berufserfahrung im Ausland angerechnet oder eine abgebrochene Ausbildung. Die Teilnehmer bekommen im Nachqualifizierungsprojekt ihre Kompetenzen und Fertigkeiten bestätigt und erfahren, was sie für eine Gesellenprüfung noch lernen müssen.
bwd Gibt es das auch für andere Gewerke oder sind Boden- und Parkettleger hier die Vorreiter?
Schuster Es gibt nur einzelne Projekte, bei denen eine Kompetenzfeststellung einer Nachqualifizierung vorangestellt wurde. Deshalb ist diese Maßnahme schon etwas Besonderes.
bwd Was folgt nach der Kompetenzfeststellung?
Schuster Danach können die Teilnehmer an einer Nachqualifizierung teilnehmen, die im Herbst beginnt und auf die Sommerprüfung 2013 vorbereitet.
bwd Wie wird die Nachqualifizierung ablaufen?
Schuster Die Nachqualifizierung dauert 250 Stunden und erfolgt berufsbegleitend. Für die Parkettlegerprüfung kommen noch 80 Stunden Maschinenkurs dazu, der Voraussetzung für die Prüfungszulassung ist. Heinz Brehm empfiehlt den Bodenlegern, den Parkettlegergesellenbrief mitzumachen. Auch die Nachqualifizierung wird an der Berufsschule Neustadt-Aisch stattfinden. Teilnehmen können bis zu 15 Personen. Die Kompetenzfeststellung wird durchgeführt von Heinz Brehm, Bundeslehrlingswart im ZVPF und Obermeister der Innung Parkettlegerhandwerk und Fußbodentechnik Mittel- und Oberfranken, und Jörg Schülein, Bodenlegerobmann in der gleichen Innung.
»Die Nachqualifizierung dauert 250 Stunden.«
bwd Und darauf folgt dann die Externenprüfung?
Schuster Ja, und ich bin überzeugt, dass die Prüflinge mit Kompetenzanalyse und Nachqualifizierung optimal vorbereitet sind.
bwd Und wer besteht, ist gleichgestellt mit einem Parkett- oder Bodenleger, der eine Ausbildung durchlaufen hat?
Schuster Ja, denn er macht ja dieselbe Prüfung wie die Auszubildenden auch.
bwd Bringt der Titel den Teilnehmern wirklich etwas?
Schuster Natürlich, ein Berufsabschluss sichert nicht nur den Arbeitsplatz und verbessert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Er eröffnet auch die Möglichkeiten der beruflichen Karriere und einer höheren Vergütung. Die meisten Teilnehmer berichten, dass sie durch den Abschluss auch mehr Anerkennung im Unternehmen genießen, und vor allem, dass sie selbst stolz und zufrieden sind.
»Betriebe müssen neue Wege gehen, um ihren Fachkräftebedarf zu sichern.«
bwd Ist das Ihr Rezept gegen den Fachkräftemangel?
Schuster In den Zeiten des demographischen Wandels müssen Betriebe neue Wege gehen, um ihren Fachkräftebedarf zu sichern. Nachqualifizierung wird hier in Zukunft ein wichtiger Weg sein. Insgesamt ist es eine Win-win-Situation für Unternehmen und Beschäftigte. Und beide Seiten werden nicht alleine gelassen. NQ RuN berät in allen Belangen, wie zum Beispiel über Qualifizierungsplanung, Finanzierungsmöglichkeiten oder Zulassungsfragen.
bwd Also jetzt bewerben?
Schuster Ja, unbedingt. Potentielle Teilnehmerinnen und Teilnehmer oder Unternehmen können sich jederzeit an das Projekt Nachqualifizierung rund um Nürnberg wenden. Dies gilt übrigens auch Beschäftigte und Betriebe aus anderen Gewerken, die sich für Nachqualifizierungsangebote im Handwerk interessieren.
Elisabeth Göpel
elisabeth.goepel@holzmann-medien.de