Geschichte des deutschen Parketts, Teil VIII Trendwende in den 70er Jahren - Mit Fertigparkett aus der Krise"> Geschichte des deutschen Parketts, Teil VIII Trendwende in den 70er Jahren Mit Fertigparkett aus der Krise

Die Produktions- und Verbrauchszahlen für Parkett gingen in den 70er Jahren erheblich zurück. Gezielte Werbung und ein beginnender Trend zu Naturprodukten sorgten für die notwendige Wende.Mit Fertigparkett aus der Krise Allmählich kam Zug in den Fertigparkettmarkt: Noch war er zwar verhalten, aber jetzt mit kontinuierlichen Steigerungsraten, die weitere Produzenten auf den Markt riefen. Hamberger, der 1950 mit einer Tagesproduktion von etwa 600 Quadratmetern gestartet war, war Ende der 60er Jahre derjenige, der allein für die statistisch ausgewiesene Fertigungsmenge von 355.000 Quadratmetern verantwortlich zeichnete. Das änderte sich als mit der Theodor Höhns KG in Mölln, hervorgegangen aus dem gleichnamigen Stab- und Mosaikparketthersteller aus Bothel in der Nähe von Rotenburg an der Wümme, eine zweite deutsche Produktion in diesem Segment aktiv wurde. Mit norwegischer Lizenz wurde nahe der ehemaligen Zonengrenze eine damals hochmoderne Linie aufgebaut, die zwar mit einigen Anfangsschwierigkeiten behaftet, aber ganz allmählich ins Laufen kam und auch mit vielen internationalen Kontakten am Markt Fuß fasste. Für den gesteigerten Mehrschichtverbrauch in Deutschland sorgten dementsprechend auch zwei skandinavische Hersteller, die den Umgang mit Fertigparkett schon seit den vierziger Jahren beherrschten, namens Kährs und Tarkett. Die Skepsis im Handwerk gegenüber den werksmäßig vorgefertigten Produkten war zunächst groß, während der Holzhandel die enormen Potentiale sehr viel schneller erkannte und vor allem über die guten Beziehungen zu Hamberger zu einer ganz wichtigen Kraft im Fußbodensegment wurde. Verlegebetriebe, die die Möglichkeiten der werkseitig vorgefertigten Parkettdiele erahnten, waren noch an einer Hand abzuzählen. „Wir sägen uns den Ast ab, auf dem wir sitzen“ „Fertigparkett verlegen kann jeder“, hieß es in Handwerkskreisen, „Nutzschichten von 4mm sind kein Parkett, das kann man nicht abschleifen, mit der werkseitigen Vorfertigung wird unsere ureigene Kompetenz beim Verkleben, Schleifen und Versiegeln untergraben. Wir sägen uns den Ast ab, auf dem wir sitzen. Das ist ein Produkt für den Heimwerker, dessen verlegte Flächen uns fehlen werden“, lauteten die in jenen Jahren mit Vehemenz auf Innungsveranstaltungen vorgetragenen Argumente. Diese Ablehnung war in dieser Zeit sogar verständlich, denn Parkettaufträge wurden immer seltener und die Handwerksbetriebe beschäftigten sich schon aus Gründen der Auslastung lieber mit dem in mehreren Arbeitsschritten zeitaufwendig zu verlegendem Stab- oder Mosaikparkett als mit der Variante, die bereits unmittelbar nach der zügigen Verlegung begeh- und nutzbar war. Entsprechend hatten die Hersteller viel Aufklärungsarbeit zu leisten. „Sie fahren nur einmal zur Baustelle. Schleifen und Versiegeln ist im Werk geschehen. Sie haben Zeit für neue Aufträge“, hörte man auf Messen und Verkaufsveranstaltungen. Die neu erstellte DIN 280 Blatt 5 als erste eigenständige Norm für Fertigparkettelemente gab dem Produkt weiteren Rückhalt. Die Hersteller gründeten den Arbeitskreis Fertigparkett. Die Werbe- und Informationstätigkeit übernahm der VDP. Güterichtlinien, -prüfungen und ein eigenes Gütezeichen wurden entwickelt. Firmen wie Schlotterer oder die Kelheimer Parkettfabrik gesellten sich als Mitstreiter dazu. Die Güteansprüche waren an die damaligen Möglichkeiten angepasst und gelten in einigen Belangen vieler technischer Verbesserungen zum Trotz noch heute. In dem relativ kleinen Arbeitskreis liefen Vereinbarungen zunächst sehr verlässlich, so dass vieles für das Produkt in gemeinsamer Anstrengung geleistet werden konnte. In diesen Zeitraum fiel weiterhin die Gründung der Informationsgemeinschaft Parkett. Parketthersteller und Importeure sowie Lieferanten der Versiegelungs- und Klebstoffindustrie machten Preise und Absatz zu ihren Hauptthemen. Man analysierte die aktuelle Marktsituation und kam zu folgenden Ergebnissen, wie Hermann Wegelt in einem späteren Rückblick zusammenfasst: a) Parkettpreise werden nach Kosten und nicht nach Nachfrage kalkuliert. b) Interessierte Bauherren werden durch Niedrigpreise in ihrer Wertvorstellung von Parkett enttäuscht. c) Parkett - vorwiegend Eiche, Mosaikparkett oder Würfelmuster - wird vom potentiellen Käufer als eintönig erlebt (Mosaikparkett ist zu dem Zeitpunkt über den Zenit hinweg). d) Substitutionsprodukte wie Teppichböden boomen und sorgen für Verunsicherung. Ein nie dagewesener Minusrekord Die Verunsicherung war nur allzu berechtigt. Die Zahl der Parkettproduzenten war innerhalb einer Dekade von etwa 130 auf 60 gesunken und der ohnehin geringe Marktanteil ging innerhalb von fünf Jahren auf lediglich 3Prozent zurück, ein bis dahin nie erreichter Minusrekord. Der Parkettverbrauch von 7,5 Millionen Quadratmeter im Jahre 1970 (mit einem damals durchaus nennenswerten Exotenparkettanteil) senkte sich auf 4,8 Millionen Quadratmeter im Jahre 1980. Da halfen weder die groß angelegten Marketingmaßnahmen des Industrieverbandes unter dem Titel „Parkett, mach mit“ noch die Zusammenarbeit mit der Arge Holz. Die Rezession am Baumarkt und vor allem die Flut von Teppichböden mit ihrer allgegenwärtigen „Reklame“ setzte der Parkettbranche sehr zu. „Ohne Moos nix los“, hieß es damals, wobei die Parkettleute vor allem an Mosaikparkett dachten, das nach technisch förderlicher Papier-, Netz- und Vliesverklebung zu stagnieren begann. Es fehlten Produktideen und Innovationen. Dabei wurden im Ausland schon Laminatböden bzw. das erste zweischichtige Fertigparkett produziert. Unternehmen wie Pergo aus Schweden und der Schweizer Parkettmacher Bauwerk hatten die Ohren näher am Markt. Natürlichkeit war wieder im Kommen In Deutschland kündigte sich jedoch nach den Erfahrungen der großen Ölkrise eine zunehmende Besinnung auf natürliche Rohstoffe an. Die ersten Interessenten für baubiologische Fußbodenkonstruktionen, die zumeist aus der „Müsli-Ecke“ kamen, sorgten für aufkeimende Hoffnung auf bessere Zeiten. Die natürlichen Klassiker Holz, Kork und Linoleum wurden wieder nachgefragt. Die Anwendung „abenteuerlicher“ Klebstoffe auf Naturlatexbasis und extrem langsam trocknende Fußbodenöle hatten bisweilen erhebliche Folgen für die Anwender. Holzpflaster gewann an Bedeutung und schaffte den Sprung aus dem Industriesektor auf gewerbliche Flächen wie Werkräume, aber auch repräsentative Pausenhallen von Schulen oder Veranstaltungszentren und selbst in den Wohnbereich. Allerdings waren die Flächen insgesamt zu gering, um für den notwendigen Umschwung sorgen zu können. Die sehr intensiv geführten Seminare von Holzpflasterindustrie und Parketthandwerk zeigten jedoch, dass die Zusammenarbeit Früchte tragen kann. „Die Theorie des eingespannten Bodens“, seinerzeit vorgetragen von Alfons Glas, Pfleiderer, sorgte für viel technisches Verständnis darüber, was am Boden passiert. Die ersten Fußbodenheizungen kamen auf. Parkett musste Ressentiments überwinden, denn die Verbraucher waren sehr skeptisch, ob das doch eigentlich gut dämmende Holz für diesen Einsatzzweck geeignet war. Es ging anfangs einiges schief. Eine wissenschaftliche Arbeit im Wilhelm-Klauditz-Institut in Braunschweig, zunächst als Doktorarbeit geplant, brachte Klarheit. Es funktioniert, wenn man einige wesentliche Dinge beachtet, lautete das Ergebnis. Eine weitere Hürde war genommen. Verbandspolitisch tat sich auch etwas. Während der charismatische Ruprecht Hannemann weiter für den VDP den Vorsitz innehatte, fand der Wechsel der Führung des Parkettlegerhandwerks von Otto Henn über Fritz Mielke, der diesen Posten nur kurze Zeit ausüben konnte, zu Ortwin Baumann statt. 1976 kam es nach langen Verhandlungen mit dem sehr rührigen Erich Rosenbaum, seinerzeit Präsident des Bundesverbandes des Bodenlegerhandwerks, zum Zusammenschluss mit den Parkettlegern, der in den zentralen Innungsverband mit Sitz in Bonn und den einzelnen regionalen Innungen mündete. 21 dieser Interessenvertretungen einschließlich der neugegründeten Bodenlegerfachgruppen bekannten sich zum Zentralverband Parkett- und Fußbodentechnik. Die Zusammenarbeit beider Berufsgruppen gestaltete sich erfolgreich. In den folgenden Jahren kam es zu einer staatlichen Anerkennung des Bodenlegerberufes im Rahmen einer Fortbildungsmaßnahme zum Bodenbelagsfachmann. Die Gesamtlage blieb jedoch schwierig. Die Finanzdecken in Handwerk und Industrie wurden immer dünner. Banken hielten sich vornehm zurück, die Zahl der fertig gestellten Wohnungen befand sich auf einem sehr niedrigen Niveau. Die Situation war angespannt, denn Konkurse und Firmenzusammenbrüche häuften sich, auch, weil die Rahmenbedingungen in Industrie und Handwerk nicht wirtschaftsförderlich waren. Die Angst vor Pleite und Arbeitslosigkeit ging um „Das ständige Ansteigen der Konkurse macht Angst. Zu den besonderen Betriebskosten sollen weitere, nicht mehr zu verkraftende Kostenfaktoren kommen durch Verkürzung der Wochenarbeitszeit (…) eine Vorruhestandsregelung, die für einen ruinösen Ablauf sorgen wird (...). Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist auf diese Weise nicht erfolgreich zu führen, weil die Arbeit vom Verbraucher bei stets nach oben geschraubten Stundensätzen nicht mehr gekauft werden kann“, beurteilte der stets vorausschauende Ortwin Baumann die Lage. Die Branche stand mit dem Rücken zur Wand, zumal auch Nachwuchsprobleme die Betriebe belasteten. Der Beruf des Parkettlegers war unattraktiv. Die Parkettindustrie setzte auf Werbung. Mit der Aktion „Parkett, ein gutes Stück Persönlichkeit“ fiel eine erfolgreiche Kampagne auf fruchtbaren Boden. Denn parallel zu der Entwicklung der in diesem Stadium noch sehr zarten Parkettpflanze sank das Interesse an textilen Bodenbelägen. Mit den einprägenden Begriffen „Persönlichkeit, Individualität, Natürlichkeit oder Charakter“ hatte man den Nerv der Zeit getroffen. Damit ergab sich ein offenes Betätigungsfeld. Die Fertigparketthersteller erkannten als erste ihre Chance. Sie sorgten in dieser Zeit für die Steigerung des Bekanntheitsgrades ihrer Erzeugnisse. Maßgeblich setzte das Unternehmen Hamberger aus Rosenheim mit breit angelegten Aktionen das Produkt in Szene. Ausstellungen, zunächst kaum beim Parkettverleger, aber vielmehr im Holzhandel präsent, zeigten dem Endverbraucher die Möglichkeiten, die der Werkstoff Holz auf dem Fußboden zu bieten hatte. Letztlich profitierte die gesamte Parkettbranche von der neu dargebotenen Vielfalt. Fertigparkett etablierte sich. Ein Grund waren technische Entwicklungen insbesondere bei den industriellen Versiegelungen. Während bei den handwerklichen Auftragsverfahren vor allem die Wasserlacke, optisch und haptisch zunächst keine Glanzstücke, in das gut funktionierende System der SH-Lacke eindrangen, wurde die Möglichkeit der ultravioletten Aushärtung von Lacken zu einem Meilenstein in der industriellen Produktion. Die endlos langen, mit Wärme katalysierten Versiegelungsstraßen mit platzgreifenden Hordenwagen und beißenden Lösemitteln gehörten schnell der Vergangenheit an. Ultraviolette Aushärtung revolutionierte die Produktion Trumpf Parkett, damals noch in Pfalzgrafenweiler, brachte ein Parket fertigversiegelt mit Spanplattenträger auf den Markt. Das Schlagwort jener Jahre im Ausbaubereich hieß Formaldehyd. Die Veröffentlichung von Versuchen an Ratten ließen die Chemikalie zumindest in den Verdacht geraten, Formaldehyd würde bei ihnen häufiger zu Nasenkrebs führen als bei nicht diesem Stoff ausgesetzten Tieren. Die allgemeine Verunsicherung erreichte auch die Parkettinteressenten. Da kam das Argument, bei UV-härtenden Systemen lösemittel- und formaldehydfrei arbeiten zu können, gerade recht. Einziger Nachteil: die UV-Lacke jener Jahre wurden ganz bewusst als wohnfertig ausgelobt, um ihre Objekteignung auszuschließen, denn sehr zum Leidwesen vieler unwissender Nutzer funktionierten die Versiegelungen in beanspruchten Bereichen noch nicht. Dies war vielleicht ein Zeichen dafür, dass selbst die Fertigparkettproduzenten damals noch nicht an ihren durchdringenden Erfolg glaubten. Aus dem Ausland kam immer mehr Parkett auf den Markt. Maßgebliche Hersteller aus Schweden, Finnland, Dänemark, Norwegen und Frankreich wurden zumeist über Vertriebsgesellschaften tätig. Parkett war plötzlich wieder in und die Erkenntnis manch eines Bauherrn, dass er das Produkt auch selbst verlegen könnte, sorgte für Zuwächse, an denen die ganze Branche teil hatte. In der DDR sank der Anteil innerdeutscher Lieferungen. Das lag daran, dass der technische Fortschritt in Westdeutschland dem in der damaligen DDR mittlerweile doch erheblich überlegen war. Die Unterschiede bei den Produktqualitäten wurden im Zuge weiterer Technisierung zunehmend größer, so dass in Ostdeutschland produzierte Ware immer weniger im damaligen „Ausland“ verkauft werden konnte. Zwar versuchten einige pfiffige Leute auf den Zug zum Fertigparkett aufzuspringen, Gedanken und Produkte für dieses Segment waren durchaus vorhanden, es scheiterte jedoch an den Möglichkeiten. Die Parkettingenieure entwickelten Dielenelemente oder Würfelmuster, aus Kostengründen meist auf Spanplattenträger, ohne allerdings eine echte Chance zu haben, daraus Parkett herzustellen, das wettbewerbsfähig werden konnte. Die Zusammenarbeit mit dem Westen blieb bestehen. Namen wie Baumann, Rosenbaum, Ritter und viele andere waren in ostdeutschen Parkettkreisen wohlbekannt. Walter Pitt walter.pitt@t-online.de Quellen: Hermann Wegelt: Parkett 1950-2000 Hamburger Abendblatt- 10. Dezember 1984 Filder Zeitung, 8. August 1987 Fachbuch Parkett 1, Zentralverband Parkett- und Fußbodentechnik, BIV Parkettlegerhandwerk und Bodenlegergewerbe, Bonn, 1977

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