Haftungsrisiko bei Bauproduktmängeln Mögliche Insolvenzgefahr für Handwerker - Schadenssumme 1,5 Millionen"> Haftungsrisiko bei Bauproduktmängeln Mögliche Insolvenzgefahr für Handwerker Schadenssumme 1,5 Millionen

Früher sprang bei Produktmängeln die Haftpflichtversicherung des Herstellers ein. Nach heutiger Rechtsprechung haftet der Handwerker für unverschuldete Produktmängel und die Folgen. In einem konkreten Fall ging es um 1,5 Millionen Euro.

Treten Produktmängel auf, die der Handwerker nicht zu vertreten hat, wie beispielsweise Ablösung der Deckschichtlamellen bei Mehrschichtparkett, muss der Verarbeiter dennoch die Kosten für Aus- und Wiedereinbau im Rahmen einer Nachbesserung tragen. - © Pitt

In Deutschland gilt derzeit eine handwerkerfeindliche, existenziell bedrohliche Regelung bei bereits eingebauten Produktmängeln. In der Praxis bedeutet dies, dass Fachhandwerker auf den Kosten für den Aus- und Wiedereinbau eines defekten Elements und den damit verbundenen Folgekosten sitzen bleiben. Dabei ­haben sie den Schaden weder ­direkt noch indirekt verursacht. Hintergrund ist ein BGH-Urteil vom 17.10.2012 (VIII ZR 928/11), wonach nur Verbraucher als Käufer eines Produkts die Aus- und Wiedereinbaukosten verlangen können, nicht ­Unternehmer (Handwerker) im Rahmen eines Handelskaufs.

Das kann zu Kosten führen, die einen Handwerksbetrieb in die Insolvenz zwingen. Norbert Stehle, Sachverständiger und Vorstandsmitglied im Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik (ZVPF): „Diese Ungleichbehandlung hält dem allgemeinen Gleichstellungsgesetz nicht stand und birgt obendrein ein hohes finanzielles Risiko für öffentliche Auftraggeber und damit den Steuerzahler.“

In der Vergangenheit gab es – ­zumindest in der Praxis – in Deutschland ein funktionierendes und konsistentes System der Haftung für Bauproduktmängel. Der Handwerker konnte seinen Lieferanten auch auf Ersatz der Aus- und Wiedereinbaukosten in Anspruch nehmen, dieser wiederum seinen Lieferanten usw. bis zum Hersteller. Der Hersteller konnte den Schaden im Rahmen einer Produkthaftpflichtversicherung abdecken, wie das Fallbeispiel (s. Unterbeitrag "OP-Ausfall wegen Klebstofffehler") zeigt, das sich so in einem städtischen Klinikum in Baden-Württemberg zugetragen hat.

Enorme Kostenlawine

Nach aktueller Rechtsprechung würde dieser Fall den Bodenleger die Existenz kosten. Der Klebstoffhersteller wäre nämlich lediglich zur Nacherfüllung verpflichtet und müsste rund 200 kg Klebstoff bereitstellen (Materialwert etwa 1.000 Euro). Mit dem weiteren Folgeschaden hätte der Klebstoffhersteller nichts zu tun. Doch die waren im beschrieben Fall erheblich: Zur Herstellung eines leitfähigen PVC-Boden­belages war es erforderlich, den OP-Bereich stillzulegen, den nicht funktionierenden Boden­belag auszubauen und durch ­einen funktionstauglichen neuen Bodenbelag zu ersetzen. Die Kosten für die Bodenbelager­neuerung belaufen sich auf etwa  30.000 Euro.

Um den OP-Betrieb des Krankenhauses weiter aufrechtzuerhalten, war es erforderlich, einen mobilen OP-Trakt auf dem Parkplatz des Krankenhauses aufzubauen und über den Zeitraum der Sanierungsmaßnahmen zu nutzen. Die Miete, die Installationskosten und der Rückbau sowie weitere Folgekosten wie das Herausreißen des Bodenbelages, die Neuverlegung, Planung und Bauleitung beliefen sich letztendlich auf die Summe von 1,5 Millionen Euro.

Nach heutigem Recht könnte sich der Klinikbetreiber aufgrund der werkvertraglichen Verpflichtung an seinen Bodenleger wenden. Dieser wäre wohl kaum in der Lage, diese Schadenssumme zu tragen. Die logische Konse-quenz wäre der Gang in die Insolvenz.

Online-Petition soll Gesetzgeber aufrütteln

Die Handwerksinitiative „Mit einer Stimme“ will diesen für das Handwerk unhaltbaren Zustand jetzt ändern. Mit einer geplanten Online-Petition möchten die Mitglieder erreichen, dass der Bundestag dieser Ungerechtigkeit einen Riegel vorschiebt. Ein passendes Gesetz muss her.
Bis zum Frühjahr 2015 versucht die Initiative deshalb, 50.000 Unterstützer zu sammeln und zu mobilisieren. Schon jetzt haben sich mehr als 6.700 Personen gegen die aktuelle Rechtslage ausgesprochen und sich auf der Homepage (miteinerstimme.org) eingetragen. Alle Unterstützer werden automatisch per Newsletter über Neuigkeiten informiert. Zusätzlich erhält jeder eine Benachrichtigung zum Start der Online-Petition, sodass die Stimme rechtzeitig abgegeben werden kann.

Auf der Facebook- und auf der Internetseite können Betroffene sich aber nicht nur eintragen, sondern auch ihren Fall schildern und so andere Handwerker für das Thema sensibilisieren. Alle Handwerker, deren Familien und Freunde sind aufgefordert, dabei zu helfen, dass diese Gesetzeslücke endlich geschlossen wird. www.miteinerstimme.org