Marktgeschehen Wohnbau in Österreich: Eine Branche schlittert in die Krise

Obgleich es nach wie vor an leistbarem Wohnraum mangelt, schrumpft die Wohnbauproduktion rasant. Verantwortlich dafür sind primär konstant hohe Baupreise und steigende Zinsen, wie eine aktuelle Analyse von Branchenradar Marktanalyse zeigt. Lesen Sie dazu auch den Kommentar von bwd-Österreich-Redakteur Thomas Mayrhofer.

Im Wohnungsneubau ist im laufenden Jahr mit einem massiven Einbruch zu rechnen. Die Neubaubewilligungen sanken im ersten Quartal um etwa ein Drittel im Vergleich zur Vorjahresperiode. „Für das zweite Quartal erwarten wir zumindest einen ähnlich starken Rückgang“, sagt Andreas Kreutzer von Branchenradar Marktanalyse. Für das Gesamtjahr rechnen die Marktforscher mit einem Minus um rund zwanzig Prozent.

Zappenduster im Wohnbau in Österreich

Wohnbaubewilligungen um ein Drittel, Wohnbaukredite um zwei Drittel hinter Vorjahr: Diese Prognose stützt sich auf Daten der OeNB zum Neugeschäft bei Wohnbaukrediten österreichischer Banken. Dieses lag in den ersten fünf Monaten des heurigen Jahres nominal um zwei Drittel unter der Vorjahresperiode. Berücksichtigt man die steigenden Baupreise, war das neu aufgenommene Kreditvolumen so gering wie in den letzten 20 Jahren nicht. „Die Wohnbauwirtschaft schlittert in den kommenden Monaten in eine veritable Krise“, sagt Kreutzer. „Bislang wurde der Markt noch von bereits zu Beginn des Jahres in Bau befindlichen Projekten gestützt. Doch viele dieser Projekte stehen vor der Fertigstellung. Und danach wird es zappenduster im heimischen Wohnbau“.

Wohnbau: Hohe Baupreise, steigende Zinsen

Dass die Lockerung der Kreditrichtlinien eine Trendwende herbeiführen könnte, glaubt Kreutzer nicht. Das Problem sieht er vielmehr in den nach wie vor hohen Baupreisen und den steigenden Zinsen. Der Effektivzinssatz für private Wohnbaukredite betrug 2021 im Jahresdurchschnitt noch 1,57 Prozent. Im heurigen Mai wurden 4,24 Prozent verrechnet. Die Baupreise erhöhten sich alleine in den letzten drei Jahren um mehr als vierzig Prozent. „Wer jetzt noch ein Neubauprojekt startet, muss in der Tat gut bei Kasse sein“, meint Kreutzer.

Thomas Mayrhofer
bwd-Österreich-Redakteur Thomas Mayrhofer. - © bwd

Mein Standpunkt: Eine neue Lösung muss her

Die Baupreise sind in den letzten Jahren um über 40 Prozent gestiegen, während die Kreditzinsen für Immobiliendarlehen innerhalb von nur wenigen Monaten um rekordverdächtige 2,6 Prozentpunkte gestiegen sind. Das bedeutet im realen Leben, dass ein Kredit von 300.000 Euro nun um 700 Euro mehr Zinsen pro Monat kostet. Kein Wunder, dass die private Kreditaufnahme um über zwei Drittel eingebrochen ist. Das liegt aber auch an der für die Banken verbindlichen Grenze, dass die Rückzahlungen maximal 40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens ausmachen darf.

Diese Regelung ist unvernünftig, da der Staat somit vorschreibt, dass man seinen Traum vom Eigenheim nicht mit Einsparungen in anderen Lebensbereichen finanzieren darf.

Besser wäre es, die Belastungsgrenze mit dem Existenzminimum von derzeit 1.110 Euro festzulegen, um den Menschen die Wahlfreiheit bei der Verwendung ihres Geldes zu ermöglichen. Selbstverständlich sollte diese niedrige Grenze nur für Darlehen mit Fixverzinsung gelten, da ein solcher Abschluss vor unangenehmen Überraschungen bei plötzlichen Zinserhöhungen schützt.

Man sieht an diesem Beispiel, dass viele Regelungen zwar vom Gedanken her sinnvoll sind, weil sie so manchen Schuldner vor einer Überschuldung bewahren soll, aber die Praxis oder die Lebensrealitäten dann doch anders aussehen.

Mit ein wenig Hausverstand und Erfahrungen aus dem Leben von Durchschnittskonsumenten könnte man schnell und nachhaltig praktikable Lösungen schaffen, die den Konsumenten und der Wirtschaft gleichzeitig nützen. Wenn nichts passiert, dann wird das gesamte Baugewerbe und die nachgelagerten Gewerke noch lange unter einer Nachfragelücke leiden.

Ihr Thomas Mayrhofer