Wohin geht die Reise beim Großhandel für Bodenbeläge?

Im Gespräch mit bwd erläutern die GHF-Vorstandsvorsitzende Christina Engelhard, Vorstand Martin Geiger und Geschäftsführer Niels Ehme Lehmann, welchen Heraus­forderungen sich der Großhandel für Bodenbeläge aktuell stellen muss.

Wohin geht die Reise beim Großhandel für Bodenbeläge?
Niels Ehme Lehmann, Christina Engelhard und Martin Geiger (von li.) beim Gespräch mit bwd. - © Heinze

bwd: Wie geht es dem Großhandel für Bodenbeläge im August 2019?

Engelhard: Es wird viel gejammert, aber eigentlich geht es gut. Das Problem ist die fehlende Stabilität. Der Mensch mag so etwas nicht. Aber man muss sich auf diese volatile Situation einstellen, ob man will oder nicht.

Lehmann: Von Januar bis Mai lief das Geschäft sortimentsübergreifend gut. Der Juni war mau.

Geiger: Die Bäume wachsen nicht in den Himmel, aber zur Panik besteht kein Anlass.

bwd: Dennoch hat sich das Großhandelsgeschäft für Bodenbeläge in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Welche Veränderungen tangieren Sie besonders?

Engelhard: Die größte Veränderung hat sich in den letzten Jahren sicherlich im Sortimentsbereich ergeben. Bei textilen und elastischen Belägen hat eine klare Verschiebung weg von der Rollenware hin zu modularen Belägen wie Teppichfliesen oder Designplanken stattgefunden, und zwar mit erheblichen Auswirkungen auf die Logistik. Wir haben seinerzeit mit dem Einlagern von Rollen und dem Couponservice einen Part der Industrie übernommen. Inzwischen hat der Großhandel die Schneidemaschinen abgebaut und die Rollenlogistik zurückgefahren. Das ist auch eine Folge der Tatsache, dass beispielsweise das Geschäft mit textilen Belägen seit Jahren rückläufig ist. In Zeiten eines schleppenden Abverkaufs kann der Großhandel nicht mehr zig Varianten einlagern. Die Industrie hat darauf reagiert, indem sie verstärkt selbst Abschnitte anbietet.

Martin Geiger: „Man kann heute Vertrieb und Logistik voneinander trennen.“

bwd: Was bedeutet das für den Kunden aus dem bodenlegenden Handwerk?

Engelhard: Im Grunde müssen seine Bestellungen früher bei uns eintreffen. Das allerdings bedeutet, dass sich der Endverbraucher schneller entscheiden muss. In der Regel wird der Bodenbelag als Letztes bestellt und dann wird die Zeit knapp. Vor allem im Privatbereich ist der Handwerker gefordert, seine Kunden im Vorfeld über Lieferfristen zu informieren.

Geiger: Umgekehrt verschieben sich Baustellen immer wieder. Da liegt dann eine bestellte Ware drei Monate bei uns auf Lager. Dafür können wir keine Zinsen verlangen. Aber noch einmal zurück zur Rolle: Der Abbau der Rollen vereinfacht das Geschäft mit Bodenbelägen, doch das ist nur die eine Seite. Auf diese Weise werden auch die Eintrittsbarrieren für den Wettbewerb gesenkt. Man kann heute Vertrieb und Logistik voneinander trennen. Schauen Sie in den LVT-Bereich. Als Importeur kann man den Belag vertreiben, ohne ihn selbst einzulagern. Das übernimmt ein Spediteur.

bwd: Wie schätzen Sie die Perspektive für den Teppichboden ein?

Engelhard: Im Wohnbereich ist die Talsohle noch nicht erreicht. Im Objekt läuft der Textilbelag hingegen immer noch sehr gut bei steigender Nachfrage nach Teppichfliesen. Der Teppichboden ist immer noch ein margenstarkes Produkt, aber man muss nicht mehr das Sortiment vergangener Jahre anbieten. Auf der anderen Seite: Ohne das textile Produkt kann eine Gesellschaft, die immer älter wird, eigentlich nicht leben. Teppichboden bietet Komfort, Trittsicherheit und Schallschutz.

bwd: Welchen Stellenwert haben deutsche Teppichbodenhersteller im Großhandel?

Engelhard: In Summe muss man feststellen, dass bei den deutschen Herstellern das Angebot zunehmend geringer wird. Beispielsweise Großhandelskollektionen von Nordpfeil und Vorwerk, die vom Markt genommen wurden, hinterlassen eine Lücke. Die ausländischen Teppichbodenhersteller aus Belgien, Holland und Frankreich nutzen das aus.

bwd : Nehmen Sie die ehemalige Großhandelskampagne „Teppich & Du“ noch wahr?

Geiger: Seit dem die Teppichboden­image-Kampagne beim Zentralverband für Raum und Ausstattung angesiedelt ist, sehe ich darin mehr Bewegung. Über die Wirkung der Kampagne kann ich schwer ein Urteil fällen. In der Regel kann man mit einer Gattungswerbung allerdings nicht gegen Trends ankämpfen. Hier müsste ganz viel Geld investiert werden.

bwd: Der Teppichboden ist in der Tat kaum mehr im täglichen Leben sichtbar.

Geiger: Was Sie sehen, sind Holzdekore. ­Inzwischen sogar bei den keramischen Fliesen. Die Designbelagsanbieter nehmen inzwischen nicht mehr nur dem Teppichboden oder Laminat die Marktanteile weg. Sie wollen mit entsprechend härteren ­Belägen auch der keramischen Fliese ­Anteile abtrotzen.

Christina Engelhard: „Die heutige Generation an Fachberatern hat das textile Produkt gar nicht mehr erlebt.“

bwd: Angesichts der Designbelag-Hypes fragt man sich, ob am POS überhaupt noch textile Beratungskompetenz vorhanden ist.

Engelhard: Wir müssen inzwischen verstärkt Teppichboden-Praxisseminare für Berater anbieten. Die heutige Generation an Fachberatern hat das textile Produkt gar nicht mehr erlebt. Tatsache ist: Man verkauft nur das, was man kennt. Auf der anderen Seite sind unsere Kunden Handwerker, die bereits einen Auftrag in der Tasche haben. Und wenn der Bodenleger keinen Auftrag über ein textiles Produkt besitzt, werden wir ihn auch nicht umswitchen können. Vielleicht benötigen wir künftig Teppichboden-Influencer.

Geiger: Die Branche verliert keinen. Aus den Teppichbodenverkäufern von früher sind erst Laminatverkäufer und heute LVT-Verkäufer geworden. Die suchen sich ihre Bezugsquelle und drücken dann die Produkte in den Markt. Wir dürfen nicht vergessen: Der Gesamtmarkt für Bodenbeläge wächst ja nicht. Und wenn wie beim LVT das Angebot schneller wächst als der Markt, führt das bekanntlich zu Preisdruck und Margendruck.

bwd: Sieht fast so aus, als verkaufe sich LVT von alleine.

Geiger: So einfach ist das nicht. LVT ist nicht gleich LVT. Gerade bei Klickvarianten verlangt ein zunehmend unüberschaubar gewordener Markt nach Beratungskompetenz. Hier gibt es gravierende Unterschiede in Qualität und Preis.

Engelhard: Der Handwerker arbeitet gerne mit LVT, aber gerade er benötigt Argumente für das Verkaufsgespräch. Ein Kunde, der beim Handwerk kauft, will einen Boden, der mehr kann als der, den er im Baumarkt findet. Dafür gibt der Kunde auch mehr Geld aus. Aber der Handwerker muss in der Lage sein, seine Höherpreisigkeit zu argumentieren. Genau diese Argumente wollen wir ihm in kombinierten Produkt- und Verlege­schulungen des Großhandels an die Hand geben.

bwd: Einen nicht unerheblichen Marktanteil haben auf Verarbeiterseite heute die sogenannten mobilen Generalisten. Hat der Großhandel Zugriff auf diese Ziel­gruppe?

Geiger: Mobile Generalisten sind nicht leicht zu greifen. Aber wenn sie als Großhändler eine ordentliche Dienstleistung anbieten, beispielsweise Ware just in time direkt auf die Baustelle liefern, schätzen das vor allem auch die Verarbeiter ohne Lager oder Ladengeschäft. Unser Außendienst ist gefordert, Kunden aus dieser Zielgruppe zu identifizieren. Aber auch das Internet spielt hier natürlich eine Rolle.

Niels Ehme Lehmann: „Früh morgens Ware auf die Baustelle liefern, das können Amazon und Co. nicht.“

bwd: E-Commerce-Themen stehen beim Großhandel seit geraumer Zeit auf der Agenda. Spielt das Online-Geschäft im Großhandel tatsächlich eine Rolle?

Lehmann: Man muss sich mit E-Commerce befassen. Aber anders als vielleicht im Farbenbereich wird E-Commerce im Bodenbelagsgroßhandel noch nicht von vielen Kunden angenommen. Der Einzelhandel ist stark betroffen, keine Frage. Aber für den Großhandel ist die Dienstleistung der Überlebensfaktor. Früh morgens Ware auf die Baustelle liefern, das können Amazon und Co. nicht. Bei diesem Service ist der Großhandel unschlagbar.

Engelhard: Am späten Nachmittag die Ware im Internet zu bestellen und sie am nächsten Morgen auf der Baustelle zu haben, das funktioniert nicht. Hier bieten wir Großhändler klar den besseren Service. Mir kommt es manchmal so vor, als sehen wir vor lauter Hype um das Internet unsere eigenen Stärken nicht mehr. Unsere Kunden schätzen die persönliche Betreuung. Unsere Kunden holen die Ware nach wie vor auch gerne selbst ab. Das Geschäft wird von Menschen gemacht, trotz aller Digitalisierung. Wäre es nicht so, dann bräuchten wir keinen Außendienst mehr.

Lehmann: Der Service, den der Großhandel bietet, wird vielfach unterschätzt und leider dem Großhandelskunden auch von den eigenen Mitarbeitern nicht richtig mitgeteilt. Wir sind ja nicht nur Lieferant, wir sind Problemlöser. Kein anonymes Call-Center, sondern ein reaktionsschneller Problemlöser mit jahrelang vertrauten Bezugspersonen.

bwd: Aber selbst wenn der Kunde nicht im Netz bestellt, so sucht er dort doch gezielt nach dem billigsten Preis.

Engelhard: Es ist inzwischen so, dass wir uns alle zuerst im Internet informieren. Das Problem ist, dass im Netz oft falsche und unrealistische Preise stehen. Der preissensible Endkunde mit seinem Halbwissen kann das häufig nicht richtig einschätzen und übt Druck auf den Handwerker aus. Dann gibt es Diskussionsbedarf und der bedeutet klar eine Herausforderung für den Handwerker. Es bleibt deshalb unsere Aufgabe, kompetente Fachberater vorzuhalten, die den Handwerker gerade beim Verkauf beratungsintensiverer Produkte unterstützen.

bwd: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Mit Christina Engelhard, Martin Geiger und Niels Ehme Lehmann sprach bwd-Redakteur Stefan Heinze am Sitz der Rolf Engelhard GmbH in München.