Der interessante Schadensfall aus Österreich Ablösen eines PVC-Homogenbelages War der Estrich vielleicht zu feucht?

Ein PVC-Homogenbelag löste sich einige Wochen nach der Verklebung von dem Anhydritestrich. Was war die Ursache?War der Estrich vielleicht zu feucht? In einer neuerbauten Wohnhausanlage wurde auf einen Anhydritestrich neben anderen Bodenbelägen in den Küchen ein PVC-Homogenbelag verklebt. Nach einigen Wochen wurde das Ablösen und Blasenbildung in zwei Küchen reklamiert. Der hinzugezogene Sachverständige stellte folgenden Befund fest: Die Fußbodenkonstruktion besteht laut Angabe der Bauleitung und dem vorliegendem Schriftverkehr aus: e Deckenkonstruktion/Unterlagskonstruktion, e Trittschalldämmplatten, e Schwimmender Anhydritfließestrich, fünf Zentimeter dick, e Isoliervorstrich, e Zementgebundene Spachtelmasse, e Dispersionsklebstoff, e zwei Millimeter PVC-Homogenbahnenbelag, e Die Nähte (Bahnenkanten) sind gefräst und mit PVC-Schweißdraht verschweißt. Auf einer Fläche von zirka zwei bis drei Quadratmeter wurde der Bodenbelag in Wohnung 2 vom Untergrund abgenommen. Auf der Rückseite des Belages klebt der überwiegende Teil der Spachtelmasse. Sowohl auf der Spachtelmassenrückseite als auch auf der Anhydritestrichoberfläche ist eine leicht puderige Schicht beim Darüberwischen mit der Hand feststellbar. Es sind keine bläulichen Schichten, wie sie beim Vorstreichen mit dem blauen Isoliervoranstrich entstehen müßten, weder am Untergrund noch auf der Spachtelmassenschichtrückseite augenscheinlich feststellbar. Auf der verklebten Restfläche ist der Belag überwiegend vom Untergrund abgelöst und durch eine starke Blasen- und Beulenbildung geprägt. In Wohnung 2 wurde unter einem abgenommenen Belag eine CM-Messung mit 50 Gramm Einwaage vorgenommen. Das Meßergebnis wies 0,5 Prozent aus. Auf die am Belag klebende Spachtelmassenschicht wurde ein Tropfen Wasser aufgebracht. Nach einer Minute war der Wassertropfen eingesogen. Die feuchte Fläche hatte sich etwa verdoppelt. Bei Vergrößerungen unter der Lupe und dem Mikroskop von 1:10 bis 1:120 konnte keine bläuliche Schicht mit einer Quarzabsandung (Isoliervorstrich) festgestellt werden. Die Poren der Estrichoberfläche sind in der Spachtelmassenschicht als Erhöhung vorhanden. Gutachten Um den Sachverhalt beurteilen zu können sind folgende Kriterien heranzuziehen: E Die Verarbeitungsrichtlinien der Hersteller; E Die Regeln des Faches; E Die einschlägigen Normen. Verarbeitungsrichtlinien der Hersteller Die Verarbeitungsrichtlinien des Anhydritfließestrichherstellers sagen im Kapitel 3 Oberflächenbehandlung folgendes aus: e 3.2. Allgemeine Richtlinien I Eine Probeverlegung ist immer dann zu empfehlen, wenn das Zusammenwirken von Belag, Klebstoff, Grundierung und eventuell Spachtelmasse überprüft werden muß. Besonders bei lösungsmittelarmen oder -freien Systemen ist das Saugvermögen des Untergrundes und des Belags sowie die Baustellentemperatur von großer Bedeutung. I Prinzipiell gelten die Angaben der Belaghersteller und Klebstoffhersteller für den zu verwendenden Kleber. Wichtig für den Bodenleger ist die richtige Zuordnung der Grundierung für den jeweils verwendeten Kleber und vorgesehenen Bodenbelag. I Es dürfen nur Grundierungen verwendet werden, denen ausdrücklich vom Hersteller die Eignung für Anhydritestrich bescheinigt werden. e 3.4. Grundierungen, Produktempfehlung L Dampfdichte Beläge ohne Spachtelung: I Tiefengrundierung, I Materialbedarf 150 bis 200 g/m2, I grundsätzlich für alle Belags- und Klebearbeiten geeignet, sofern unter dampfdichten Bodenbelägen keine Spachtelung ausgeführt wird. Zum Beispiel Holzparkett, ableitfähige und antistatische Teppiche mit und ohne Rückseitenbeschichtung, Kunstharzbeschichtungen ohne Spachtelung, PVC, Linoleum. L Dampfdichte Beläge mit Spachtelung: I Grundierharz, I Materialbedarf 200 g/m2, I grundsätzlich für alle dampfdichten Beläge, wenn die Oberfläche gespachtelt werden muß (Aufspachteln bei Übergängen, Sanierungen). Vorgangsweise: I Auftrag von Grundierharz, I feuergetrockneter Quarzsand, Größtkorn 0,5 Millimeter in Grundierharz einstreuen nach Härte des Harzes, I überschüssigen Sand absaugen, I Spachtelmasse auftragen. Eine derart vorbehandelte Estrichoberfläche ist grundsätzlich für alle Klebearbeiten geeignet. e Produktinformation des eingesetzten Isoliervorstriches Vorstrich für saugende, zementgebundene Untergründe: I Die Absperrung von nichtdrückender Restfeuchtigkeit (bis 5 CM%) in zementgebundenen Untergründen; I Abdichtung gegen Oberflächenfeuchtigkeit; I Holzböden, Spanplatten zum Schutz vor Feuchtigkeit bis zur Belegung mit Bodenbelägen; I festliegende, wasserunlösliche Klebstoffreste. Technische Daten (auszugsweise): – Basis: PVDC – Farbe: bläulich – Konsistenz: mittelviskos – Dichte: zirka 1,24 – Verdünnung: Wasser – Auftragsweise: Schaumstoffrolle – Verbrauch: etwa 150 bis 300 g/m2 je nach Einsatz und Verdünnung – Verarbeitung: (Auszugsweise) – Zur Feuchtigkeitssperrung auf zementären Untergründen 1. Aufstrich verdünnt, 2. Aufstrich und 3. Aufstrich konzentriert jeweils im Kreuzgang aufbringen. Der Gesamtauftrag beträgt zirka 600 g/m2. Der 3. Aufstrich ist bei Spachtelarbeiten sofort mit Quarzsand (0,3 bis 0,7 Millimeter) im Überschuß abzusanden. Beim Einsatz von Isoliervorstrich zum Schutz von Oberflächenwasser kann absanden entfallen. Eine Feuchtigkeitssperre auf Anhydrit oder Steinholzestrichen ist nicht möglich. Einschlägige ÖNorm Die ÖNorm B 2236/Teil 1 sagt in: e 2.3.4.2.3: Der Vorstrich (Haftbrücke) ist vor Aufbringung der Spachtelmasse und/oder des Klebstoffes vollflächig aufzutragen. Magnesit- und Anhydritestriche müssen immer mit einem Vorstrich versehen werden. Beurteilung Die Einwirkung von Feuchtigkeit aus der Deckenkonstruktion oder aus dem Estrich ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, da sonst vor allem der in den angrenzenden Räumen verlegte Mosaikparkettboden Schäden aufweisen müßte. Der zulässige Feuchtigkeitswert für Parkettböden ist laut Angabe der technischen Richtlinien des Anhydritestrichherstellers nur halb so hoch wie bei elastischen Bodenbelägen, nämlich 0,3 Prozent. e Der eingesetzte Vorstrich (Isoliergrund) ist laut Produktinfo des Erzeugers nicht für diesen Einsatzzweck geeignet. e Die vom Anhydritestrichhersteller vorgeschriebenen Richtlinien wurden nicht eingehalten wie: 1. Im Zweifelsfalle Probeverlegung. 2. Es dürfen nur Grundierungen verwendet werden die ausdrücklich vom Hersteller eine Eignung für Anhydritestriche bestätigt haben. 3. Bei Spachtelung mit zementgebundener Spachtelmasse Vorstrich mit Reaktiongrundierharzen und absanden mit Quarzsand. Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen: Augenschein vor Ort, Wasserbeaufschlagung, mikroskopische Untersuchung, konnte kein Vorhandensein einer funktionierenden Grundierungsschicht festgestellt werden. Dafür sprechen auch die mikroskopisch ausgebildeten Poren der Spachtelmassenschicht, die als Erhöhungen ausgebildet sind. Bei Aufbringung einer Grundierung von 200 g/m2 müßte diese die feinen Poren geschlossen haben. Die Schadensursache ist im Nichteinhalten der Richtlinien der Erzeuger und in der mangelnden bzw. im Nichtvorhandensein der Grundierung gelegen.