Bauverzögerung durch Corona-Krise: Was bei Lieferengpass und Baustopp zu beachten ist

Was tun bei Lieferengpässen, nicht haltbaren Bauzeiten, verordnetem Baustopp? Wie schützen Sie sich als bodenlegender Handwerker vor Ansprüchen des Auftraggebers (AG), wenn keine Baumaterialien mehr zu beschaffen oder die überwiegende Zahl der Mitarbeiter die häusliche Quarantäne vorzieht und deshalb die vereinbarten Bauzeiten nicht zu halten sind? Was tun, wenn die Handwerksbetriebe ein behördlich verordneter „Baustopp“ ereilt?

  • Bild 1 von 2
    Schaukasten Corona Kiermeier
    © PFGC
  • Bild 2 von 2
    Schaukasten Corona Kiermeier
    © PFGC

Das Corona-Virus beherrscht das Tagesgeschehen. Täglich kommen neue Meldungen von Einschränkungen des öffentlichen Lebens, dos und don’ts des Infektionsschutzes sind die Gebote der Stunde. Bislang laufen die Baustellen normal weiter, ob das so bleibt, weiß niemand. Ein Blick nach Österreich zeigt, dass Unternehmen wie Strabag und Porr den Baubetrieb bereits eingestellt haben. Insgesamt scheinen Bauzeitverzögerungen nicht ausgeschlossen.

Ein Überblick über die Rechtslage und sinnvolle Vorgehensweisen, falls es so kommt, finden Sie im Folgenden:

Vertragliche Regelungen

Wie immer hilft zunächst ein Blick in den geschlossenen Vertrag.

In der Regel sorgen die Parteien mit vertraglichen Regelungen für die Risiken vor, die ihrer Erfahrung nach eintreten können. Die Corona-Krise und die damit einhergehenden Betriebsschließungen oder Baustopps sind bisher wohl einzigartig und kommen im Erfahrungsschatz der Parteien deshalb nicht vor. Sollte der Bauvertrag Vereinbarungen zu "höherer Gewalt" enthalten, so wäre zu prüfen, ob diese Vereinbarung sinngemäß für die aktuelle Situation passen. Wenn ja, dann beurteilt sich die weiteren Ansprüche nach den vertraglichen Vereinbarungen. Wenn nicht oder wenn keine Vereinbarungen zu höherer Gewalt getroffen wurden, kommt es auf die gesetzlichen Regelungen und diejenigen der VOB/B an.

Grundsatz in der VOB/B

Danach ist der Auftragnehmer (AN) im Grundsatz für Bauzeitverzögerungen verantwortlich, die er zu vertreten hat, beispielsweise unzureichende Koordination der Mitarbeiter oder Materialbeschaffung. In diesen Fällen steht dem AG gegen den AN ein Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Verzögerungsschadens zu.

Anders ist die Lage zu beurteilen, wenn ein Fall von sog. „höherer Gewalt“ vorliegt. Dann greift § 6 Abs. 2 VOB/B zu Gunsten des AN, wonach die Ausführungsfristen zu verlängern sind und dem AG gerade kein Schadensersatzanspruch zusteht. Nicht jeder Verzug, der zeitlich mit der Corona-Krise zusammenfällt, ist aber ein Fall von höherer Gewalt.

Höhere Gewalt liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn ein unvorhersehbares, unvermeidbares und von außen kommendes Ereignis auf den Bauablauf einwirkt. Entsteht also die Verzögerung auf Grund von höherer Gewalt oder ist sie sonst unvermeidbar, dann ist der AN dem AG nicht zum Ersatz des Verzögerungsschadens verpflichtet.

Quarantäne und Betriebsschließungen als Fälle Höherer Gewalt

Höhere Gewalt ist demnach einschlägig, wenn aufgrund behördlicher Anordnungen die Baustelle des AG oder der Betrieb des AN geschlossen wird oder seine Mitarbeiter in Quarantäne geschickt werden.

Der AN ist in einem solchen Fall nicht verpflichtet, Werkleistung, deren Erbringung er mit eigenen Mitarbeitern geplant hatte, vollständig durch dritte Unternehmen durchführen zu lassen.

Anders hingegen, wenn nur einzelne Mitarbeiter ausfallen, in diesem Fall spricht viel dafür, dass sich der AN auf die Suche nach Ersatz, und sei es durch Subunternehmer, machen muss. Ob das erfolgreich ist oder nicht, in jedem Fall ist der AN gut beraten, seine Bemühungen auf der Suche nach Ersatz zu dokumentieren, damit er dem AG später nachweisen kann, dass Ursache die Verzögerung tatsächlich die Corona-Krise war und die Verzögerung unvermeidbar war.

Materialengpässe als Fälle Höherer Gewalt

Höhere Gewalt könnte auch dann vorliegen, wenn Baumaterialien nicht rechtzeitig beschafft werden können, weil sie vom Handel nicht geliefert werden. Für die Haftungsfreistellung ist dann entscheidend, ob der AN nicht doch, beispielsweise bei einem anderen Händler oder zu einem höheren Preis, die benötigten Materialien beschaffen könnte. Der AG könnte einwenden, ob sich bei vorausschauender Planung nicht aufgedrängt hätte, dass sich die Lieferzeiten für Baumaterialen verlängern könnten. Denn grundsätzlich ist es Pflicht des AN, sich bei den Lieferanten über Lieferzeiten und/oder Engpässe zu erkundigen.

Behinderung

Sollte der AN in der Ausführung seiner Werkleistung behindert sein, weil das Vorgewerk nicht rechtzeitig fertig wird, dann liegt kein Fall höherer Gewalt vor. Vielmehr empfiehlt es sich in einem solchen Fall wie immer, dem AG die Behinderung und den Grund dafür schriftlich anzuzeigen.

Sonderkündigungsrecht bei 3-monatigem Stillstand

Steht Baustelle mehr als 3 Monate still, gibt es für den AN die Möglichkeit der Sonderkündigung des geschlossenen Vertrags nach § 6 Abs. 7 VOB/B. Davon Gebrauch zu machen erscheint dann sinnvoll, wenn die Gefahr besteht, dass die Verzögerung auf der betroffenen Baustelle zu Verzögerungen bei der Abarbeitung der Folgeaufträge auf einer anderen Baustelle führt. Durch die Sonderkündigung ließe sich die „Infizierung“ des gesamten Jahreszeitplans vermeiden.

Empfehlungen

Wenn Sie als AN derzeit neue Bauverträge schließen, empfiehlt es sich, darauf zu achten, dass die Corona-bedingten Auswirkungen auf den Bauablauf in einen solchen Vertrag Einzug halten. Auf was genau Sie sich im Rahmen sog. Corona-Klauseln einlassen sollten und worauf besser nicht, ist von dem individuellen Bauvorhaben abhängig.

Im Moment ist es ratsam, sollten sich Corona-bedingte Verzögerungen andeuten, mit dem AG das Gespräch zu suchen. Fragen Sie gezielt Lagerbestände und Lieferzeiten bei den Händlern ab, klären Sie ggf. mit dem AG ob und ggf. wo Material (absperrbar) gelagert werden könnte und wie sie die Kosten verteilen. Sinnvoll ist es immer, Ihre Aktivitäten zu dokumentieren, sei es die Suche nach Mitarbeitern oder die Suche nach Materialien, damit die Anstrengungen auch dann noch nachweisbar sind, wenn der AG nach Abschluss des Bauvorhabens Schadensersatz wegen Verzögerung fordert.

Anna Kiermeier ist Rechtsanwältin und Mitglied der PFGC, Peters Fleschutz Graf v. Carmer Kääb Rechtsanwälte Steuerberater Partnergesellschaft mbB, München