Bundesverband Großhandel Heim & Farbe (GHF) Jahreshauptversammlung 2015 in Berlin - Vergleichsweise wenig Probleme"> Bundesverband Großhandel Heim & Farbe (GHF) Jahreshauptversammlung 2015 in Berlin Vergleichsweise wenig Probleme

Ordentliche Umsatzzuwächse über nahezu alle Sortimentsbereiche sorgen in Berlin für eitel Sonnenschein im Großhandel. Mit Christina Engelhard führt nach den turnusmäßigen Wahlen erstmalig eine Frau den Vorsitz im GHF.In Berlin ist vieles historisch und nahezu alles politisch. Mit einem Augenzwinkern, wenn man so will, rückblickend auch die diesjährige GHF-Jahreshauptversammlung, der turnusgemäß die Vorstandswahlen vorausgingen und die „historisch“ mit Christina Engelhard erstmalig eine Frau an die Spitze des Großhandelsverbandes brachte. Eberhard Liebherr, der den GHF über sechs Jahre geführt hat, trat aus privaten Gründen nicht mehr für den Vorsitz an. Und so blieb es der eben erst ins Amt gewählten Großhändlerin aus München vorbehalten, mit Wolfgang Kubicki, dem stellv. Bundesvorsitzenden der FDP, gleich einen medienwirksamen Politiker auf die Bühne zu bitten. Quasi zur Einstimmung sprach der brillante Rhetoriker dann erwartungsgemäß weniger über den Großhandel als vielmehr zur Lage der Nation oder genauer: über die unzulängliche Regierungsarbeit der Koalition. Mit sarkastischen Seitenhieben spannte er den Bogen von der falschen Asylpolitik über den vernachlässigten Ausbau der Infrastruktur bis hin zu einer verfehlten Bildungspolitik. Ja ist denn schon wieder Wahlkampf? Und jetzt die FaktenVerglichen mit den vermeintlich großen Problemen unseres Landes geht es dem Großhandel für Bodenbeläge und Raumausstattung richtig gut. „Mit einem Umsatzplus von vier Prozent über alle Sortimente war 2014 ein sehr gutes Jahr“, bilanzierte Geschäftsführer Jürgen Wagner in seiner Rede zur Lage des GHF das zurückliegende Kalenderjahr. Die Entwicklung im ersten Halbjahr 2015 verlaufe zwar nicht mehr so dynamisch, aber mit einem Plus von 2,8 Prozent immer noch ordentlich. Der Textilbelag bleibe mit einem Umsatzrückgang von 2,2 Prozent zwar eine umsatztechnische Baustelle. Immerhin zeigt der Vergleich zum Vorjahr, dass sich der Abwärtstrend deutlich abgeschwächt hat (vgl. Grafik: „Die Umsatzentwicklung der Großhandelssortimente im Vergleich). Hier dürfte sich, so Wagner, bemerkbar machen, dass der Teppichboden nicht zuletzt dank der vom Großhandel initiierten Imagekampagne „Teppich & du“ (vgl. Seite 26) wieder mehr im Gespräch ist. Analog zu den Umsatzentwicklungen der Industrie bilanziert der Großhandel bei Parkett und Laminat mit einem Zuwachs von 0,6 Prozent ein nicht zufriedenstellendes Ergebnis, wogegen es bei den elastischen Belägen mit einem erneuten Umsatzplus von 7,0 Prozent entsprechend gut läuft. Auch Kleber und Spachtelmassen sowie Werkzeuge können im Umsatz gegenüber dem Vorjahresvergleichszeitraum zulegen. Ob man mit seinem Unternehmen auf Kurs liegt, erschließt sich für die GHF-Mitglieder unter anderem auch aus der Umsatzentwicklung pro Mitarbeiter. Diese Kennzahl liegt im Großhandel für Bodenbeläge und Heimtextilien im ersten Halbjahr 2015 nach Einschätzung des Kölner Intitutes für Handelsforschung (IfH) bei 159.702 Euro und damit um 1,5 Prozent unter dem Vorjahresvergleichswert. Wagner appelierte an die GHF-Mitglieder, mehr Gebrauch von dem von IfH angebotenen Unternehmensvergleich zu machen. Dieser biete „mehr Sicherheit für moderates Geld“. Eine vernünftige Datenbasis sei das A und O einer verlässlichen Planung. Rentiert sich die Nähe zum Kunden?Kein neues Phänomen stellt die weiter auseinandergehende Schere zwischen GHF-Mitgliedern und Niederlassungen dar. Binnen zehn Jahren sind die Großhandelszentralen um 30 Prozent von 128 auf 89 zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum stieg die Anzahl der Niederlassungen um 65 Prozent von 352 auf 581. Diese Nähe zum Kunden gehe, so Wagner, auf Kosten der Rentabilität und wirke sich in einem Markt, der nicht wächst, auf Kalkulation und Preise aus. Und Wagner weiter: „Wenn Spannen unter Druck geraten, wird zwangsläufig die Freundschaft zwischen Industrie und Handel strapaziert.“ Nähe zum Kunden, dieses Thema dürfte mit Blick auf den Internethandel in den kommenden Jahren weiter an Brisanz gewinnen. Weil diese Herausforderung Thema in einer von Handwerkern dominierten Branche nach Ansicht Wagners etwas zurückhaltend behandelt wird, wollte man es in Berlin prominent auf die Agenda setzen. Der Online-Stratege Marcus Diekmann (Shopmacher eCommerce) erteilte den Skeptikern des Online-Handels für Teppichböden und Co. eine klare Absage. Alle Artikel ließen sich online verkaufen. Seine provokante Behauptung vor diesem Hintergrund: „Der Großhandel ist unnütz, wenn ich online wettbewerbsfähig sein will.“ Diekmann prophezeite denn auch: „Jeder zweite Großhändler stirbt.“ Künftig werde das Geld ausschließlich mit Service und Montage verdient. Dick auftragenProvokationen wie diese gehören zum Repertoire von Marcus Diekmann ebenso wie von Philipp Riederle. Gerade mal 20 Jahre alt tritt der Jungspund an, gestandenen Managern die Leviten zu lesen. Der „führende digitale Kopf Deutschlands“ konfrontierte das Auditorium mit dem Wertekatalog der Generation Y, und damit jener Zielgruppe, die als Nachwuchs auch in der Boden- und Raumausstattungsbranche heiß begehrt ist. Gute Nachwuchskräfte werde nur bekommen, wer die Jugend von heute akzeptiert wie sie ist und auf ihre Wertvorstellungen, oder sagen wir besser Befindlichkeiten, Rücksicht nimmt. So muss man Riederles Credo wiedergeben. Im Grunde also ein klassisches Generationenproblem, könnte man meinen. Die spannende Frage, wie die diesjährigen GHF-Jubilare die Situation einschätzen, wurde leider nicht gestellt. Die Hoegner Comp aus Rosenheim feiert ihren 260. Geburtstag und die Gebr. Lotter KG in diesem Jahr ihr 175-jähriges Bestehen. Firmen wie diese haben im Laufe ihrer Geschichte offenbar immer wieder die Zeichen der Zeit erkannt. Das sollte nicht dazu verleiten, vor den Herausforderungen der Zukunft die Augen zu verschließen. Mut machen sollte es aber allemal.