Aktuelle Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts bringen Bewegung in das Urlaubsrecht. Nun ist klar, der Resturlaub eines Verstorbenen muss an die Erben ausgezahlt werden und Sonderurlaub verkürzt nicht den gesetzlichen Urlaubsanspruch.
Urlaub wird oft mit Verreisen in Verbindung gebracht. Und auch im Urlaubsrecht ist Bewegung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte bereits am 7. August 2012 entschieden, dass ein wegen – andauernder – Krankheit nicht genommener Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubs- beziehungsweise Kalenderjahres verfällt.
Keine Kürzung des gesetzlichen Urlaubs wegen Sonderurlaubs
Das BAG musste aktuell über den Fall einer Krankenschwester befinden, die nach einem neunmonatigen Sonderurlaub am 30. September 2011 ausschied und auf der Abgeltung, das heißt Auszahlung, von 15 Urlaubstagen bestand. Das Gericht gab der Arbeitnehmerin recht (BAG v. 06.05.2014, Az.: 9 AZR 678/12) und entschied, dass der von den streitenden Parteien vereinbarte Sonderurlaub dem Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs nicht entgegensteht. Die beklagte Universitätsklinik sei auch nicht zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt.
Bezahlter Erholungsurlaub
Die Begründung des Gerichts: Jeder Arbeitnehmer hat nach dem Bundesurlaubsgesetz in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Dies ist unabdingbar. Der volle gesetzliche Urlaub beträgt 24 Werktage je Kalenderjahr, was vier Wochen Urlaub entspricht. Das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs setzt nach dem Gesetz nur voraus, dass das Arbeitsverhältnis rechtlich besteht und einmalig die so genannte Wartezeit von sechs Monaten zurückgelegt ist. Das Gesetz bindet den Urlaubsanspruch damit weder an eine Arbeitsleistung durch den Mitarbeiter noch ordnet es die Kürzung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses an.
Dem steht nicht entgegen, dass andere Gesetze für den Arbeitgeber zum Teil die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs vorsehen – so zum Beispiel bei Elternzeit oder Wehrdienst. Die Vereinbarung eines unbezahlten Sonderurlaubs beziehungsweise des Ruhens des Arbeitsverhältnisses berührt den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht und steht damit dem Entstehen des Urlaubsanspruchs nicht entgegen.Das Urteil wird über die konkrete Fallkonstellation hinaus Bedeutung erlangen. Gewährt ein Arbeitgeber seinem Mitarbeiter mehr als den gesetzlichen Urlaub und gesteht er ihm unbezahlten Sonderurlaub zu, ist die Vereinbarung einer Urlaubskürzung zu empfehlen.
Vereinbarung ratsam
Die einzelvertragliche Vereinbarung, dass der Urlaub für die Zeit des Ruhens des Arbeitsverhältnisses anteilig zu kürzen ist oder dass der in der Zeit des Ruhens erworbene Urlaubsanspruch anteilig als erfüllt gilt, wird allerdings nur in Bezug auf Urlaubsansprüche wirksam sein, die über den gesetzlichen Urlaub hinausgehen. Besteht Tarifbindung, muss sich eine Urlaubskürzung aus dem Tarifvertrag ergeben. Entsprechende Kürzungsregelungen im Tarifvertrag können jedoch den gesetzlichen Urlaubsanspruch nicht reduzieren.
Verstirbt ein Mitarbeiter, ist Resturlaub an die Erben auszuzahlen
Stirbt ein Arbeitnehmer, bevor er seinen Urlaub genommen hat, muss der Arbeitgeber jedenfalls den dem Verstorbenen zustehenden gesetzlichen Mindesturlaub an die Erben auszahlen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des Landesarbeitsgerichts Hamm (EuGH v. 12.06.2014, Az.: C-118/13). Das Urteil ändert die Rechtslage in Deutschland.
Denn nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG (v. 20.09.2011, Az: 9 AZR 416/10) erlosch der Urlaubsanspruch mit dem Tod des Arbeitnehmers und der Urlaubsanspruch wandelte sich auch nicht in einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs um.
Grundsatz des Sozialrechts
Nach Ansicht des EuGH ist der Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts. Bei den Ansprüchen auf Jahresurlaub und auf Bezahlung während des Urlaubs handele es sich um zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs, so der EuGH. Auch im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Mitarbeiters sei ein finanzieller Ausgleich unerlässlich, um die praktische Wirksamkeit des Urlaubsanspruchs sicherzustellen.
Der unwägbare Eintritt des Todes des Arbeitnehmers dürfe daher nicht rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub führen. Die Urlaubsabgeltung hängt nach dem EuGH-Urteil in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt hat. Das EuGH-Urteil bezieht sich auf den bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen, der in der Arbeitszeitrichtlinie der EU seine Grundlage hat.
Die Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH unter curia.europa.eu veröffentlicht.