Der interessante Schadensfall: Wenn das Erscheinungsbild nicht den Erwartungen entspricht Ungleich im Großen wie im Kleinen

Der Auftrag: den leicht geschädigten Boden abschleifen und neu pigmentieren. Doch dann sieht das Parkett plötzlich nicht mehr so aus wie vorher – und der Bauherr zürnt. Dabei hätte sich der Verleger viel Ärger und einen herben finanziellen Verlust ersparen können.Ungleich im Großen wie im Kleinen Der weißpigmentierte Eichenzweischichtboden mit Fase und im Leitermuster verlegt, war in Mitleidenschaft gezogen. Im Bad hatte es einen Rohrbruch gegeben, das Wasser war unter der Tür durchgelaufen und hatte auf einer Fläche von etwa drei Quadratmeter das Parkett beschädigt. Die Versicherung übernahm den Leitungsschaden und auch der Parkettboden wurde saniert. Abschleifen und neu versiegeln inklusive Pigmentieren, befand der großzügige Schätzer der Versicherung, das sei die angemessene Art der Schadensbeseitigung, der zirka 60 Quadratmeter großen Fläche. Da sich von der geschädigten Fläche der gesamte Boden des riesigen Wohnzimmers bis hin zum gegenüberliegenden Fenster anschloss, wäre eine Teilreparatur nicht möglich, hieß es im Gutachten des Versicherers durchaus nachvollziehbar. Schadenshergang Der Boden wurde abgeschliffen und weiß pigmentiert. Der Verleger war mutig und sagte: „Das bekomme ich genauso schön hin, wie es vorher gewesen ist.“ Da hatte er sich allerdings ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt. Der Parkettboden wies nämlich eine werkseitig pigmentierte Oberfläche auf, die jetzt handwerklich nachzustellen war, – und das bei vorhandenen Fasen. Die waren nahezu drei Millimeter tief und jeweils nur an den Längsseiten eingefräst. Der Verleger schliff also zunächst den Boden in mehreren Arbeitsgängen maschinell durch. Das Bild der verringerten Fasen schien durchaus noch akzeptabel, zwar gab es einige Tiefenunterschiede, aber das war zunächst kaum zu sehen. Das Wiedereinfärben hatte sich der Verleger leichter vorgestellt. Er hatte sich ein Farbkonzentrat besorgt, dieses einem Ölkunstharzsiegel zugegeben und sorgfältig gemischt. Den Auftrag machte er dreifach, mit jeweils gleicher Mischung von Lack und Farbe. Er trug die Versiegelung nicht mit einer Rolle, sondern mit einen stabbreiten Flächenstreicher Stab für Stab einzeln auf, die querliegenden Stäbe jeweils in anderer Richtung. Nach dem ersten Auftrag war das Bild noch scheckig, nach dem zweiten besser und nach dem dritten ganz akzeptabel, dachte zumindestens der Handwerker, der sich alle Mühe gegeben hatte. Doch er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Bauherr war ganz und gar nicht zufrieden. „Das Bild hält keinen Vergleich zu dem aus, was ich vorher hatte“, zürnte der. Und damit hatte er gar nicht so Unrecht. Industrieauftrag und handwerkliche Pigmentierung sind eben zweierlei Schuhe. Die Arbeit wurde so nicht akzeptiert. Der Handwerker schlug einen weiteren Lackauftrag im Rahmen einer Nachbesserung vor, führte diesen auch aus, stand aber danach vor dem gleichen Dilemma. Es kam zum Streit, denn der Auftraggeber bestand darauf, einen Boden zu erhalten, wie er ihn vorher auch gehabt hatte. Ein Gutachter wurde beauftragt, eine Stellungnahme zu erarbeiten und eventuell bei einer Entscheidungsfindung zu helfen. Schadensanalyse Dem Sachverständigen fiel natürlich auch das ungleichmäßige Farbbild sofort ins Auge. Wenn man genau hinschaute, war jeder Pinselstrich erkennbar. Das Erscheinungsbild war insgesamt wolkig. Insbesondere die nicht tiefengleichen Fasen kamen sehr ungleich zum Vorschein, weil das weiße Pigment sich dort gesammelt hatte und nicht mehr transparent, sondern deckend erschien. Der Gutachter kannte das Fabrikat im Original und ihm war klar, dass das, was er hier vorfand, davon reichlich abwich. Andererseits suchte er nach Argumenten für den Verleger und befand zu Recht, dass ein normaler Parkettboden, der im Laufe der Nutzung abgeschliffen und neu versiegelt werden müsse, auch nach einem Neuauftrag einer Versiegelung ein verändertes Bild aufweist. Das gelte ganz besonders für industriell gefertigtes Mehrschichtparkett mit werksmäßiger UV- Versiegelung. Und auch technisch sei keine Minderung eingetreten, im Gegenteil: Der jetzt viermal vorgenommene Auftrag würde für eine längere Lebensdauer sorgen als der vorherige Industrielack. Ein Hinweis, dass so etwas passieren kann, wäre jedoch im Vorfeld erforderlich gewesen. Der war jedoch nicht gekommen, zumindest nicht schriftlich nachweisbar. Maßnahmen Auf die Frage, wie der Boden zu sanieren sei, gab es für den Sachverständigen nur eine Antwort. Das Erscheinungsbild war gestört, und das in einzelnen Teilbereichen sowie auch die gesamte Fläche betreffend. Der Boden musste raus und durch einen neuen, werksmäßig pigmentierten ersetzt werden. Der Gutachter kannte zwar die technischen Möglichkeiten, Fasen nachzuarbeiten, wie zum Beispiel mit einer Fußbodenfräse und speziellem Fräsblatt. Und auch das Pigmentieren mit einem Farböl und anschließender Lackierung würde sehr viel bessere Ergebnisse bringen als mit einer eingefärbten Versiegelung, aber das Kind war nun einmal schon in den Brunnen gefallen. Ein weiterer Abschliff wäre ebenfalls von Nöten gewesen, bei dem Mehrschichtparkett mit der etwa vier Millimeter dicken Nutzschicht würde man sich dann auch über eine Wertminderung unterhalten müssen, andere Risiken einmal ganz ausgenommen. Es lag auf der Hand: Der gesamte Boden musste ausgetauscht werden. Und der Verleger musste bluten.-