Während der Ausbildung für einen kurzen Zeitraum ins Ausland gehen? Das geht! Mit einem Erasmus+-Stipendium können Azubis ein Praktikum im Ausland machen. Raumausstatterin Jenny Middeke (23) nutzte die Chance.

Egal ob Portugal, Norwegen oder Kreta - viele junge Erwachsene zieht es während ihrer Ausbildung ins Ausland. Aber wusstest Du, dass das auch während deiner Berufsausbildung im bodenlegenden Handwerk möglich ist? Seit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) im Jahr 2005 haben Auszubildende die Option ein Praktikum im Ausland zu absolvieren. Einen Rechtsanspruch auf einen Auslandsaufenthalt gibt es jedoch nicht.
Um internationale Praxisluft schnuppern zu dürfen, müssen Berufsschule, Arbeitgeber und Handwerkskammer eine Zustimmung erteilen. Bei einer dreijährigen Ausbildung beträgt die maximale Praktikumsdauer neun Monate. Im Schnitt sind die meisten Auszubildenden drei bis sechs Wochen unterwegs. Eine von ihnen ist Jenny Middeke. Die gelernte Raumausstatterin war in ihrem dritten Lehrjahr für drei Wochen auf Mallorca.
„Ich wurde in der Berufsschule auf das Erasmus+-Stipendium aufmerksam“, erzählt Middeke. Mit dem Stipendium werden unter anderem Praktika im europäischen Ausland während der Ausbildung gefördert.
Keine Frage des Geldes dank Erasmus+-Stipendium
Natürlich stellt sich mit zuerst die Frage nach den Kosten: Die Ausbildungsvergütung wird während des Praktikums weitergezahlt, da der Aufenthalt ein Teil deiner Ausbildung ist. „Ich musste eine kleine Anzahlung von weniger als 200 Euro leisten. Den Betrag habe ich später wieder zurückbekommen. Ebenso wie das Geld für die Flüge und Bustickets“, erzählt die Raumausstatterin. Über Erasmus+ werden Fahrt- und Aufenthaltskosten gefördert. Aufwendungen für Ausflüge, Nahrungsmittel und Co. müssen selbst getragen werden.
Die Höhe des Stipendiums richtet sich nach dem Land und der dortigen Aufenthaltsdauer. Zudem hat der Arbeitgeber die Option, Kosten ganz oder teilweise zu übernehmen.
Auch die Frage der richtigen Versicherungen sollte bei einem Auslandspraktikum bedacht werden. Für Azubis, die während ihrer Ausbildung ins Ausland gehen, gibt es bei einigen Anbietern günstige Versicherungspakete. Jedoch sollte der Versicherungsschutz mindestens eine Kranken- und Haftpflichtversicherung umfassen.
Während des Praktikumszeitraums ist es nicht erlaubt Urlaub zu nehmen, da dies den Unfallschutz im Falle eines Arbeitsunfalls aufheben könnte sowie die Förderfähigkeit über das Stipendium.
Praktikum mit Erasmus+ ist in jedem europäischen Staat möglich
Du warst noch niemals in Bukarest oder auf Korsika? Ein Praktikum mit Erasmus+ ist prinzipiell in jedem europäischen Staat möglich. Zusammen mit der Berufsschule und dem Ausbildungsbetrieb wird das Praktikum geplant. Azubis wird empfohlen, den Aufenthalt in den Zeitraum nach der Zwischenprüfung zu legen. „Ich hatte mir Spanien ausgesucht. Der Rest wurde über meine Berufsschule geregelt“, sagt Middeke. Ist während des Auslandsaufenthalts Berufsschule, müssen die versäumten Lerninhalte eigenständig nacharbeitet werden.
Den Blick in der Ferne weiten
Vielleicht sprichst Du schon die Landessprache oder möchtest eine neue Sprache erlernen? Während des Praktikums besteht nicht nur die Möglichkeit, Land und Leute kennenzulernen, sondern auch Sprachkenntnissen aufzufrischen oder sogar zu erwerben. „Ich musste vorab einen Englisch-Sprachkurs belegen und mit einem Test nachweisen, dass sich meine Kenntnisse verbessert haben. Ein bisschen Spanisch habe ich mir dann auf Mallorca selbstständig beigebracht“, erzählt die Raumausstatterin.
Neben einer neuen Sprache erlernt man während des Aufenthalts aber eventuell auch neue berufliche Kenntnisse, die nützlich sein könnten für die anstehende Abschlussprüfung. Langfristig gesehen, sieht ein Praktikum im Ausland auch auf einem Lebenslauf gut aus. Mit den gesammelten Erfahrungen macht man sich als Bewerber bei zukünftigen Arbeitgebern attraktiver. Insgesamt bietet der Aufenthalt die Chance, als junger Erwachsener in seiner Persönlichkeit zu reifen.
„Das Praktikum hat meinen Horizont erweitert.“
Jenny Middeke, Raumausstatterin
Aber auch für deinen Ausbildungsbetrieb hat der kurze Abstecher ins Ausland Vorteile. Mit dem gewachsenen Erfahrungsschatz bist Du als Azubi einen weiteren Schritt in deiner Ausbildung gegangen. Eventuell hast Du Techniken erlernt oder mit neuen Materialien gearbeitet, die in deiner Firma niemand kennt.
Middeke hatte während ihres Praktikums auf Mallorca unter anderem die Möglichkeit bekommen, einen Treppenläufer zu verlegen. Für die damalige Azubine war das eine neue Erfahrung, da sie in ihrem Ausbildungsbetrieb zu dem Zeitpunkt noch nicht mit Teppichböden gearbeitet hat. „Ich habe auf Mallorca von den Mitarbeitern gelernt, viel mit den Augen zu klauen“, schildert Middeke. Zudem sei das Arbeitsklima anders als in Deutschland gewesen. „Die Spanier sind offen und freundlich. Sie haben Spaß bei der Arbeit und machen öfters mal eine Pause.“
Fernab der Arbeit hatte die junge Sylterin auch Zeit, die Insel zu erkunden und an den Strand zu gehen. Middeke ist mittlerweile seit letztem Jahr Gesellin und arbeitet seit einigen Monaten ebenfalls wieder auf Mallorca. Sie empfiehlt, allen Azubis die Chance zu nutzen mit Erasmus+ ins Ausland zu gehen.