Triale Ausbildung Studium und Lehre in einem

Den Gesellenbrief, den Meisterbrief, den Betriebswirt im Handwerk und den Bachelor-­Abschluss auf einen Schlag in viereinhalb Jahren. Das bietet die „Triale Ausbildung“. Doch wer bestehen will, braucht vor allem Biss und Durchhaltevermögen.

Die triale Ausbildung: Lehre, Meister und Studium in einem. - © Grafik: bwd; Quelle: Fachhochschule des Mittelstands

Drei Abschlüsse in weniger als fünf Jahren. Möglich macht das die „Triale Ausbildung“. Teilnehmer durchlaufen eine Ausbildung zum Gesellen, die Weiterbildung zum Handwerksmeister, machen den Fachwirt sowie den Betriebswirt im Handwerk und packen oben drauf das betriebswirtschaftliche Bachelor-Studium „Handwerksmanagement“.

Initiiert und entwickelt wurde die Idee der trialen Ausbildung von der privaten und staatlich anerkannten Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Kooperation mit der Handwerkskammer zu Köln (HWK). Etwa viereinhalb Jahre dauert die Ausbildung. Will man alle Abschlüsse auf dem traditionellen Weg erreichen, braucht man alleine für die Lehre mit Meisterabschluss etwa fünf Jahre. Das Bachelorstudium zur Betriebsführung nimmt nochmals drei Jahre in Anspruch. In Summe ist man also acht bis neun Jahre beschäftigt. Die Halbierung dieser Dauer wird durch ein Anrechnungsmodell möglich, bei dem Lehrinhalte in Ausbildung und Studium nicht doppelt behandelt werden müssen.

„Die Grundidee zur trialen Ausbildung ist eine Reaktion auf die Akademikerschwemme. Die Handwerkskammern stellen zunehmend fest, dass Abiturienten nicht mehr ins Handwerk gehen. Gleichzeitig braucht man aber auch hier akademisch ausgebildete Menschen, die zugleich ihr Handwerk verstehen“, erläutert Prof. Dr. Sascha Lord, wissenschaftlicher Leiter der FHM Köln, die Hintergründe.

2010 war der Startschuss des Programms. Damals wurden erstmals 19 Teilnehmer in neun verschiedenen Gewerken ausgebildet. Inzwischen wird die dreifache Ausbildung in 19 Handwerksgewerken angeboten: Für Augenoptiker über Konditoren bis hin zu Zahntechnikern und selbstverständlich auch für Parkett- und Bodenleger. Standorte der FHM, die den Studiengang im Programm haben, sind neben Köln noch Hannover und Schwerin. In Zukunft sollen noch mehr Standorte dazukommen. Das langfristige Ziel ist es, die triale Ausbildung bundesweit anzubieten.

Eine Grundsätzliche Frage

Die Grundfrage, die sich für viele stellt: „Soll ich nach der Schule studieren oder eine handwerkliche Ausbildung machen?“ Das ist besonders dann der Fall, wenn der elterliche Handwerksbetrieb einen Nachfolger sucht. Die meisten Teilnehmer stammen aus einem solchen und beginnen die triale Ausbildung mit dem festen Ziel, eines Tages den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Das kommt gelegen in Zeiten, in denen viele Betriebe massive Nachwuchsprobleme haben. Wenn Sohn oder Tochter einspringen, ist das ein besonderer Glücksfall. Viele Jugendliche und Heranwachsende wollen heute schließlich lieber studieren als einem Handwerk nachzugehen. „Daher treffen wir mit unserem Angebot genau den Puls der Zeit. Wer handwerklich geschickt ist, aber nicht nur eine Lehre machen möchte, dem geben wir eine Möglichkeit an die Hand, mit der er Meister werden kann, ausbilden darf und einen Studienabschluss bekommt“, sagt Sascha Lord. Das Handwerk habe noch immer das Image vom verschmierten Blaumann. Dabei werde übersehen, dass in vielen Bereichen inzwischen Hightech angewandt wird. „Wir machen das Handwerk für Abiturienten wieder attraktiv“, betont er. Mit der Kombination aus Ausbildung und Studium sind junge Menschen zudem für die zukünftigen Herausforderungen der Branche bestens aufgestellt. „Das triale Studium bietet leistungsstarken Jugendlichen mit Abitur in einzigartiger Weise die Möglichkeit, sich auf zukünftige Führungsaufgaben im Handwerk vorzubereiten“, kommentiert auch Hans Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln auf einer Informationswebseite.

Diese grundsätzliche Frage nach Studium oder Ausbildung stellte sich auch für Konstantin Blum aus Kalbach bei Fulda. „Ich habe mein Abitur an einem Wirtschaftsgymnasium gemacht und daher mit einem Wirtschaftsstudium geliebäugelt. Gleichzeitig hatte ich durch den elterlichen Betrieb aber auch die Verbindung zum Parkett und konnte mir vorstellen, irgendwann den Betrieb zu übernehmen oder zumindest in die Branche zu gehen“, erzählt der 24-Jährige. Zunächst suchte er nach einer dualen Lösung, dann aber stieß er in einem Fachmagazin auf die Möglichkeit der trialen Ausbildung und entschied sich dafür.

Durchhalten Ist die Devise

Doch wie sieht das in der Praxis aus? Wer beispielsweise Parkettleger werden will, der durchläuft die übliche Lehre mit Berufsschule die ersten zwei Jahre des Programms in Vollzeit. Dienstagabends gibt es eine Onlinevorlesung. Anschließend sind Auszubildende acht Monate in Teilzeit im Betrieb und haben weiterhin den festen Termin dienstags. Alle zwei Wochen sind sie freitagabends und samstags vor Ort an der FHM – während der Lehre finden die Vorlesungen in der HWK statt. Die Freitagsvorlesung ist über das Internet abrufbar. Daran anschließend folgt für weitere acht Monate ein Vollzeitstudium, bei dem fünf Tage die Woche von neun bis halb sechs Unterricht an der FHM stattfindet. Zudem müssen Teilnehmer die Meisterprüfung an einer Meisterschule ablegen und eine Bachelorarbeit schreiben. Bei Konstantin Blum kam hinzu, dass er nicht in der Nähe seines FHM-Standorts Köln wohnte. „Ich habe bei einem Betrieb in Kassel meine Ausbildung zum Parkettleger gemacht. Alle zwei Wochen bin ich freitags früher in den Feierabend gegangen um nach Köln zur Vorlesung zu fahren. Samstags fuhr ich zu meinen Eltern nach Fulda und sonntags wieder zurück nach Kassel“, erklärt der 24-Jährige, der in dieser Zeit nur alle zwei Wochen ein freies Wochenende hatte.

Um loslegen zu können, müssen Teilnehmer eine Hochschulzugangsberechtigung (klassischerweise das Abitur) nachweisen und einen Eignungstest bestehen. In diesem werden die eigenen Stärken und das Verständnis des Handwerksmanagements im Allgemeinen festgestellt. Zudem gibt es ein Auswahlgespräch. „Pro Jahr haben wir in Köln um die 25 Absolventen – Tendenz steigend. Inzwischen hat sich die Studierendenzahl von etwa 15 im ersten Jahrgang auf 30 verdoppelt. Die Nachfrage ist enorm“, gibt Sascha Lord an. Konstantin Blum betont: „Ich kann die triale Ausbildung auf jeden Fall weiterempfehlen. Allerdings muss man wissen, worauf man sich einlässt. Wenn man wie ich nicht in der Nähe einer teilnehmenden Handwerkskammer und eines FHM-Standorts wohnt, ist die Belastung nochmal deutlich höher. Man braucht viel Durchhaltevermögen und muss es auch wirklich wollen.“ Besonders wertvoll sei vor allem die Handwerksnähe der Lehre, führt er fort. Praxisbeispiele im Studium waren stets aus dem Handwerksalltag herausgegriffen. „Dazu kommt, dass man im Studium auf Auszubildende aus vielen verschiedenen Gewerken trifft und sich mit ihnen austauschen kann.“

Direkt nach seinem Abschluss wurde Konstantin Blum neuer Bauleiter im elterlichen Betrieb. Die triale Ausbildung war eine besondere Herausforderung, doch er fühlt sich heute bestens auf alles vorbereitet, erklärt der jetzige Parkettlegermeister und Handwerksmanager B.A.

Jonas Rosenberger