Quo Vadis Internationales Fußboden-Forum Schwarzer Peter und vermeintlich rosige Aussichten

Wird der Fußboden zur Raumkomponente, gar zum Kunstwerk, geht damit bei denen, die ihn gestalten, die Entstehung eines neuen Selbstbewusstseins einher. Davon überzeugten sich im September 170 Teilnehmer des Quo-Vadis-Forums in Hamburg.Schwarzer Peter und vermeintlich rosige Aussichten Das Bemühen der Macher im 36 Mitgliedsbetriebe (elf Fördermitglieder) zählenden Verein Quo Vadis Fußboden ist unverkennbar. Und wirklich gingen die Initiatoren bei der fünften Auflage des Internationalen Fußboden-Forums in der deutschen Boomtown Hamburg voran, als Dr. Wolfgang Setzler, Ökonom vom Institut für Absatzforschung und kundenorientiertes Marketing, eingangs vehement zu neuem Selbstverständnis aufrief: „Verkaufen wir in Zukunft Flächenerlebnis und keine Quadratmeterpreise!“ Immerhin hätten das Programm, der würdige Rahmen im mit dunklem Holz getäfelten Hörsaal des Museums für Völkerkunde sowie die angenehm unprätentiöse Moderation von Architekt und Autor Alexander Unger (siehe Wortlaut-Interview) schon anderen Veranstaltern gut zu Gesicht gestanden. Reiches Deutschland? Manchem freilich erschien es etwas dick aufgetragen, wie rosarot die Bilder ausfallen, in denen Setzler, selbst Meister im Maler- und Lackiererhandwerk, die derzeitige Situation skizzierte; und der promovierte Wirtschaftswissenschaftler hochrechnete, nie zuvor sei in Deutschland so viel Kapital vorhanden gewesen: Kurzfristig seien vom kollektiven Notgroschen, der sich auf vier Billionen Euro auftürmen soll, 1,4 Billionen Euro verfügbar. Gesunde Skepsis oder die viel gescholtene, gar typisch deutsche Schwarzseherei? Dem Traum ungebremsten Wachstums steht zumindest das volkswirtschaftliche Szenario eines aussterbenden Mittelstandes entgegen – auch wenn es immer mehr Superreiche gibt. Dagegen wird niemand Setzlers Analyse in Zweifel ziehen, nach dem für Kaufentscheidungen im Objektbereich künftig die Facility-Management-Kosten, also jene für Pflege und Wartung, die maßgebliche Rolle spielen. Dass nicht jeder Anglizismus dem Zuhörer hilft, zeigte angesichts von „Coconing“ (Suche nach Geborgenheit und Sicherheit in einem schönen Zuhause), „Grounding“ (Neuentdeckung des Bodens als Lebensraum), „Bequemlichkeit als Bottle Neck“ (Kundenanforderungen, umgesetzt in Unternehmensziele) und „Shareholder-Value“ (am Kurs der jeweiligen Aktie gemessener Marktwert des Eigenkapitals) das vereinzelte Kopfschütteln auf den Rängen. Rechtsanwalt Bernd Gildemeister schilderte im Anschluss, was sich so umschreiben ließe: Des Menschen Wille ist sein Himmelreich – selbst wenn Vorstellungen des Auftraggebers dabei allen Regeln der Technik zuwiderlaufen. Risse waren gefordert Moderator Unger hatte zuvor berichtet, wie ein Architekt den Klageweg beschritt, weil der Estrich in einem Museum für römische Geschichte nicht wie gewünscht Rissbildungen aufwies; nach seiner Vorstellung hätte der Fußboden dadurch eine Entsprechung zu den Exponaten gebildet. Und der Jurist pflichtete bei: „Jede Abweichung von der Soll-Beschaffenheit ist ein Mangel“, erläuterte Gildemeister. An die Handwerker im Auditorium appellierte er: „Sie schulden, was im Vertrag steht.“ Das gelte selbst dann, wenn ein Produkt besser als vereinbart sei. Deshalb empfehle sich äußerste Sorgfalt im Umgang mit den bis zu 40 Seiten fassenden Kontrakten; nicht selten würden 30 Seiten alleine auf die Vorbemerkung entfallen. Im Dialog mit Architekten könne nur so die eigene Rechtsposition selbstbewusst vertreten werden. Jene schuldeten „als Werkerfolg die mängelfreie Errichtung eines Bauvorhabens“; Leistungsinhalte dazu finden sich in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Konkret bedeutet dies: „Ist der Vollauftrag nicht erbracht, wirkt sich das auch bei der Bezahlung aus. Da kann das Haus noch so perfekt sein, wenn sich der Architekt nie hat auf der Baustelle blicken lassen.“ Es geht um die Frage des Haftungsrisikos im Schadensfall: „In der Beweislast ist der Besteller. Daher hätte der Architekt zum Beispiel gegebenenfalls eine CM-Messung dokumentieren müssen“, erläutert der Jurist. Kommt es auf der Baustelle zu einer Konfrontation zwischen Auftraggeber sowie Architekt, hat laut Gildemeister Letzterer den Schwarzen Peter, sobald ihm ein Planungsfehler nachzuweisen ist. So sei für aufeinander folgende Gewerke die sorgfältige Schnittstellenkoordination gefordert: „Der Planer ist Erfüllungsgehilfe des Bauunternehmers“ – nicht dessen Alibi: So könne sich der Fachmann seinerseits im Falle eines Schadens nicht mit dem Hinweis aus der Haftung verabschieden, der Architekt habe einen Bauüberwachungsfehler begangen, da der Bauunternehmer seine Leistung selbst zu überwachen habe. Bedenken angemeldet Ins technische Detail gingen Vorträge der Sachverständigen Peter Erbertz (den Beitrag „Rohre, Leitungen und Kabel auf Untergründen“ finden Sie in dieser Ausgabe, Technik Estrich), Harry Timm sowie Diplom-Ingenieur Henrik-Horst Wetzel. In einem Hamburger Mehrfamilienhaus, berichtete Trittschallschutz-Experte Timm, wurde der Dachboden zur Wohnung ausgebaut; „Was sagen die Bewohner darunter?“ Bei der 100 bis 120 Millimeter dicken Vollbetondecke und dem Altestrich auf Trennschicht, den der Auftraggeber nur abspachteln wollte, hätten sie wohl eine Menge gesagt. Der Unternehmer machte Bedenken geltend. „Die von der Industrie als Heilsbringer gepriesenen Dämmunterlagen“, berichtete der Referent, „bringen nichts. Im Sanierungsbereich geht es nicht ohne Estrich auf Dämmschicht“; im vorliegenden Fall war es Gussasphaltestrich auf Mineralfaser, es wurde eine niedrige dynamische Steifigkeit erreicht. Der Bausachverständige Wetzel referierte über „Verbundabdichtungen bei hoch beanspruchten Nassräumen“. Er riet zur Abdichtung der Bäder im Wohnungsbau mit Fußbodenflächen, selbst wenn es keinen Bodenablauf gibt.Reinhold Kober reinhold.kober@holzmannverlag.de