Serie Lehrlingsoffensive (Teil 2) Zusammenarbeit mit Emotion und Action - „Nicht man macht, wir machen“"> Serie Lehrlingsoffensive (Teil 2) Zusammenarbeit mit Emotion und Action „Nicht man macht, wir machen“

In Sachen Lehrlingswerbung nimmt Österreich eine Vorreiterrolle im internationalen Vergleich ein. Zahlreiche Aktivitäten sichern seit Jahren den Bodenleger-Nachwuchs. Das Erfolgsrezept scheint einfach: viele Ideen und ein gutes Miteinander.Von links: Die Bodenleger-Lehrlinge Daniel und Jennifer sowie Bundesinnungsmeister Ing. Georg Mayrhofer und Michael Standi (Geschäftsführer von Video & More) möchten mit einem frechen Lehrlingsfilm noch mehr Jugendliche für das Bodenlegen begeistern.„Nicht man macht, wir machen“ Kleines Land mit großen Ideen. Im Werben um neue Auszubildende geht Österreich neue Wege und nimmt seinerseits eine Vorreiterrolle ein. Das Alpenland ist zweifelsohne ein Vorbild in Sachen Lehrlingswerbung im Bereich der Bodenleger. Die steigenden Lehrlingszahlen beweisen dies und sprechen dabei eine eindeutige Sprache. Momentan gibt es in Österreich 362 Bodenleger-Lehrlinge. Und die Zahlen steigen jedes Jahr weiter, wie Bundesinnungsmeister Ing. Georg Mayrhofer bestätigt: „Unser Ziel ist, die jährlichen Steigerungen zu halten. Stagnation ist für uns ein Rückschritt.“ Ein Grund für die gute Entwicklung sieht der Bundesinnungsmeister vor allem im breiten Berufsbild des Bodenlegers in Österreich. Anders als in anderen Ländern umfasst die dreijährige duale Ausbildung in der Alpenrepublik den gesamten Belag, von Parkett bis Estrich. Damit ist eine breit gefächerte, fachlich gute Ausbildung in Theorie und Praxis für den gesamten Bodenbereich gewährleistet. Als besonderes „Schmankerl“ erhalten die Auszubildenden zu Beginn des ersten Lehrjahres eine komplette Ausrüstung von der Bundesinnung zur Verfügung gestellt. Kleidung, Schuhe, Werkzeug und eine eigens entwickelte Sicherheitsbox beinhaltet dieses „Starterpaket“. Für Georg Mayrhofer ist dies eine Selbstverständlichkeit und zeigt den Jugendlichen, dass sie einen hohen Stellenwert haben. „Ein einheitlicher Auftritt fördert außerdem das Zusammengehörigkeitsgefühl“, sagt er. Und genau darauf setzt man in dem kleinen 8,4-Mio.-Einwohner Land ganz besonders, vor allem bei der Werbung um Lehrlinge. Wir-Gefühl für den Erfolg Bundes- und Landesinnungen arbeiten eng und gut koordiniert zusammen. Das Wir-Gefühl wird großgeschrieben. „Jedes Land bringt sich mit Ideen ein und organisiert eigenverantwortlich Veranstaltungen. Gute Ideen werden von anderen Bundesländern übernommen. Diese gute Zusammenarbeit und das Miteinander zeichnen uns in Österreich aus“, erklärt Ing. Georg Mayrhofer euphorisch. Die Werbung um den Bodenleger-Nachwuchs beginnt in Österreich bereits in der Grundschule. Für den Bundesinnungsmeister ist dieser Weg der Schlüssel zum Erfolg. Seiner Meinung nach ist es wichtig, die Kinder und Jugendlichen so früh wie möglich mit dem den Beruf des Bodenlegers vertraut zu machen. Diese Einstellung vertritt auch Christian Reiböck, Landesinnungsmeister (LIM) aus Salzburg und stellvertretender Bundesinnungsmeister. Bereits vor etwa sieben Jahren hat er damit begonnen, intensive Nachwuchswerbung zu betreiben. Und das mit Erfolg. Die Lehrlingszahl in Salzburg hat sich in diesem Zeitraum fast versechsfacht. Gab es vor sieben Jahren lediglich sechs Bodenleger-Lehrlinge in Salzburg, sind es heute 34. Angesichts einer Anzahl von 91 Bodenlegerbetrieben ist dieses Wachstum beeindruckend. Doch hierfür war viel Arbeit notwendig, wie Reiböck erklärt: „Viele Kinder und Jugendliche konnten sich unter dem Beruf des Bodenlegers nichts vorstellen, deshalb mussten wir handeln.“ Mit Informationsveranstaltungen an Schulen versuchen LIM Christian Reiböck und seine Kollegen den Beruf des Bodenlegers möglichst früh in den Köpfen der Kinder zu verankern. Der Fokus liegt hierbei auf der Sprache der Bilder. PowerPoint-Präsentationen und eine DVD über das Bodenlegen sollen die Kinder begeistern. „Wir setzen auf Emotionen. Die jungen Leute sollen sehen, wie vielseitig, kreativ und anspruchsvoll der Beruf ist“, erklärt Reiböck. Die 18-minütige DVD zeigt durch unzählige Bilder die Vielfältigkeit. Untermalt werden diese mit rockiger Musik und knackigen Sprüchen. Zwei Schulen besuchen Reiböck und die vom Landesinnungsausschuss ernannten, ehrenamtlich tätigen Lehrlingsbeauftragten pro Monat. Eine große Rolle spielt für den Landesinnungsmeister vor allem der persönliche Kontakt zu den möglichen Bodenlegern von morgen: „Es ist wichtig, dass die Jugendlichen eine Art Bezugsperson haben, mit der sie sich identifizieren können und die sich um ihre Fragen und Anliegen persönlich kümmert. Wir zeigen durch unsere Präsenz, dass uns der Nachwuchs wichtig ist.“ Schnuppertagean Schulen Eine weitere Aktivität, die gemeinsam mit Schulen durchgeführt wird und sich bewährt hat, sind die sogenannten Schnuppertage. Im letzten Schuljahr können die Schüler zweimal für eine Woche eine Schnupperlehre in einem Betrieb ihrer Wahl absolvieren. Durch die Informationsveranstaltungen sollen die Jugendlichen dazu bewegt werden, diese Schnupperlehre in einem Bodenlegerbetrieb zu machen. Den persönlichen Kontakt und das Miteinander pflegt Reiböck auch auf der jährlich stattfindenden Berufsinformationsmesse in Salzburg, die jedes Jahr etwa 35.000 Besucher anlockt. Diese bildet eine große und geeignete Plattform für die Werbung um neue Azubis. Mit viel Action wird hier den Jugendlichen der Beruf des Bodenlegers schmackhaft gemacht. „Wir bieten den Besuchern ein Event. Die Leute sollen sehen, dass wir Bodenleger coole Typen sind. Dadurch wollen wir sie für unseren Berufbegeistern“, erklärt Reiböck. „Bodenleger steigen auf“ lautete das Motto des Standes im Jahr 2008. Dabei lockten eine Kletterwand sowie ein großes Gewinnspiel mit vielen attraktiven Preisen (u.a. Tandemflüge im Paragleiten) die zahlreichen Besucher an den Stand der Bodenleger. Der Weg zum Erfolg führt für Reiböck vor allem über das persönliche Gespräch. Und dabei meint er nicht nur das Gespräch mit den zukünftigen Azubis: „Viele Eltern denken, dass ihre Kinder unbedingt studieren müssen, um es später leichter zu haben. Doch diese Vorstellung ist vollkommen verkehrt.“ Deshalb ist Aufklärungsarbeit für ihn elementar: „Das Handwerk bekommt nicht den Stellenwert, den es verdient. Es ist keinesfalls so, dass intelligente Leute studieren müssen. Wir brauchen kluge Köpfe, denn der Beruf ist anspruchsvoll.“ Außerdem seien die Verdienstchancen als Bodenleger in Österreich sehr gut und beruflicher Erfolg deshalb in dieser Branche sehr wohl möglich. Die Landesinnung Salzburg lässt sich die Aktivitäten für die Lehrlingswerbung viel Geld kosten. Etwa 80.000 Euro hat sie inden letzten sieben Jahren in die Nachwuchsförderung gesteckt. Motivation durch Wettkampfgedanken Doch nicht nur die Rekrutierung neuer Auszubis steht bei den Verantwortlichen in Österreich ganz oben auf der Prioritätenliste. Auch für die Bodenlegerlehrlinge soll der Beruf so attraktiv wie möglich gestaltet werden. So nehmen Anfang 2013 die sogenannten Lehrlingscamps ihren Betrieb auf. Diese sollen den Lehrlingen zusätzlich zur Ausbildung Fachwissen vermitteln und darüber hinaus zur Persönlichkeitsbildung beitragen (siehe Interview mit Anton Spiegel). Außerdem rückt auch der Wettkampf- und Leistungsgedanke mit Spaßfaktor immer mehr in den Vordergrund. Die Möglichkeit, sich beim Bundeslehrlingswettbewerb oder den EuroSkills mit anderen Lehrlingen zu messen, ist laut Bundesinnungsmeister Ing. Georg Mayrhofer eine zusätzliche Motivation, diesen Beruf zu erlernen. Zum ersten Mal sind die Bodenleger in diesem Jahr bei den EuroSkills im belgischen Spa (2. bis 7. Oktober) vertreten. Für Österreich wird dort Thomas Jeist an den Start gehen und sich mit der Konkurrenz aus ganz Europa messen. Die Teilnahme an diesem internationalen Wettbewerb sieht Anton Spiegel, Landesinnungsmeister aus Vorarlberg, als gute Plattform, durch die der Berufszweig zusätzlichen Aufschwung erfahren könnte: „Wer hier gut abschneidet, verschafft dem Beruf jenes Augenmerk und Ansehen, das wir als positiven Impuls für die Zukunft gerne mitnehmen.“ Und auch auf nationaler Ebene wird der Leistungsgedanke als Motivationsfaktor angesehen. Der Bundeslehrlingswettbewerb soll den Beruf noch reizvoller für die Jugendlichen machen. Hierfür sponserten Industrie und Bundesinnung im Jahr 2012 attraktive Preise wie ein KTM-Elektro-Mountainbike oder ein iPad und iPhone im Gesamtwertvon 8.000 Euro. Diese Tatsache freut den stellvertretenden Bundesinnungsmeister Reiböck: „Man sieht deutlich, dass die Industrie auch in schlechten wirtschaftlichen Zeiten bereit ist, Unterstützung zu leisten. Voraussetzung dazu ist die Vorlage eines guten Konzeptes.“ Um die Zusammengehörigkeit und das Miteinander in Österreich noch weiter zu verstärken, plant die Bundesinnung, den Wettbewerb als eine Art „Wanderzirkus“ alle zwei Jahre in einem anderen Bundesland zu veranstalten. In den geraden Jahren wird er weiterhin im Rahmen der Casa stattfinden. Mustafa Temur, der Bundessieger 2012, profitierte von einer weiteren, einzigartigen Aktivität. Die AG Aus- und Weiterbildung für Bodenleger organisiert in Zusammenarbeit mit der Landesinnung Wien jedes Jahr eine Berufsorientierungsphase an der Wiener Bauberufsschule. Dort erhalten 100 langzeitarbeitslose Jugendliche die Möglichkeit, den Beruf des Bodenlegers kennenzulernen und am Ende sogar einen Lehrstellenplatz zu finden. Unter den Augen der möglichen Lehrbetriebe bleiben nach einem ersten Auswahlverfahren, nach wenigen Schnuppertagen, nur etwa 30 Kandidaten übrig. Am Ende einer weiteren intensiven Orientierungsphase erhalten 20 von ihnen einen Ausbildungsplatz als Bodenleger. Die Initiatoren dieses Systems, Landesinnungsmeister Heinz Hofer und KR Christian Dobianer, LIM-Stellvertreter des Bauhilfsgewerbes in Wien, wurden hierfür im Jahr 2008 sogar mit dem roomy award ausgezeichnet. „Für uns ist das eine Bestätigung, die zeigt, dass wir bei der Nachwuchsförderung auf dem richtigen Weg sind“, sagt LIM Heinz Hofer. Die Landesinnung in Wien lässt außerdem mit einer weiteren, in Österreich einmaligen, Aktivität aufhorchen. Jeder Ausbildungsbetrieb erhält jedes Jahr für jeden Lehrling, den die Firma ausbildet, eine sogenannte Lehrlingsförderung in Höhe von 400 Euro. Hofer ist der Meinung, dass dies ein weiterer Beitrag dazu ist, den Beruf des Bodenlegers weiter voranzubringen: „Die Förderung soll für die Betriebe ein Anreiz sein, noch mehr Lehrlinge auszubilden.“ Lehrlingsfilm als neuestes Projekt Dass man in Österreich nichts unversucht lässt, um den Nachwuchs zu sichern, zeigt das neueste Projekt der Bundesinnung: ein Lehrlingsfilm. Auch hier setzt die Innung auf Emotionen. „Es ist ein pfiffiger und frecher Werbefilm. Er soll den Jugendlichen zeigen, dass es geil ist, Bodenleger zu sein, und sie animieren, eine Lehre zu beginnen“, sagt Mayrhofer voller Vorfreude. Im Herbst soll der Film fertig sein und dann sowohl auf den Internetseiten der Landesinnungen sowie auf YouTube veröffentlicht werden und als Werbemittel dienen. Rund 5.000 Euro verschlingt das Projekt. Doch wenn es um die Zukunft des Bodenlegers geht, ist den Österreichern nichts zu teuer. Insgesamt etwa 150.000 Euro investieren der Bund und die Länder zusammen jedes Jahr in die Nachwuchsförderung. Dass das kleine Land damit Erfolg hat, belegen die steigenden Lehrlingszahlen. Österreich ist sich seiner Vorbildfunktion bewusst. Profitieren sollen aber auch andere Länder von den Ideen der Rot-Weiß-Roten. So regt BIM Ing. Georg Mayrhofer zu einem globaleren Denken an: „Wir haben nichts zu verheimlichen. Jeder kann zu uns kommen und sich über die Aktivitäten und unser Vorgehen bei der Lehrlingswerbung informieren.“ Die gute Zusammenarbeit zwischen den Landesinnungen und der Bundesinnung ist in Österreich Erfolgsfaktor Nummer eins. So sieht es auch Mayrhofer: „Wir ziehen alle an einem Strang. Hier heißt es nicht, man macht, sondern, wir machen.“ Dominik Schubert