bwd im Gespräch GEV-Geschäftsführer Klaus Winkels und GEV-Vorsitzender Stefan Neuberger - Maximale Sicherheit verkaufen"> bwd im Gespräch GEV-Geschäftsführer Klaus Winkels und GEV-Vorsitzender Stefan Neuberger Maximale Sicherheit verkaufen

Die GEV ist volljährig. Zum 18. Geburtstag des von der GEV ins Leben gerufenen Emicodes ziehen Klaus Winkels und Stefan Neuberger im Gespräch mit bwd eine Bilanz über den Stellenwert der Umweltklassifizierung für Verlegewerkstoffe.Klaus Winkels (rechts) und Stefan Neuberger unterstrichen im Gespräch mit bwd die Bedeutung der Emicode-Klassifizierung für Verlegewerkstoffe.bwd Die Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte e.V. (GEV) wurde 1997 als Verein in Frankfurt gegründet. Was waren die Gründe dafür? Winkels Die Klebstoffindustrie wünschte sich damals einen Neubeginn. Man wollte bestimmte Werbeaussagen nur noch dann treffen, wenn die dafür notwendigen Produkteigenschaften auch nachweislich erfüllt sind. In Bezug auf Emissionen hieß das: Aussagen sollten künftig nur noch auf der Basis einheitlicher Standards und seriöser Prüfmethoden getroffen werden, um den Verbraucher nicht zu täuschen. bwd Bestand die Gefahr, dass dies passiert? Winkels Die GEV-Gründung fiel in eine Zeit, in der Lösemittel zunehmend durch Dispersionen ersetzt wurden. Doch der Verzicht auf Lösemittel bedeutete nicht automatisch, dass die Klebstoffe damit emissionsarm waren. Dispersionsklebstoffe konnten damals auch noch viele flüchtige organische Stoffe enthalten. Der Emicode wurde deshalb eingesetzt, um gegenüber Handwerkern und Endverbrauchern Transparenz zu schaffen. Neuberger Die Einführung des Emicodes war die Grundsteinlegung für eine neue Zeitrechnung in puncto Wohngesundheit. Noch kurz zuvor rangierte der Gesamtanteil flüchtiger organischer Stoffe (TVOC) in marktüblichen Dispersionsklebstoffen um 0,01 g/m³. Umgerechnet sind dies 10.000 µg/m³. Mit Einführung des Emicodes durften TVOC-Emissionen von Klebstoffen, die die begehrte Klasse „EC 1 – sehr emissionsarm“ erhalten sollten, 500 µg/m³ nicht überschreiten. Mit einem Schlag sanken die Werte somit teils um das 20-Fache. Winkels Heute liegt der Grenzwert bei Produkten, die als „EC 1“ zertifiziert sind, um das 100- bis 500-Fache niedriger und damit weit entfernt von den gesetzlich zugelassenen Höchstmengen. Produkte, die mit der Exklusivklasse Emicode „EC 1 plus“ ausgezeichnet werden sollen, werden noch schärfer reglementiert. »Wir wollten eine Verbesserung des Verbraucher- und des Arbeitsschutzes.« bwd Rein theoretisch klingt das nach einen Erfolgstory. Winkels Wir haben mal überlegt, was geschehen wäre, hätte es den Emicode nicht gegeben. Die Frage ist zwar müßig und auch nicht zuverlässig zu beantworten. Eine Vorstellung vermittelt aber vielleicht der Einfluss des Emicodes auf die Produktion von lösemittelbasierten Produkten. Kontinuierlich sank ihr Anteil in den vergangenen Jahren. Wurden 2001 noch 4.500.000 l Lösemittel zur Klebstoff-Produktion eingesetzt, so waren es 2013 nur noch 6,7 % und somit 300.000 l. Zeitgleich stieg die Produktion lösemittelfreier Bodenbelagklebstoffe rapide an. Allein im Zeitraum von 1999 bis 2013 – und damit binnen 15 Jahren – wurden etwa 570.000 Tonnen lösemittelfreie Bauklebstoffe und Grundierungen produziert. Das entspricht über 10.000 gefüllten Containern. Hätte es den Emicode nicht gegeben und hätte sich auch sonst nicht geändert, wäre ungefähr diese Menge an lösemittelhaltigen Klebstoffen unter Bodenbelägen verarbeitet worden. Dies hätte vor allem den Handwerker und die Umwelt belastet. bwd Die Industrie hat in den letzten Jahren Millionensummen in Forschung und Entwicklung investiert, um das Vertrauen in die Unbedenklichkeit bauchemischer Produkte nachhaltig zu stärken. Ging die Rechnung auf? Winkels Welchen Beitrag der Emicode bislang zur Raumgesundheit geleistet hat, lässt sich vielleicht am ehesten durch folgendes Beispiel ermessen: Allein in Deutschland werden pro Jahr nur im Segment der textilen und elastischen Bodenbeläge nach marktgängigen Daten knapp 190 Millionen Quadratmeter Fußbodenbeläge verlegt – nahezu ausschließlich mit „EC-1“-Verlegewerkstoffen. Seit 1997 waren das bis 2014 etwa 3,6 Milliarden Quadratmeter. Das bedeutet theoretisch: 3,6 Milliarden Quadratmeter Klebstoffauftrag, 3,6 Milliarden Quadratmeter verarbeitete Spachtelmasse, 3,6 Milliarden Quadratmeter aufgetragene Grundierungen sowie zusätzlich Dämmunterlagen, Rissharze und zahlreiche weitere Hilfsstoffe. Und Parkett sowie Korkbeläge sind hier nicht einmal mit eingerechnet. bwd Hat der Verarbeiter in all den Jahren bewusst zu „EC-1“-Produkten gegriffen? Neuberger Der Handwerker gilt als eher konservativ und speziell die Parkettleger haben zu Beginn hier und da parallel zu den ersten Emicode-Klebstoffen noch an lösemittelhaltigen Produkten festgehalten. Inzwischen sind Emicode-Produkte in Deutschland längst Standard. Der Verarbeiter vertraut voll und ganz auf die Produkte. bwd Gilt das auch für den Endverbraucher? Winkels Hier gibt es sicher noch Informationsbedarf. Der Konsument orientiert sich erst im Bedarfsfall. Dann allerdings kann sich der Handwerker mit Emicode-Produkten gegenüber seinem Kunden profilieren, indem er ihm klarmacht, dass er ihm damit maximale Sicherheit verkauft. Neuberger Wir versuchen Verbrauchern das Kennzeichnungssystem nahezubringen – zugegeben mit bescheidenen Mitteln, aber durchaus erfolgreich. Der Emicode ist das Leistungsversprechen des Profis an den Verbraucher. Auf diese Weise leisten wir einen wichtigen Beitrag auch für die Kundenberatung. Hinzu kommt, dass gerade unter Konsumenten immer noch eine gewisse Skepsis gegenüber der vollflächigen Klebung von Bodenbelägen herrscht. Die feste Arretierung ist aber die beste und zugleich auch nachhaltigste Befestigung von Bodenbelägen. Damit geben wir dem professionellen Verarbeiter ein weiteres wichtiges Argument für seine Kundenberatung an die Hand und wir nehmen Konsumenten ein Stück weit die Skepsis. bwd Welchen Stellenwert hat der Emicode gegenüber anderen Umweltsiegeln? Winkels Er gilt als das anspruchsvollste VOC-Siegel. Rein technisch betrachtet hat der Emicode stets den Standard für das maximal Erreichbare in Bezug auf Wohngesundheit und Innenraumhygiene gesetzt – und setzt ihn auch weiter, sogar international. Zu diesem Ergebnis kommt Eurofins Product Testing A/S, das weltweit größte Analyseinstitut für VOC-Emissionsprüfungen. »Wir nehmen Konsumenten ein Stück weit die Skepsis.« Innerhalb der Fußbodenbranche hat er ohnehin die größte Bedeutung. Über 4.400 Emicode-Klebstoffe, -Spachtelmassen, -Grundierungen oder -Dicht- und -Dämmstoffe stehen professionellen Handwerkern heute zur Verfügung. Auch Unterlegbahnen und Klebebänder sind gemäß Emicode zertifiziert. Zuletzt hinzugekommen sind Estriche, Parkettlacke und Fugenkitte für Parkett. Dagegen ist die Palette anderer Siegel, wie beispielsweise der Blaue Engel mit knapp 350 Produkten, vergleichsweise klein. bwd Verschiedene Hersteller zertifizieren ihre Produkte aber nach wie vor ergänzend mit dem Blauen Engel. Warum? Winkels Mit der Doppelauslobung geben die Hersteller dem Handwerker eine Argumentationshilfe – wenn man so möchte ein Marketing- oder Vermarktungsinstrument – an die Hand, die allen Beteiligten ein gutes Gefühl vermittelt. bwd Welche Bedeutung hat der Emicode bei Estrichen, Parkettlacken und Fugenkitten? Winkels Bei Fugenkitten und Estrichen handelt es im Wesentlichen um Spezialprodukte, d.h., der nach Emicode klassifizierte Estrich wird meist ein Schnellestrich sein. Der Parkettlack ist die einzige Produktgattung, bei der eine geringe Menge Lösemittel erlaubt ist: 8% bzw. 5%. Dies hat technische Gründe. Wir wollten eine Verbesserung des Verbraucher- und des Arbeitsschutzes, aber nicht um den Preis schlechter Produkte, die niemand will. Dennoch wollten wir einen Innovationsschub in Richtung auf das technisch derzeit Mögliche. Das haben wir erreicht. bwd Ist man mit der Emicode „EC 1 plus“ technisch am Limit angekommen oder wie weit können Messmethodik, Analytik noch gehen? Neuberger Zum besseren Mengenverständnis: 1 μg/m³ oder umgerechnet 0,000001 g/m³ entspricht etwa der Konzentration eines Stückchens Würfelzucker, das in einer Menge Wasser aufgelöst ist, die zwischen einem Supertankschiff und einem Stausee Platz hat. Irgendwo dazwischen liegt die Konzentration von ≤ 750 μg/m³ TVOC (nach 3 Tagen) und ≤ 60 μg/m³ TVOC (nach 28 Tagen). Speziell mit der Exklusivklasse EC 1 plus bewegt sich der Emicode daher an der Grenze der Überprüfbarkeit. bwd Welche Pläne verfolgt die GEV in Zukunft? Neuberger Wir möchten den Bekanntheitsgrad des Emicodes als international anerkanntes Label noch weiter forcieren. Es macht keinen Sinn, wenn hier jedes Land seine eigenen Standards aufbaut. Zwischen 2007 und 2014 stieg die Zahl an Unternehmen in Deutschland, die sich dem Emicode verschrieben haben, um 76 Prozent, international im gleichen Zeitraum um 325 Prozent. Die Hälfte der über 100 Unternehmen, die heute auf den Emicode setzen, operiert von Deutschland aus in die internationalen Märkte, die andere Hälfe aus 15 weiteren Ländern – darunter auch Kanada und die USA. Internationale Zertifizierer von nachhaltigen Gebäuden wie DGNB, LEED oder BREEAM verlangen oder fördern den Einsatz von Emicode-Produkten. bwd Vielen Dank für das Gespräch. Mit Klaus Winkels und Stefan Neuberger sprach Stefan Heinze anlässlich eines Redaktionsbesuches in Bad Wörishofen.