In Tschechien haben sich im September 2016 leidenschaftliche Parkettleger aus acht Ländern getroffen. Zusammen haben sie Schloss Liebenstein nahe der deutschen Grenze mit neuem Parkettboden ausgestattet. Eine Herausforderung und Chance.
Wenn sich Vertreter aus acht Ländern in einem mittelalterlichen Schloss treffen, geht es nicht immer um Wirtschaftsfragen. Es muss auch nicht die Polizei in Massen ausrücken, Barrikaden errichtet oder das Gebiet weitläufig abgeriegelt werden. Ort: Schloss Liebenstein, Tschechien. Anfang September 2016.
Dass hier keine geheimen Gespräche stattfinden, sieht man schon von weitem. Denn das Schloss in der tschechischen Gemeinde Libá, zwei Kilometer von der Grenze zu Deutschland gelegen, ist eine Baustelle. Es wird von Grund auf restauriert. Auch die Böden werden neu gelegt. 25 Parkettleger aus Tschechien, Deutschland, Österreich, Italien, der Slowakei, Weißrussland und Rumänien haben hier eine Woche lang ihr ganzes Können gezeigt und die Räume mit neuen Böden ausgestattet.
Dabei wurde eine Gestaltung gewählt, die zum Ambiente des Schlosses passt. „Die Muster, die wir auf den Böden umgesetzt haben, sind sehr aufwändig und werden daher relativ selten gelegt. Da ist echte Parkettlegerkunst gefragt“, sagt Berufsschullehrer Ernst Müller von der Gewerblichen Schule Ehingen, der das Projekt mit Kollegen organisiert hat. So ziert der Orden der Kreuzritter des roten Sterns nun den Parkettfußboden. Das kreisrunde Zeichen besitzt einen Durchmesser von vier Metern und passt optisch zu dem Steinboden eines anderen Raumes im Schloss. „Das Projekt war sehr, sehr anspruchsvoll. Ich alleine hätte das wahrscheinlich auch nie geschafft, aber durch die Anleitung und Planung von Herrn Müller und die Zusammenarbeit mit den anderen gab es keine Probleme“, sagt Daniel Ganter, einer von zwei Teilnehmern aus Deutschland.
Verlegt hat die Gruppe 150 Quadratmeter Stabparkett mit Nut und Feder. Aus einem klassischen Stab wurden die gebrauchten Formen herausgeschnitten, genutet, gefedert und zu einem Halbkreis zusammengesetzt. So ergab sich nach und nach ein Teilring des Zeichens der Kreuzritter. Danach ging es an die Verlegung des Rautenmusters mit Bordüre. Insgesamt bearbeitete die Gruppe drei aneinandergrenzende Räume und einen weiteren im Stockwerk darüber.
Ein gemeinsames Ziel
Die internationale Zusammensetzung des Teams zeichnete das Projekt aus. „In verschiedenen Ländern herrschen verschiedene Arbeitsweisen. Die Idee ist, diese Arbeitsweisen aufeinandertreffen zu lassen und zu sehen, wie das funktioniert“, erklärt Müller. Es ist eine besondere Situation, wenn sich Menschen aus verschiedenen Ländern an einem Ort treffen, um ein gemeinsames Ziel zu bewältigen: In einer Woche einen Parkettfußboden herzustellen, zu verlegen und zu versiegeln. Am Ende wird das Werk ein Bestandteil des Objekts – in diesem Falle des Schlosses.
„Es geht darum, die Attraktivität des Handwerks zu fördern und Hürden zu überwinden“, sagt René Caran, Mitorganisator der als „Workcamp Parquet“ bezeichneten Projektwoche aus Karlsbad, Tschechien, der die Arbeiten auf www.workcamp-parquet.com medial begleitet hat. So wurden sprachliche Verständigungsprobleme zwischen den Teilnehmern geschickt gelöst. „Wir hatten eine eigene Sprache im Camp: Hände und Füße. Das war durchaus notwendig, weil wir auch Kollegen von der Mittelschule für Hörgeschädigte aus Brünn in Tschechien dabei hatten. Ihnen haben wir gezeigt, was gemacht wird, und sie haben es nachgemacht. Ein Schulterklopfen oder ein fragendes Gesicht sagen im Prinzip alles aus“, erklärt Caran. „Handwerklich haben sie, wie alle anderen auch, eine exzellente Leistung gezeigt“, fügt er an. Das Ziel im Workcamp war es auch, dass alle voneinander etwas lernen können und vom Austausch untereinander profitieren. Vor allem auch in Hinblick auf die unterschiedlichen Bildungsniveaus in den einzelnen Herkunftsländern. „Natürlich ging es auch darum, sich auf einer persönlichen Ebene kennenzulernen und den Erfahrungsaustausch zwischen den Ländern zu haben“, sagt Caran.
Voneinander lernen
Auch Müller bestätigt das: „Es ist neben der Arbeit vor allem ein Kennenlernen unter sich, ein Austausch von Erfahrungen und Kontakten. Der Spaß und die Freundschaft kommen nicht zu kurz.“ So wurde Fußball gespielt oder sich beim Armdrücken gemessen. Die Teilnehmer und Partner besuchten auch ein Mittelalterfest, es gab Spanferkel und sie übernachteten nach einer Führung durch die Burg im Burgturm. Zudem wurde mittels eines historischen Handprojektors ein Stummfilm aus den Anfangsjahren des Kinos gezeigt.
Für das Projekt wurden manche Teilnehmer von ihren Arbeitgebern freigestellt, andere nahmen sich Urlaub. Teilweise reisten sie auf eigene Kosten an. Um dabei sein zu können, kam ein Teilnehmer sogar mit dem Bus aus Kiew (Ukraine). Im Vorfeld gab es ein großes Interesse für das Projekt. So sind manche, die dieses Jahr nicht mitmachen konnten, 2017 dabei – etwa aus Russland oder der Schweiz. „Wir hatten Teilnehmer aller Altersklassen: 30-Jährige haben hier mit 50-Jährigen zusammengearbeitet. Ich bin 62 und habe selbst mit Hand angelegt. Zudem habe ich die Leute eingeteilt und sie an den Maschinen eingewiesen“, sagt Müller. Alle arbeiteten ohne Bezahlung – Unterkunft und Verpflegung wurden jedoch gestellt.
Ein besonderes Erlebnis
Müller und Caran haben ausschließlich positive Rückmeldungen der Teilnehmer erhalten. „Sie sagen uns, dass sie froh sind, dabei gewesen zu sein und dass es eine ganz besondere Erfahrung für sie war“, betont Caran. „Besonders, weil es echte Handarbeit war“, fügt Müller hinzu. „Heute wird alles gelasert und der Parkettleger oft zum Handlanger der Industrie degradiert.“
»Bei diesem Projekt war echte Parkettlegerkunst gefragt.«
Auch Jan Soucek, Berufsschullehrer an der Mittelschule für Hörgeschädigte zieht ein positives Fazit: „Ich möchte allen für die Möglichkeit danken, dass wir am Workcamp teilnehmen konnten. Wir haben auf unserem Nachhauseweg und auch in der Schule viel darüber gesprochen. Die Jungs, die Schulleitung und auch die Eltern waren sehr begeistert. Ich denke, es hat sich eine sehr gute Mannschaft zusammengefunden und für mich persönlich war es eine gute Erfahrung. Vergleichbarem bin ich bisher nicht begegnet.“ Das sieht auch Ganter so: „Es war eine sehr interessante Woche. Körperlich war es anstrengend, wir haben aber viel gelernt und hatten viel Spaß.“
Alle Objekte, alle Länder
Das Workcamp soll in Zukunft jedes Jahr stattfinden. Bereits 2015 waren Müller und Caran in Rumänien und haben dort in Zusammenarbeit mit der Peter-Maffay-Stiftung den Boden eines Pfarrhauses restauriert, das als „Ort der Begegnung“ dient. Dass die Wahl 2016 auf Tschechien fiel, ist Carans Verdienst. „Ich habe meinen Kollegen gesagt, wir haben schöne Burgen in Tschechien, wir sollten das mal dort machen. Da wir mit dem Workcamp eine internationale Ausrichtung haben, ist es prinzipiell egal, wo und in welchem Land wir sind“, erklärt er.
Auch müsse es nicht immer eine Burg sein, die neu ausgestattet wird. Auch Bürogebäude, Kirchen oder ähnliches ist denkbar. „Wenn das Objekt einen guten Fußboden benötigt, dann ist das unsere Mission – egal um welche Art Gebäude es sich handelt“, führt Caran aus. Wichtig sei nur, dass das Gebäude öffentlich zugänglich ist, denn die Arbeit soll gesehen werden und nicht in einem unzugänglichen Raum weggesperrt sein. Im Schloss Liebenstein wird in Zukunft bei Führungen durch die Gemäuer zusätzlich auch ein Video des Projekts gezeigt werden. Denkbar sind letztendlich Einsätze in ganz Europa. „Wir sind für alle Angebote offen“, blickt Müller in die Zukunft. Die Vorbereitungen für 2017 laufen bereits, es ist jedoch noch kein Ort festgelegt. „Wir haben schon einige Angebote bekommen, freuen uns aber immer über weitere Anregungen oder Einladungen.“
Finanziert wurde das Workcamp von verschiedenen Sponsoren der Parkettbranche. Diese haben sich ebenfalls besonders von dem Projekt begeistern lassen. „Viele sind auch nächstes Jahr wieder mit dabei“, sagt Müller. Auch Handwerker und Privatleute unterstützten das Projekt – etwa durch Spenden, Materialbeschaffung oder der Bereitstellung von Werkzeug. „Allen unseren Partnern möchten wir herzlichst danken. Ohne die Unterstützung wäre ein außerschulischer Unterricht wie dieser nicht möglich“, betont Caran.