Nach coronabedingter Zwangspause erfolgte im Januar der Neustart der Domotex. Wer die Messe in deutlich kleinem Format vorbehaltlos besuchte, wurde nicht enttäuscht. Zur Wiederbelebung des Weltleitmesse-Anspruchs sind aber weitere Anstrengungen nötig.
Selten zuvor hat die Fußbodenbranche "ihrer Messe" mit mehr Neugierde entgegengesehen, als in diesem Januar. Zwei Jahre war die Domotex pandemiebedingt ausgefallen, eine Zeit, in der sich die Branche auch mit digitalen Alternativformaten auseinandersetzte. Und selbstverständlich dauerte es nicht lange, bis hier und da die Sinnfrage gestellt wurde. Brauchen wir große Präsenzmessen überhaupt noch? Um es kurz zumachen: Ja, weil die persönliche Begegnung durch nichts zu ersetzen ist. Das hat sich vom 12. bis 15. Januar in Hannover gezeigt. Ob die große Show vergangener Tage noch zeitgemäß ist, sei dahingestellt. Dass die Domotex 2023 in einem kleinen Rahmen stattfand und viele führende Hersteller aus der Bodenbelagsszene dem Neustart erst einmal abwartend fernblieben, tat dem Erfolg nicht zwangsweise einen Abbruch.
„Wir sind froh, hier zu sein“, sagte Annika Windmöller. Unter der Marke Wineo zeigte Windmöller jahrzehntelang mit allem Pipapo in Hannover Flagge. Diesmal reiste man "in neuem Format" mit einem Trailer an, und demonstrierte, dass es auch anders geht. Zusammen mit einer überschaubaren Anzahl namhafter Aussteller, darunter ter Hürne, Aspecta, Amorim, FN Neuhofer, Välinge, i4F oder KGM, belegte das klassische Bodenbelagssegment knapp zwei der acht Messehallen. Gemessen an vergangenen Zeiten ist das wenig. Aber: Wer dabei war, hat es nicht bereut. Die relevanten Einkäufer aus dem Handel waren angereist und schenkten den anwesenden Ausstellern nahezu ungeteilte Aufmerksamkeit.
Domotex 2023: Erwartungen der Aussteller übertroffen
Dieser Umstand und die Tatsache, dass sowohl Aussteller mit keinen oder geringen Erwartungen nach Hannover gekommen waren, dürfte in die ganz überwiegend positiv gezogenen Schlussbilanz ihren Einzug gefunden haben. "Wir sind positiv überrascht, wie viele Besucher wir nach der Pandemie auf unserem Messestand begrüßen durften. Mit einer so regen Teilnahme haben wir in diesem Jahr aufgrund der schwierigen Weltlage nicht gerechnet. Für die Domotex 2024 wünschen wir uns eine sogar noch stärkere Veranstaltung mit einer vereinten Flooring Industry", sagt Niklas Håkansson, Geschäftsführer von Välinge. Positives Feedback kam auch von Lydia Bober, Marketingleiterin der Selit Dämmtechnik GmbH: "Für uns war es die richtige Entscheidung hier zu sein. Die Kontakte, die wir auf der Domotex knüpfen, sind für uns sehr wertvoll."
Einer, der die Domotex auch in abgespeckter Variante als Pflichttermin nutzte, war Michael Roithner, Zentraleinkäufer für Bodenbeläge und Teppiche der Poco Einrichtungsmärkte GmbH. Vor allem, um auch einmal potenzielle Lieferanten zu treffen, die er in den letzten zwei Jahren nicht besuchen konnte. Beim Messerundgang stieß bwd angesichts der Aufbruchsstimmung auf eine sichtlich erleichterte Messechefin Sonia Wedell-Castellano: "Wir sind überwältigt von der positiven Resonanz sowie des energiegeladenen Spirits der diesjährigen Domotex. Die Stimmung in den Hallen ist so super – Aussteller und Besucher sind gleichermaßen erfreut, endlich wieder auf ihrer Branchenmesse zusammenzukommen, um sich persönlich zu treffen, Ideen auszutauschen, neue Kontakte zu knüpfen und Geschäfte abzuschließen."
Wedell-Castellano hat sich in den vergangenen Jahren mit Verve für "ihr Baby" ins Zeug gelegt. Der Anfang ist gemacht. Auf den Restart lässt sich aufbauen, zumal man hoffen darf, dass aktuell noch bestehende Corona-Restriktionen wie beispielsweise in China, fallen werden, und früher oder später wieder internationales Reisen uneingeschränkt möglich sein wird.
Künftig alle zwei Jahre volles Programm
Noch während der Domotex trat der Messebeirat zusammen, um die Weichen für die Zukunft zu erörtern und inzwischen sind auch Entscheidungen getroffen: In den geraden Jahren (den Nicht-Bau-Jahren) will die Domotex als "Home of Flooring" den gesamten Bereich rund um Hartbodenbeläge und hartbodenbelagsnahe Bereiche (Verlegewerkstoffe, Maschinen, Zubehör) sowie Carpets & Rugs umfassend vereinen. In den ungeraden Jahren präsentiert die "Domotex – Carpets & Rugs" parallel zur Messe Bau in München lediglich Aussteller aus dem Angebotsspektrum der handgefertigten Teppiche sowie maschinell hergestellten Teppiche und Teppichböden. Der etablierte Termin im Januar bleibt bestehen. Letzteres ist wichtig, weil in der Bodenbelagsbranche traditionell zu Jahresbeginn die Listungen stattfinden. Der neue Zyklus soll ab 2024 gelten. Im nächsten Jahr wird sich also zeigen, ob die Domotex ihrem Anspruch, weiterhin Weltleitmesse für Bodenbeläge zu sein, wieder gerecht wird. Einen Anspruch, den sie angesichts des neuen Zyklus‘ ehrlicherweise nurmehr in geraden Jahren einlösen kann.
Auf der Domotex 2023 bildeten die Sonderschau "The Green Collection" und das Konferenzprogramm "Domotex on Stage" unter dem Leitthema "Floored by Nature" das Herzstück der Veranstaltung – hier wurde der Megatrend der Nachhaltigkeit inszeniert und diskutiert. Höhepunkt war sicherlich die Verleihung des "The Green Collektion Award", den folgende Aussteller erhalten haben:
- Le Fil Vert Rugs Collection | ABC Italia SRL (IT)
- Go4cork Plus | Amorim Cork Composites (DE)
- Amorim Wise cork inspire 700 HRT | Amorim Deutschland GmbH (DE)
- Fibrano | Li&Co AG (CH)
- Puro | Oriental Weavers (EG)
- Ökologische Trittschalldämmung | Steico (DE)
- Hywood | ter Hürne GmbH & Co. KG (DE)
- Tisca Respect Collection | Tisca Austria GmbH (AT)
- Purline Bioboden wineo 1000 | Windmöller GmbH (DE)
"Mit unserem diesjährigen Leitthema und der neuen Sonderschau haben wir absolut den Nerv der Zeit getroffen. Mein Team und ich freuen uns darauf, The Green Collection auf der kommenden Domotex weiter auszubauen", kündigt Sonia Wedell-Castellano an. Dazu will man die Kooperationen mit Branchenexperten wie dem TFI weiter ausbauen, dem Großhandel eine Präsentationsfläche bieten sowie den Fokus wieder mehr auf Objekteure und Architekten ausrichten. Ob und das bodenlegende Handwerk als Zielgruppe der Domotex künftig noch eine Rolle spielen soll, bleibt angesichts der geplanten Akzentuierung erst einmal offen. Man darf gespannt sein.