Anker Nach massiven Restrukturierungsmaßnahmen überrascht der Teppichbodenspezialist mit Innovationen Die entwickeln, die Dürener!

Wer von dem Traditionsunternehmen angesichts der angespannten Wirtschaftslage nur Alltägliches erwartet, wird prompt eines Besseren belehrt. In Düren konnte bwd kürzlich spannende Neuentwicklungen in Augenschein nehmen.Die entwickeln, die Dürener! Die filigran-florale Designfigur zwingt den Betrachter in die Knie. Die Hand streift erst über eine gewöhnliche Velourskonstruktion, dann über eine Art geschmolzenes Gewebe. Ganz so, als hätte ein heißes Bügeleisen hier seine Spuren hinterlassen. Jetzt fühlt sich Gerd Hoffe ertappt. „Ja, das Gestaltungsprinzip beruht auf der Thermogravur“, sagt der Anker-Chefentwickler. „Neben der Jacquard- und Drucktechnik ist sie ein neuartiges Gestaltungsfeld für einzigartige Formensprachen.“ Und wenngleich hier keiner mal eben mit dem Bügeleisen hantiert habe, ein wenig Zufall sei am Ende schon dabei gewesen. Ist das also ein Beispiel für jene Innovationskultur, von der Anker-Gesellschafter Markus Schoeller eben noch gesprochen hatte und die Anker fit für die Zukunft machen soll? Gut möglich. Die bisherigen Tuftingqualitäten Aera und Delta könnten auf diesem Weg jedenfalls zum individuellen Designbelag werden einem textilen Designbelag wohlgemerkt. Wer sich mit Teppichböden auskennt, der weiß, wie schwierig es ist, Innovationen hervorzubringen, die gar auf neuen Technologien beruhen. In Düren hat man das Thermoverfahren TG+ jedenfalls zum Patent angemeldet. Und nicht nur dies: Auch die Designidee CP+ liegt aktuell dem Patentamt vor. Unter CP+ verstehen die Dürener Gestaltung durch Perforation. Das Teppichdesign entsteht durch eine strukturierte Lochung. Der Ursprung dieser Entwicklung liegt in der Klimaboden-Technologie. Insofern kann man hier durchaus das bekannte Bauhaus-Prinzip „Form follows function“ zitieren. Ein paar Schritte weiter liegen im Anker-Schauraum weitere großflächige Muster der Qualitäten Aera Deco und Delta Deco und abermals sind diese modifiziert. Hoffe und sein Team haben den feinen Velours mit Schlingenelementen verdichtet, wobei die Farbgebung hier über die gröbere Schlinge erfolgt. CL+ heißt die markante Kombination und verblüffend ist, wie die Fliesenversion hier einen nahezu perfekten Kantenschluss ermöglicht. Harte Einschnitte In Anbetracht all dieser Neuheiten könnte man fast vergessen, dass sich auch Anker in diesem Jahr dem allgemeinen Branchentrend beugen muss: Ende September bilanzierte der Webspezialist ein Umsatzminus von rund 18 Prozent. Das ist aufgrund der Abhängigkeit von einem sehr schwachen Objektmarkt mehr, als die deutsche Teppichbodenindustrie im Schnitt verliert (minus 14 Prozent). Dass Anker die Durchschnittserlöse bei Tufting um 3,9 Prozent auf 15,50 Euro pro Quadratmeter steigern konnte (Branchenschnitt: minus acht Prozent, 10,50 Euro) und bei Webware immerhin 1,4 Prozent auf 31 Euro draufsatteln konnte, mag in dieser Situation trösten. „Wir wollen dauerhaft einen substantiellen Gewinn erzielen bei einem Worst-Case-Umsatz von 50 Millionen Euro und entsprechenden Steigerungen bei den geplanten Umsatzzuwächsen“, sagt Geschäftsführer Erwin Landherr. Das ist auch nötig, um die geforderten Innovationen langfristig aus dem Cashflow finanzieren zu können. Bereits im August hat Anker die Chromojet-Spritzdruck-Aktivitäten eingestellt und Kontinue- und Strangfärberei aufgegeben. Durch den Strategiewechsel zu Solution-Dyed-Produkten hat sich der Bedarf an Nassfärbekapazitäten erheblich reduziert. 83 Arbeitsplätze wurden, wie es heißt, sozialverträglich abgebaut. „Wir haben reagiert, solange wir noch die Möglichkeit hatten“, sagt Schoeller. Es sei gelungen, das Unternehmen auf ein neues Kostenfundament zu stellen, „das es erlaubt, auch in diesen Zeiten Gewinne zu realisieren“. Besonders beutelt die Dürener aktuell das Airline-Segment. Nach satten Zuwächsen in Höhe von 60 Prozent wird man 2009 wohl auf dem Niveau von 2007 abschließen. Während Anker das Airline-Geschäft langfristig als Wachstumsmarkt ausmacht schon Mitte 2010 soll es wieder aufwärts gehen , erwartet man in Düren auf dem klassischen Objektmarkt in Europa mittelfristig kein Wachstum. Trotzdem lautet auch hier das Ziel für 2010: Plus machen über Verdrängung. Als Kernobjektmärkte haben die Anker-Strategen Deutschland, Österreich, die Schweiz sowie Airline definiert. Die übrigen Exportmärkte will man unter Ergebnisgesichtspunkten betrachten. „Wo wir keine Chance haben, wie in England, beschränken wir uns auf das Industriegeschäft“, sagt Landherr. „Hier werden wir keine aktive Marktbearbeitung mehr betreiben.“ Landherr lässt keinen Zweifel daran, dass in den Kernmärkten der Großhandel als Marktmittler für das Unternehmen an Bedeutung gewinnt. Man wolle die Hälfte des Umsatzes mit dem Großhandel erwirtschaften. Was die Kernkompetenzen anbelangt, schlägt das Herz der Dürener weiter im Websegment, wobei auch hier Solution-Dyed-Garne eine zunehmend bedeutende Rolle spielen sollen. Wie bei Anker Flat, das im Oktober eingeführt wurde und zu 100 Prozent aus Solution-Dyed-Garnen von Invista besteht. Designbildende Fäden Oder der gewebten Strukturschlinge Entre-E 100, die im Frühjahr 2010 auf den Markt kommen soll und die Gerd Hoffe noch einmal zum Schwärmen verleitet: „Sie sehen textile Mikrotexturen in Jacquard-Webtechnologie. Alle drei Fäden sind designbildend.“ Dem Teppichbodenbetrachter offenbart das Spiel von Licht und Schatten raffinierte Strukturen, die bisweilen an Borken alter Baumstämme erinnern. Stefan Heinze stefan.heinze@holzmannverlag.de

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