Designbeläge 4.0: Das hat der Handwerker davon

Der Siegeszug der Designbeläge hält an, doch das Angebot ist inzwischen unüberschaubar und wendet sich längst nicht mehr nur an professionelle Handwerker. bwd und Mapei diskutierten mit Herstellern und Verlegern das spannende Thema Designbeläge 4.0.

Designbeläge 4.0: Das hat der Handwerker davon
Auf Einladung von bwd und Mapei diskutierten Verarbeiter und Hersteller das Thema "Designbelag 4.0". - © bwd

"Designbeläge sind die Rettung unserer Fußbodenbranche.“ Richard Kille, L eiter des Kölner Instituts für Fußboden- und Raumausstattung, hat viele Belagstypen kommen sehen. Der aktuelle Hype um Designbeläge erinnert den gelernten Raumausstatter und Sachverständigen an die Boomz eit des Laminats zu Beginn der 1990er-Jahre. „Laminat geriet damals schnell zum Must-have-Produkt.“ B ei Designböden wiederholt sich s einer Ansicht nach heute das Phänomen: „Die Endverbraucher sagen: Ich will das.“ Eine Beobachtung, die auch Jörg L eidenfrost, Verkaufsl eiter Deutschland b ei MFlor/Repac, macht: „Früher musste vom Handwerker LVT aktiv beraten und verkauft werden. Das hat sich gedreht.“ Fakt ist, Designbeläge sind s eit Jahren das einzige Belagssegment, das kontinuierlich Zuwachsraten erzielt und ein Ende sch eint nicht absehbar.

Der Durchbruch der Luxury Vinyl Tiles

Dab ei hat alles ganz besch eiden begonnen. Aus England schwappten Ende des letzten Jahrhunderts PVC-Designfliesen, so genannte Luxury Vinyl Tiles, kurz LVT, auch auf den deutschen Markt, wo sie jahrelang lediglich vor allem im Ladenbau eingesetzt wurden: anspruchvoll, hochpr eisig und ausschließlich vollflächig verklebt. Heute haben Designbeläge nahezu alle Einsatzber eiche erobert. Die Gründe für den Durchbruch sind vielschichtig. Der erste Tr eiber, so Jörg Schütten, L eiter der Anwendungstechnik b ei Objectflor, s ei sicher die Modularität gewesen. Schließlich überzeugte die Produktgattung mit ihren Designmöglichk eiten, ihrer Robusth eit und dem im Vergl eich zum Parkett oder Naturst ein günstigeren Pr eis. Mit den ursprünglichen LVTs hat der Großt eil jener Böden, die heute als Designbeläge daherkommen, fr eilich nichts mehr zu tun. Inzwischen gibt es unzählige Varianten unterschiedlicher Materialität und Aufbauten: zum vollflächigen Verkleben, Klicken und lose Verlegen. „Designbeläge zum Klicken aus Vinyl herzustellen, war der fast schon verzw eifelte Versuch der Laminathersteller, Marktant eile zu retten“, sagt Schütten. „LVTs sind s eit Jahren in aller Munde und boomen mit Wachstumsraten wie k ein anderer Bodenbelag. Was lag also näher, als die Slabs einfach etwas dicker zu machen und eine Nut-und-Feder-Verbindung mit der ohnehin vorhandenen Technik anzufräsen?“

Solid Polymer Core: So entwickelt sich LVT

Da die vielfältigen Patente und die entsprechenden Auszugsfestigk eiten allerdings nur für starre Materialien wie Laminat ausgelegt sind, war diese Materialgattung eine schlechte Alternative. „Die Einsatz- und Verwendungsmöglichk eiten sind für Vollvinyl- Klickbeläge sehr begrenzt und allenfalls für den Wohnber eich ge eignet,“ sagt Schütten. Angesichts der Unzulänglichk eiten in puncto Fugenbildung oder dem berüchtigten Telegrafieeffekt, b ei dem sich die Strukturen von Altuntergründen im Oberbelag durchz eichnen, r eifte schnell die Erkenntnis: „Das müssen wir irgendwie härter machen.“ Gesagt, getan. Inzwischen werden die unterschiedlichsten „starren“ Träger verwendet, um die Schwachstellen der ersten Generation „Vollvinyl“ zu überwinden. Dab ei komme es, so Schütten, t eilw eise zu schier grotesken Konstruktionen, welche oftmals eher an einen Laminatbodenbelag erinnern als an einen klassischen LVT-Bodenbelag.

B ei der neuesten Generation von Designbelägen mit einem Solid Polymer Core (SPC) ist häufig von der Elastizität, die Designbeläge ursprünglich ausz eichnete, nicht mehr viel übrig geblieben. Die Entwicklung der Multilayer-Produkte ist insbesondere im Hinblick auf den Aufbau rasant. Ob nun der Träger aus einem Holzwerkstoff besteht und die Oberfläche aus Polymer oder Kork, oder der Träger und die Oberfläche aus Polymer bestehen, s ei für den Fachverleger nicht einfach zu untersch eiden, insbesondere w eil es auch einen Mix aus den verschiedenen Systemen gibt.

Dass sich ein Fachverleger hierzu, unbe einflusst von den Werbeaussagen, eine M einung zur Qualität und Eigenschaft bilden kann, s ei, so Kille, eher unwahrsch einlich. Tatsache ist: S eit die ohnehin schwer zu clusternden „mehrschichtig modularen Bodenbeläge“ als Designbeläge verkauft werden, ist die Verwirrung im Markt komplett. Dem Absatz tut dies k einen Abbruch. Designbeläge gehen weg wie geschnitten Brot. Anton Westermaier, Inhaber eines Raumausstatter-M eisterbetriebes im bayerischen R eisen, spürt s eit rund fünf Jahren eine st eigende Nachfrage nach Designbelägen und zwar nach allen Varianten, ganz gl eich ob zum Kleben, Klicken oder lose Verlegen. Im Gegenzug, sagt Westermaier, habe er in den letzten dr ei Jahren so gut wie k einen Quadratmeter Laminat mehr verlegt. Auch Edgar Schöpf-Kuhlmann, Inhaberder Lebensraum Parkett GmbH in Weßling, beobachtet, dass der Designbelagsboom auf Kosten von Laminat geht. Dab ei z eigt sich, dass der Kunde häufig gar nicht realisiert,was er unter dem Label Designbelag erwerben kann. „Der Kunde frägt Vinylböden unter den abenteuerlichsten Bez eichnungen nach“, sagt Mario Frosch, Inhaber einesBetriebes für Raum- und Fußbodengestaltung in Taucha nahe L eipzig. Vom „Plastiklaminat“ erwartet er sich dann aber wahre Wunder. Unkaputtbar soll es s ein,badezimmertauglich sowieso und obendr ein recyclingfähig. Die Werbetrommel, die die Belagshersteller für Designbeläge rühren, sch eint zu funktionieren.

Hohe Ansprüche: LVT als Die eierlegende Wollmilchsau

Jedem seriösen Fußbodenfachmann ist klar, dass es die ei erlegende Wollmilchsau nicht gibt. Warum suggeriert das Marketing der Belagsindustrie aber genau dies? Viele Herstellers eien frustriert, sagt Jörg Schütten. Angesichts des Pr eisverfalls versuchten viele, „Innovationen“ als Kaufargumente ins Feld zu führen. In der Tat sind die Pr eise b eiDesignbelägen inzwischen stark unter Druck. Für den klassischen LVT-Belag, wie ihn Amtico in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts salonfähig gemacht hat, musste mandamals für den Quadratmeter noch zwischen 60 und 70 Mark hinlegen, für das Material wohlgemerkt. Eine ähnliche Qualität ist heute für 10 bis 15 Euro zu haben.

Pr eisverfall undQualität, das ging aus Sicht des Verarb eiters noch nie zusammen. Für das Handwerk s eien die überwiegende Mehrh eit jener Produkte, die sich als Designbelag verkaufen, auchnicht gemacht, ist sich Richard Kille sicher. Die Vermarktung der Hersteller laufe Richtung Endverbraucher. „Die Z eiten, in denen der Handwerker Ansprüche hinsichtlichProduktqualität an den Hersteller anmelden konnte, sind vorb ei. Wir müssen runter vom hohen Ross und mit dem zurechtkommen, was der Markt bietet “, sagt Kille. Quasinebenb ei würden die professionellen Handwerker erfahren, was das Produkt angeblich alles kann. Nur, der Fachmarkt- oder Baumarktkunde habe eine andereAnspruchshaltungsowohl in Bezug auf das Verlegeergebnis als auch den späteren Gebrauch.

Der Selbermacher verz eiht die eine oder andere Unzulänglichk eit b eispielsw eise,wenn es um das optische Endergebnis geht. Wer hingegen b eim Profi kauft, habe einen viel höheren Anspruch. Augen auf b ei der Produktwahl, kann da ausHandwerkersicht nur die Lösung h eißen. „Es gibt viele Produkte, die ich als Handwerker nicht in die Hand nehmen würde“, sagt Mario Frosch und verw eist auf Rigid-Core-Produkte. Der harte Kern dieser Klickvariante dient zum Ausst eifen der vormals eher w eichen PVC-Beläge. Das macht den Zuschnitt der Paneele mitunter problematisch. Man könnediese starren Beläge häufig nicht einmal mehr sägen, sagt Frosch. Was die Dimensionsstabilität betrifft, sind einige dieser Beläge im Vergl eich zu Standard-PVC-Belägen in derTat besser, sagt Bernd Lesker, L eiter der Anwendungstechnik b ei Map ei. Wer das Angebot der Messen Domotex und Bau noch einmal Revue passieren lässt, stellt fest: RigidProdukte werden inzwischen als die neuen H eilsbringer gef eiert. „Rigid-Core-Beläge werden aus unserer Sicht eher den Markt der Klick- als auch der Loose-Lay-Verlegungverändern und damit als zusätzliche Möglichk eit zu Laminat für Wirbel sorgen“, schätzt Michael H eim, Verkaufsl eiter der Map ei GmbH. „Damit einhergehend sehen wir dieZielgruppe eher im DIY-affinen Ber eich, mit Vermarktungspotenzial insbesondere im Onlinehandel.“ Und Jörg Schütten ergänzt: Wirkliche Designbeläge werden fest mit demUntergrund verklebt und stellen am Ende eine nachhaltige und hochwertige handwerkliche Arb eit dar. Diese Arb eiten können nur von versierten Fachleuten durchgeführt werden.“

Marketing für Endkunden

Ignorieren kann der Fachmann das stetig wachsende Angebot fr eilich nicht. Den Kunden vollumfänglich darüber zu beraten, stellt indes eine große Herausforderung dar. Frosch räumt ein, dass es zunehmend schwierig s ei, produkttechnisch up to date zu bl eiben. Wie so oft wäre viell eicht auch hier weniger mehr. „Die Hersteller überschwemmen uns mit so vielenProdukten. Wenn wir mit einem Belag gute Erfahrungen gemacht haben und das Pr eis-L eistungs- Verhältnis stimmt, gr eifen wir lieber auf das Bewährte zurück.“ Auch EdgarSchöpf-Kuhlmann räumt ein, dass er b ei neuen Produkten inzwischen vorsichtiger geworden ist. „Ich muss nicht immer der Erste s ein, der etwas ausprobiert.“ Grundsätzlich s eier allerdings schon auf der Suche nach Neuh eiten, die er s einen Kunden anbieten kann. Auch für Anton Westermaier ist klar: „Das Bessere ist der F eind des Guten.“ Aber an ersterStelle stehe nun einmal die Sicherh eit b eim Verlegen. „Die Designvielfalt ist ok, aber die unzähligen Aufbauvarianten braucht der Profi nicht“, sagt Westermaier.

Vielfalt schafft Unsicherh eit

Ganz gl eich, ob mit Blick auf den Unterboden oder die unglaubliche Angebotsbr eite b ei Designbelägen: Vielfalt schafft Unsicherh eit. Der Handwerker benötigt im Gegensatz zu früherw eitaus mehr Orientierungshilfen. Dazu passt auch die inzwischen gebetsmühlenartig vorgetragene Empfehlung der Industrie, immer im System zu arb eiten . „Wir habeninzwischen deutlich mehr Anfragen für Aufbauempfehlungen als früher“, sagt Michael H eim. Die Systemempfehlungen und Aufbauempfehlungen s eien, so Lesker, heutewichtigerdenn je.

Ein Trugschluss wäre es indes zu glauben, das gestiegene Informationsbedürfnis wäre in erster Linie auf das wachsende Heer der Allroundhandwerker zurückzuführen. „Nur der Nichtfachmann fragt nicht nach“, sagt Lesker und darf sich von Schöpf-Kuhlmann bestätigt fühlen: „Ich muss nicht alles wissen, aber ichmuss ein gutes Problembewussts ein haben, um mir im entsch eidenden Fall Hilfe von der Anwendungstechnik zu holen.“ Um die st eigende Nachfrage nach Aufbauempfehlungen inden Griff zu bekommen, bietet Map ei inzwischen alle wichtigen Informationen in einer digitalen Aufbauempfehlungs- App an. „Wir unterstützen den Handwerker auf allen Ebenen,denn eine Reklamation schlägt sich negativ auf die komplette Lieferkette Bauherr, Handwerker, Fachhandel, Hersteller nieder“, sagt H eim.

Allerdings tut der Handwerker gut daran, sich regelmäßig die Klebstoffempfehlungen anzuschauen, um auch wirklich sicherzustellen, dass der vorgesehene Klebstoff für den Belag ge eignet ist. Und das ist mit dem Aufkommen zahlr eicher neuer Beläge natürlich umfangr eicher geworden. „Auch für uns als Bauchemie-Lieferant“, sagt Lesker. „Wir müssen jeden einzelnen Belag vorher testen, wasauch gemacht wird. Gem einsam mit dem Belagshersteller sind wir oftmals über lange Z eit mit in den Entwicklungsprozess involviert. Erst wenn eine sichere Verklebung auf derBaustelle gegeben ist, wird von Map ei eine Klebstoffempfehlung ausgegeben.“ Map ei untersucht heute im Labor die Dimensionsstabilität der Beläge nicht lediglich nach denVorgaben der einschlägigen Normen, sondern unter verschärften Bedingungen. „Unsere Aufgabe ist es zu sagen, dass die Produkte am Ende sicher sind“, sagt Lesker. Dab ei s eiman manchmal zw ei bis dr ei Jahre in die Belagsentwicklung eingebunden. Das zahlt sich offenbar aus. Befragt nach konkreten Reklamationen mit Designbelägen, geben sich dieamTisch sitzenden Verarb eiter entspannt. Am wichtigsten s ei es, die spätere Nutzung zu hinterfragen, die entsprechenden Produkte auszuwählen und b ei der Verarb eitung dieSpielregeln zu beachten, sagt Westermaier und stellt klar, dass er bisher b eispielsw eise in Wintergärten noch nie Probleme mit Designbelägen bekommen habe; mit klassischen vollverklebten LVTs wohlgemerkt. „Reklamationen entstehen dann, wenn falsch beraten wird“, sagt Westermaier.

Im Großen und Ganzen z eigt die Diskussion: In der Praxis funktioniertam Ende offenbar häufig auch das, was auf den ersten Blick bedenklich ersch eint. Nun wäre es fr eilich fatal, das Geschäft mit Designbelägen lediglich auf derenFunktionalität zu reduzieren. B ei dem Wörtchen Design muss die Frage nach dem kreativen Potenzial und einer damit verbundenen zusätzlichen Wertschöpfung gestellt werden.Dab ei z eigt sich, dass die Möglichk eiten unterschiedlich ausgeschöpft werden. „Wir würden den Kunden von uns aus nie darauf stoßen“, sagt Schöpf-Kuhlmann. „Wenn derKunde allerdings mit dem Wunsch nach einer außergewöhnlichen Gestaltung des Bodens an uns herantritt, dann bekommt er diese auch. Es zu können, wenn es gefragt ist, istangesagt.“ Den Vorwurf, am Ende werde ein Designbelag häufig l eider doch nur 08/15 verlegt, will Schöpf-Kuhlmann nicht stehen lassen. Der Kunde und nicht der Bodenlegermache mit s einen Vorstellungen die Gestaltungsvorgabe. „Ist der Wunsch nach einer außergewöhnlichen Verlegung vorhanden, lässt sich der Kunde ohnehin nicht auf eine 08/15-Verlegung ein.“

Nur schlecht informiert

Mehr Orientierung und insgesamt mehr Unterstützung, das ist es, was sich viele Verarb eiter im Zusammenhang mit Designbelägen von der Industrie wünschen. Frosch bemängelt,dassInformationen oder Schulungen zu Designbelägen in erster Linie von den Verlegewerkstoffherstellern angeboten würden. „Bodenbelagshersteller schlagen nie b ei uns auf“, sagt Frosch. Auch Anton Westermaier wünscht sich von der Industrie mehr Unterstützung. Aus Sicht des Handwerkers kann Information nicht lediglich eine Holschuld s ein.

Designbeläge hätten für das Handwerk, so Schöpf-Kuhlmann, auch w eiterhin Potenzial, allerdings gingen die Handwerkerprodukte im Produktdschungel unter. Hier s ei von S eitender Industrie eine zielgruppengerechtere Informationspolitik nötig. Solcherart mit Forderungen konfrontiert betont die Belagsindustrie ihre Nähe zum Handwerk. Schütten: „Wirbrauchen das Handwerk und Handwerkerprodukte bl eiben hoffentlich noch ganz lange unser Hauptgeschäft.“

Auch L eidenfost lässt k einen Zw eifel: „Der Designbelag in s einerursprünglichen Form hat uns in der Branche gutgetan. Wir haben damit lange Z eit gutes Geld verdient. Wir werden dies mit entsprechenden Produkten und einer gutenhandwerklichen L eistung auch in Zukunft tun.“ An Aussagen wie diesen muss sich die Industrie heute und in Zukunft nicht zuletzt immer dann messen lassen, wenn im Zusammenhang mit Designböden von Pr eisverfall und schrumpfenden Renditen die Rede ist. Nur wenn es gelingt, die Wertigk eit des Boombelages hochzuhalten — und dies hat vielmit einer professionellen Verarb eitung desselbigen zu tun —, wird man der eingangs von Kille formulierten These, wonach Designbeläge „die Retter der Fußbodenbranche“ sind,auch aus Handwerkersicht zustimmen können.