Der interessante Schadensfall Konkave Verformungen Das stellt die allgemeine Lehrmeinung auf den Kopf

Auf dem Sachverständigenseminar in Baden-Baden berichtete Dipl.-Ing. Wilhelm Schmidt von einem Schadensfall über konkave Verformungen bei Gussasphaltestrich und fachgerechter Verklebung, der die allgemeine Lehrmeinung in diesem speziellen Fall auf den Kopf stellte.Schadensfall: Schüsselung von 10-Millimeter-Eichen-Parkettstäben.Das stellt die allgemeine Lehrmeinung auf den Kopf Die Sache schien ziemlich eindeutig: Konkave Verformungen von Parkettstaboberflächen in der Stabbreite. Dafür gibt es unter Fachleuten gemeinhin zwei Ursachen: entweder eine einseitige Feuchteeinwirkung in den Parkettfußboden von der Unterseite oder ein einseitiger Feuchteentzug von oben durch zu trockene Raumluft. Dennoch schienen die Zusmmenhänge diesmal etwas anders: In verschiedenen Wohnungen einer Mietanlage waren 10-Millimeter-Eichen-Parkettböden verlegt worden. Die Parkettelemente hatten sich großflächig verformt. Diese Erscheinung war Anlass für ein Sachverständigengutachten, das das Ausmaß und die Ursache der Verformungen feststellen sollte (Bild 1). Als der Gutachter Wilhelm Schmidt aus Halle auf der Baustelle erschien, war ihm klar, dass ein Feuchteentzug von der Oberseite nicht zu dem vorgefundenen Bild beigetragen haben konnte. Bei einer gemessenen und langfristig einwirkenden Luftfeuchte von über 85 Prozent sieht eine Verformung in der Regel konvex, d.h. genau umgekehrt aus. Zudem stellte er eine Holzfeuchte von 11,4 Prozent fest. Also musste die Feuchtigkeit von unten kommen – wäre da nicht ein Gussasphaltestrich unter dem Parkett gewesen, der den Sachverständigen stutzen ließ. Nachdem die weiteren Parameter (wie der eingesetzte Klebstoff), die eine derartige Verformung hervorrufen konnten, nach den Erforschungen des Sachverständigen ebenfalls nicht zu dem Schadensbild beigetragen hatten, war guter Rat teuer. Da half dem Gutachter eine eher zufällige Bemerkung eines Anwesenden bei der Ortsbesichtigung: In einer Wohneinheit sei wegen terminlicher Schwierigkeiten der Lieferanten Ware eines anderen Herstellers eingesetzt worden – in gleichen Abmessungen und gleicher Sortierung, so dass oberflächlich keine Unterschiede sichtbar waren. In dieser Wohnung, die mit dem nachgelieferten Parkett ausgestattet wurde, lag der Boden unter sonst gleichen Bedingungen einwandfrei. Der Gutachter ging der Sache auf den Grund. Er besorgte sich die Parketthölzer beider am Bau verwandten Lieferanten und startete einen ebenso einfachen wie genialen Selbstversuch. In einer speziellen Konstruktion (siehe Bilder 2, 3 und 4) setzte er die auf einem stabilisierten Sperrholzunterbau verklebten 10-Millimeter-Parkettstäbe unterschiedlichen Belastungen aus, um das Verhalten der Parkettstäbe zu untersuchen. Dabei wurden die Elemente zunächst mit dem „originalen“ Lösungsmittelkunstharzkleber verklebt und eine gewisse Zeit einem Klima von etwa 21°C bis 23°C bei einer relativen Luftfeuchte von 36 bis 45 Prozent ausgesetzt. Interessanterweise trat die durch das Lösungsmittel des Klebstoffs verursachte Schüsselung ziemlich schlagartig ein. Sie erreichte aber nur sehr geringfügige Verformungswerte, die nach drei bis vier Tagen wieder auf Null zurückgegangen waren. Verformung täglich gemessen Daraufhin wurde der Boden nach einer Liegezeit von elf Tagen geschliffen und einmal versiegelt (grundiert). Anschließend wurden die Parkettelemente einer Raumluftfeuchte von bis zu 91 Prozent bei 17°C bis 18°C ausgesetzt und täglich die Verformung der unterschiedlichen Stäbe mit einer Messuhr gemessen (Bild 5). Folgende zehn Millimeter starke Parkettelemente wurden auf der Baustelle eingesetzt und genauer untersucht: E Hersteller A (ausgeprägte Schüsselung): e Abmessungen 50u250 mm, e Unterseite (längs) mit zwei Nuten versehen, 8 mm breit; 2 mm tief, e Klebefalz an den unteren Längskanten 1,5u1,5 mm, e Schmalflächen (längs) um 0,4 mm = 2,7° unterfügt, e kurze Schmalflächen (über Hirn) rechtwinklig/glattkantig. E Hersteller B (keine Verformungen): e Abmessungen 50u250 mm, e alle Schmalflächen ringsum rechtwinklig/glattkantig. Bei dem Eigenversuch bestätigte sich das Bild, das der Sachverständige auf der Baustelle schon beobachtet hatte (siehe Bild 8 und Seite 66). Die Auswirkung der Schmalflächenunterfügung bei zehn Millimeter dicken Parkettstäben bei Einwirkung einer hohen Raumluftfeuchte stellt sich wie folgt dar: e Die Feuchtigkeit wirkt von oben auf das Parkett ein. e Demzufolge nimmt die Holzfeuchte zunächst nur in der obersten Parkettschicht zu. e Demzufolge kommt es zu einer Quellung zunächst auch nur in der obersten Parkettschicht. e Im Fugenbereich zwischen benachbarten Stäben ist keine vollflächige Berührung der Stäbe vorhanden, sondern nur eine linienartige an der unmittelbaren Oberfläche (wegen der Unterfügung). e Der gesamte sich aufbauende Ouelldruck wirkt deshalb nur in der obersten Randzone der Fuge. e Das bleibt auch so mit zunehmender Holzfeuchteverteilung über die Stabdicke, weil in der Fuge – zunehmend nach unten – genügend Freiraum für Quellung vorhanden ist (wegen der Unterfügung). e Der Quelldruck im oberen Bereich des Stabes wird schließlich so groß, daß die Stabränder nach oben gedrückt werden. Der Stab verformt sich konkav. e Die Biegefestigkeit in der Breite des nur zehn Millimeter dicken Stabes ist unzureichend, um das zu verhindern. e Die entstehenden Druckbiegespannungen sind offensichtlich erheblich größer als die Verwölbungsspannungen durch einseitige Holzfeuchteerhöhung, die eine gegenteilige (normale) Verformung der Stäbe bewirkt hätte. Keine konkave Verformung Im Gegensatz dazu verhalten sich die zehn Millimeter dicken Parkettstäbe mit rechtwinklig ausgebildeten Schmalflächen anders: e Der Quelldruck ist in der oberen Randzone ebenso am größten, – weil die Feuchtigkeit von oben einwirkt. – weil von hier der Quellprozess beginnt. e Der Quelldruck verteilt sich aber sehr schnell über die gesamte Stabdicke. Die oberste Randzone wird entlastet, es kommt zu keinen konkaven Verformungen. Im Rahmen seiner Laborprüfungen stellte der Gutachter noch sehr umfangreiche und aussagekräftige Untersuchungen hinsichtlich „Einfluss des Verhaltens von Stäben mit stehenden und liegenden Jahresringen“ (diese wiederum unterschieden nach rechten und linken Stäben) in dieser Belastungssituation an. Signifikante Unterschiede waren dabei nicht festzustellen. Interessant sind ebenfalls die vergleichenden Versuche, die Schmidt mit 22 Millimeter starken Stabparkettelementen durchführte. Hier zeigt sich der große Einfluss der geringen Biegesteifigkeit des 10-Millimeter-Parketts hinsichtlich des Formverhaltens bei Feuchtebelastung (siehe Grafiken). Das, was auf der Baustelle passiert war, haben seine Untersuchungen eindeutig bestätigt. Die Stäbe hatten sich trotz Aufnahme der Feuchtigkeit von der Raumluftseite konkav verformt – ein Schadensbild, das nach landläufiger Lehrmeinung so nicht auftreten dürfte. Man solle sich bei der Beurteilung solcher Erscheinungen nicht immer von den rein holzphysikalischen Gesetzmäßigkeiten leiten lassen, so Schmidt in seinen weiteren Ausführungen zu diesem Schadensfall. Neben den holzphysikalischen spielten auch die mechanischen Zusammenhänge eine Rolle. Bei bestimmten Voraussetzungen seien diese durchaus in der Lage, die Holzphysik in den Hintergrund zu drängen.