Corona-Krise: Was bedeutet das für Berufsschüler aus dem bodenlegenden Handwerk?

Die Corona-Pandemie breitet sich in Deutschland mit großer Dynamik aus. Weitreichende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung wurden getroffen, Schulen und sonstige Bildungseinrichtungen sind bundesweit temporär geschlossen. Zwischenprüfungen sind abgesagt oder ausgesetzt. Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise für Azubis des Parkett- und Bodenlegerhandwerks? bwd hat sich umgehört.

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    Corona Berufsschule1
    © Söllner
    Die Berufsschulen für Parkett- und Bodenleger sind temporär geschlossen, die Werkstatträume in den Schulen verwaist.
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    Die Berufsschulen für Parkett- und Bodenleger sind temporär geschlossen, die Werkstatträume in den Schulen verwaist.
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    © privat
    Arno Hackl, Berufsschullehrer im Fachbereich Parkett- und Bodenleger an der Theodor-Litt-Schule Gießen: "Nichts ist wichtiger, als die Gesundheit."
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    Corona Lutz Söllner
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    Lutz Söllner, Lehrer für Parkett- und Bodenleger am Beruflichen Schulzentrum in Plauen: "1.100 Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende, das sind über 1.000 potenzielle Ansteckungsmöglichkeiten."
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    Corona Ernst Müller
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    Ernst Müller, Technischer Lehrer der Landesfachklasse der Parkettleger an der Gewerblichen Schule Ehingen: "Wir mussten den Meisterkurs Parkettleger erst mal bremsen."

(Stand: 31.03.2020) Die Berufsschulen für Parkett- und Bodenleger in Neustadt an der Aisch, Ehingen, Stade, Berlin, Plauen, Gelsenkirchen und Gießen sind geschlossen. Nur die Sekretariate sind besetzt. Keine Schüler, die in den Klassenzimmern sitzen. Die Lehrer im Homeoffice – wie so viele andere auch. Diese Situation wird mindestens bis 20. April andauern. Wann der schulische Alltag wieder losgeht? Keiner weiß es genau. Einig sind sich jedoch alle befragten Lehrer, dass die Entscheidung der Bundesregierung, die Schulen zu schließen, absolut richtig war.

Corona  Lutz Söllner
Lutz Söllner, Lehrer für Parkett- und Bodenleger am Beruflichen Schulzentrum in Plauen: "1.100 Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende, das sind über 1.000 potenzielle Ansteckungsmöglichkeiten." - © privat

Das sieht beispielsweise Lutz Söllner (Bild: Berufliches Schulzentrum Plauen) so, Lehrer für Parkett- und Bodenleger am Beruflichen Schulzentrum in Plauen: "Die Entscheidung ist okay. Unser Berufliches Schulzentrum bildet in vier Schularten aus. Mit den länderübergreifenden Fachklassen zusammen unterrichten wir ca. 1.100 Schülerinnen und Schüler, davon allein 780 Auszubildende. Das sind über 1.000 potenzielle Ansteckungsmöglichkeiten."

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Arno Hackl, Berufsschullehrer im Fachbereich Parkett- und Bodenleger an der Theodor-Litt-Schule Gießen: "Nichts ist wichtiger, als die Gesundheit." - © privat

Arno Hackl, Berufsschullehrer im Fachbereich Parkett- und Bodenleger an der Theodor-Litt-Schule Gießen, stimmt ihm zu: "Ich halte die Sache für angemessen, auch wenn die Entscheidung, die Zwischenprüfung zu verschieben, erst einmal auf Bedauern gestoßen ist. Aber nichts ist wichtiger, als die Gesundheit."

Fällt die Berufsschule aus, dürfen die Schüler dennoch nicht zuhause bleiben. Denn: Finden der Berufsschulunterricht oder die Überbetriebliche Leistungsunterweisung/Ausbildung aufgrund der Corona-Epidemie nicht statt, müssen sich Auszubildende mit ihrem Ausbildungsbetrieb abstimmen, ob sie stattdessen zur Arbeit erscheinen müssen. Eine Freistellung von der Arbeitspflicht zur Teilnahme am Schulunterricht nach § 9 Abs. 1 JArbSchG und § 15 Abs. 1 BBiG endet, sobald an mehr als zwei aufeinanderfolgenden Unterrichtstagen der Unterricht ausfällt. Auszubildende sind dann grundsätzlich zum Besuch ihrer Ausbildungsbetriebe verpflichtet.

Das Klassenzimmer wird in den Betrieb verlagert

Damit an den Berufsschulen nicht allzu viele Lerninhalte ins nächste Ausbildungsjahr verschoben werden müssen oder Bewertungen für Lernfelder möglich sind, "müssen Lernfelder außerhalb des Lernortes Schule erarbeitet werden", sagt Hackl. Dies erfolge unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen. Zwar seien alle Betriebe angehalten, während der Arbeitszeit (als Ersatz für die ausgefallenen Blockwochen) die Erarbeitung zu ermöglichen, aber die Umsetzung sei leider sehr unterschiedlich, so Hackl. Zudem bekommen nicht alle Azubis Unterstützung von Kollegen im Betrieb oder vom Meister. Kommen dann noch Sprachdefizite, Lernschwierigkeiten, Motivationsprobleme bezüglich Schularbeiten etc. dazu, wird es problematisch.

Die meisten Lehrer an den Berufsschulen sorgen jedoch dafür, dass während der Corona-bedingten Schulschließungen die Parkett- und Bodenleger-Azubis über digitale Plattformen, Mails oder Postzustellungen auf Lernmaterialien zugreifen können. Hackl beispielsweise bereitet die Lerninhalte so auf, dass die Azubis sie im Betrieb abarbeiten können. Die Aufgaben werden per Mail und Dropbox verteilt. Die Ergebnisse sollen dann per Mail (Theorieaufgaben) bzw. per Bilder über Whatsapp (praktische Aufgaben) dokumentiert werden.

Ähnlich wie Hackl hat auch Söllner Aufgaben entwickelt , "die Baustellensituationen beschreiben und wo Theorie und Praxis ein bisschen verschmelzen. Theoretische Punkte wie die Untergrundprüfung lassen sich auf der Baustelle herrlich umsetzen", sagt Söllner. Die Berufsschüler können sich über die Homepage unter dem Button " Lutz Söllner" die PDF-Dateien herunterladen. "Eben auch übers Handy, wenn einer keinen Computer daheim hat", sagt Söllner. Außerdem können die Schüler dort nachlesen, was für ihre Klasse gerade aktuell ist. "Wir nutzen an unserer Schule weiterhin eine sachsenweite Lernplattform (LernSax – Anm. d. Redaktion)", erzählt Söllner. "Innerhalb von wenigen Tagen ist es uns gelungen, die überwiegende Anzahl der Schülerinnen und Schüler dort anzumelden. Sie wird von Schülern und Lehrkräften intensiv genutzt. Bei den länderübergreifenden Fachklassen der Parkett- und Bodenleger war dies nicht in vollem Maße umsetzbar."

Auch die Max-Bill-Schule in Berlin hat allen Schülern einen Zugang zum virtuellen "Lernraum Berlin" verschafft. "Die meisten Klassen arbeiten damit auch relativ regelmäßig. Das wird durch diese Krise jetzt befördert", sagt Hans-Jörg Wiedemann, Leiter der Abteilung 2, zu der Boden- und Parkettleger gehören. "Allerdings hatten wir durch die große Nutzungsfrequenz des "Lernraum Berlin" Zugangsprobleme und die Seite ist temporär zusammengebrochen. Teilweise haben die Kollegen dann direkt Lernmaterialien in PDF-Form per Mail an die Betriebe geschickt", erzählt Wiedemann.

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Ernst Müller, Technischer Lehrer der Landesfachklasse der Parkettleger an der Gewerblichen Schule Ehingen: "Wir mussten den Meisterkurs Parkettleger erst mal bremsen." - © privat

Für Ernst Müller, Technischer Lehrer der Landesfachklasse der Parkettleger an der Gewerblichen Schule Ehingen, sei das jedoch leider nicht machbar, was auch daran liege, dass sie eine Blockschule sind. "Nicht jeder Schüler hat einen Computer, nicht jeder hat die Möglichkeit, darauf zuzugreifen. Also da sind wir jetzt außen vor", sagt Müller. Außerdem seien gerade die Schüler, die auf die Gesellenprüfung hinarbeiten, in der Pflicht, sich "sowieso zuhause darauf vorzubereiten und nicht alles auf die Schule zu schieben."

Azubis brauchen Zeit zum "büffeln"

Azubis, die von ihren Lehrern mit Lerninhalten versorgt werden, brauchen nur noch Zeit vom Arbeitgeber, damit sie diese auch abarbeiten können. Der Verband der Lehrer an beruflichen Schulen in Bayern ruft, so der „Münchner Merkur“ auf seiner Homepage am 23. März, Arbeitgeber dazu auf, ihren Auszubildenden in der Corona-Krise während der Arbeitszeit Freiraum zum Lernen zu geben. Die Betriebe könnten so dazu beitragen, "den Ausbildungserfolg unter diesen schwierigen Kontextbedingungen sicherzustellen", sagt VLB-Landesvorsitzender Pankraz Männlein. Aber auch die Handwerkskammern und die Innungen weisen darauf hin, "dass statt des ausgefallenen Blockunterrichts in den Ausbildungsbetrieben die theoretischen und praktischen Aufgaben erarbeitet werden sollen", sagt Hackl. Söllner ergänzt: "Die Lehrlinge sollen am Tag wenigstens eine oder zwei Stunden haben, wo sie schulische Dinge machen können."

Dies ist besonders wichtig für die Abschlussklassen der Berufsschulen. Denn die Situation wird für die Schüler noch dadurch erschwert, dass sie in den Prüfungsklassen mit der Unsicherheit über die Prüfungstermine klarkommen müssen.

Eine ungewisse Zeit für Prüfungsklassen

Bis 24. April sind erst einmal alle Prüfungstermine abgesagt. Aber wie geht’s dann weiter? Sofern Zwischenprüfungen aufgrund der aktuellen Pandemielage abgesagt werden müssen, ist zu prüfen, so der ZDH, ob eine Nachholung zu einem späteren Zeitpunkt noch möglich und sinnvoll ist. Denn Zweck der Zwischenprüfungen sei es, eine Zwischenbilanz zum Leistungsstand für Ausbildende und Auszubildende zu geben. Sofern ein Nachholtermin nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung angeboten werden kann, werde dieser Zweck jedoch nicht mehr erreicht. "Zur Entlastung der Prüflinge und deren Ausbildungsbetriebe können bei unvermeidbarem ersatzlosem Wegfall der Zwischenprüfung die verantwortlichen Kammern und Innungen bei der Zulassung zur Gesellen-/Abschlussprüfung ausnahmsweise auf den Nachweis der Zwischenprüfung verzichten", heißt es in einer Mitteilung des ZDH. Diese Möglichkeit räumt Hackl zufolge beispielsweise die HWK in Hessen für Berufsschüler der Abschlussklassen ein.

Während zum Beispiel in Baden-Württemberg und Berlin Zwischenprüfungen ersatzlos gestrichen wurden, gibt es in Hessen Überlegungen, die Zwischenprüfung im September nachzuholen. Dagegen haben die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Berlin-Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen mit Terminverschiebungen nicht zu kämpfen. Denn in diesen Bundesländern gibt es einen großen Prüfungsblock, unabhängig vom Schulbetrieb in den Sommerferien Mitte/Ende Juli. Deshalb sieht Söllner bis jetzt auch kein Problem für die Abnahme der Prüfungen. Geht die Corona-Krise jedoch deutlich in den Mai hinein, "dann wird es für den Abschlussjahrgang schwierig“, sagt Söllner. „Dann wird man Entscheidungen treffen müssen, die nicht in meinem Kompetenzbereich liegen."

Sollte die Schulpflicht länger ausgesetzt werden, wäre eine Möglichkeit, so Lehrer Wiedemann, "dass man die Theorieprüfung ersatzlos streicht und dafür die Schulnoten verwendet. Man könnte die Noten aus den ganzen Berufsschuljahren eines Schülers nehmen und daraus dann entsprechende Durchschnittsnoten bilden, die man dann als theoretische Prüfungsnote verwendet. Natürlich ist das eine Absprache zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern."

Welche Auswirkungen hat die Verschiebung auf das Ausbildungsverhältnis?

Sollte der Ersatztermin für die Prüfung nach Ende der Vertragsdauer eines Berufsausbildungsverhältnisses liegen, verlängert sich dieses nach dem Gesetz nicht automatisch bis zum Ersatztermin! Es liegt, so der ZDH, kein Fall des §21 Absatz 3 BBiG (Nichtbestehen der Abschlussprüfung) vor.

Wie der ZDH mitteilt, kann im Einzelfall eine Verlängerung des Ausbildungsvertragsverhältnisses nach § 27 c Absatz 2 HwO / § 8 Absatz 2 BBiG auf Antrag des/der Auszubildenden in Betracht kommen, wenn dargelegt wird, dass das Erreichen des Ziels der Berufsausbildung (Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit) noch nicht erreicht worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bereits vor dem entfallenden Prüfungstermin wesentliche Teile der Ausbildungszeit ausgefallen sind (z. B. wegen Quarantänemaßnahmen, Betriebsschließungen, Berufsschulschließung, Ausfall von ÜLU o. ä.).

Damit Auszubildende bis zu ihrem Prüfungsabschluss in der Ausbildung bleiben und sich im Betrieb auf die Prüfung vorbereiten können, empfiehlt der ZDH, dass die Handwerks-kammern Anträgen auf Verlängerung der Ausbildung bis zum nächsten Prüfungstermin wegen der atypischen Ausnahmesituation der Corona-Epidemie großzügig – in Analogie zu § 27 c Absatz 2 HwO / § 8 Absatz 2 BBiG – stattgeben. Der Betrieb hat hier ein Anhörungsrecht, so dass er seine Belange einbringen, nicht aber eine sachgerechte Entscheidung der Kammer verhindern kann. Auf diese Weise sind sowohl Auszubildende als auch Betriebe in die Entscheidung eingebunden.

Und wie sieht’s bei den Meisterprüfungen aus? Den Meisterkurs für Parkettleger an der Gewerblichen Schule Ehingen beispielsweise "mussten wir erst mal bremsen. Uns fehlen zwei Wochen Unterrichtsstoff", sagt Müller. "Wir wissen nicht, wann wir die Prüfung – sie wäre an Ostern gewesen – beziehungsweise die zwei Wochen Schule nachholen sollen und wann die Prüfung stattfindet."

Ab wann genau wieder Prüfungen durchgeführt werden dürfen, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorhersagen. Das hängt von der Risikobewertung hinsichtlich Infektionsschutz der zuständigen Stellen ab sowie den landesspezifischen Regelungen und allen behördlichen Anordnungen, denen Folge zu leisten ist.
Unterricht, Meisterkurse & Co: Hier können sich Auszubildende, Meisterschüler sowie Teilnehmer an Fort- und Weiterbildungen über den aktuellen Stand an ihrer Handwerkskammer informieren.

ZDH: Kann eine Zulassung zur Prüfung erfolgen, wenn die Auszubildenden über einen längeren Zeitraum keinen Berufsschulunterricht erhalten haben und/oder der Ausbildungsbetrieb geschlossen war?

Grundsätzlich gilt § 36 Absatz 1 Nr. 1 HwO. Danach besteht ein Anspruch auf Prüfungszulassung, wenn die Ausbildungsdauer zurückgelegt worden ist oder diese nicht später als zwei Monate nach dem Prüfungstermin endet. Es kommt dabei nicht nur auf den zeitlichen Ablauf der Ausbildungsdauer an, sondern auch darauf, dass während der Ausbildungszeit die Ausbildung an beiden Lernorten tatsächlich stattgefunden hat. Auch die überbetriebliche Ausbildung ist dabei zu berücksichtigen. Als Faustregel gilt, dass bei einem Ausfall von Ausbildungszeit im Umfang von weniger als 15 Prozent der Ausbildungsdauer von Geringfügigkeit auszugehen ist, sodass eine Zulassung dennoch erteilt werden kann.

Im Übrigen sind laut ZDH die Umstände des Einzelfalls bei der Prüfungszulassung zwingend zu berücksichtigen. Es ist beispielsweise möglich, dass Berufsschulunterricht über Lernplattformen erteilt worden ist, sodass der Ausfall des Präsenzunterrichts nicht in vollem Umfang als Fehlzeit zu werten ist.

Sind beide Parteien des Ausbildungsverhältnisses daran interessiert, die Ausbildung zu verlängern, um ausgefallene Ausbildungszeit nachzuholen, rät der ZDH den Handwerkskammern, entsprechende Anträge genehmigen.