Wiener Modell Qualifikationsoffensive - Am Anfang steht das Schnuppern"> Wiener Modell Qualifikationsoffensive Am Anfang steht das Schnuppern

Die Wiener Landesinnung setzt mit der Berufsschule ihre Qualifikationsoffensive für mehr Lehrlinge im Bodenlegerhandwerk fort und gilt damit als Vorbild für andere Handwerksbranchen.Am Anfang steht das Schnuppern Die Situation im Ausbildungssektor ist relativ unbefriedigend. Auf der einen Seite klagen die Betriebe darüber, dass sie keine guten Lehrlinge zur Ausbildung bekommen. Auf der anderen Seite finden immer mehr Jugendliche keine Lehrstelle, weil sie den Anforderungen der Ausbildungsbetriebe oft nicht genügen. Genau hier setzt das „Wiener Modell“ an und bringt seit mehreren Jahren gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) Angebot und Nachfrage auf dem Lehrstellensektor zusammen. Praxis-Schnupperkurse Jedes Jahr im September werden von den verschiedenen Arbeitsmarktservicestellen in Wien 80 bis 100 Jugendliche ausgesucht, die keine Lehrstelle finden konnten. Diese Ausbildungswilligen werden in einem dreiwöchigen „Schnupperkurs“ mit den Aufgaben der Lehrberufe Bodenleger und Maler bekannt gemacht. Dabei machen sie nicht nur praktische Arbeiten wie das Herstellen eines Linolbrettes oder eine grafische Wandgestaltung, sondern werden auch mit der Theorie der beiden Berufe konfrontiert. Wie die beiden Betreuer Christian Steurer und Alexander Kainer betonen, werden, damit nicht nur das Interesse an den beiden vielfältigen Berufen geweckt, sondern mit falschen Vorstellungen gleich im Vorfeld aufgeräumt. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigte, dass die Abbruchquote der Schnupperkursteilnehmer viel geringer ist als bei herkömmlichen Lehrlingen. Viele Jugendliche nutzen diese für sie oft letzte Chance, einen Ausbildungsplatz zum Facharbeiter zu bekommen, und legen sich dafür mächtig ins Zeug. Von den anfänglichen 80 verbleiben nach drei Wochen an die 20 Jungen und immer öfter auch Mädchen. Die jungen Leute bekommen genau das, was sie sich sehnlich wünschen: eine Lehrstelle. Vorteil für beide Seiten Die Firmenchefs, die bei den Trainingstagen die Jugendlichen „live“ bei der Arbeit beobachten können, sehen sofort, wer willig und geeignet ist für die beiden Handwerke. Bereits in der ersten Woche hatten so vier Jugendliche einen Lehrplatz in der Tasche. Für die oft sehr frustrierten Jugendlichen ist diese Aktion das Sprungbrett in ein gesichertes Berufsleben. „Ich habe im letzten Jahr jeden Tag fünf bis zehn Bewerbungen für alle möglichen Berufe geschrieben, aber nur Absagen erhalten“, erzählt Michelle Svitavsky aus Wien. Eigentlich wollte die Absolventin der Unterstufe des Gymnasiums nach einem Jahr in der „Grafischen“ HTL, Fachrichtung Fotografie, eine Ausbildung zur Malerin und Anstreicherin machen. Beim Schnupperlehrgang hat der zierlichen jungen Frau aber das Bodenlegen plötzlich sehr gefallen. „Ich finde den Umgang mitden schweren Maschinen und die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten einfach toll“, schwärmt die 17-Jährige über das junge Handwerk. Für die aktive Fußballerin ist das Bodenlegen zwar ein schwerer Beruf, den sie aber nicht scheut. „Ich hoffe, dass meine Knie durchhalten, aber man muss ja nicht sein ganzes Berufsleben darauf verbringen, sondern kann z. B. auch als Bauleiter aufsteigen.“ Weil sie in der Freizeit gerne zeichnet und fotografiert, fällt der jungen Frau auch das Fachzeichnen leicht. Deshalb hofft die engagierte Jugendliche auf die lange ersehnte Lehrstelle im Handwerk. Ausbilderprüfung Wie die Innungsverantwortlichen und Berufsschullehrer Kommerzialrat Christian Dobianer und Innungsmeister Heinz Hofer mit ihrem sehr engagierten Kollegen Leopold Radlinger betonen, werden in Wien nicht nur jedes Jahr an die 20 neue Meister ausgebildet. Auch bestehende Innungsmitglieder und Neueinsteiger, die nur einen Teilgewerbeschein haben, werden zu einer Weiterbildung motiviert. Deshalb absolvieren sie verschiedene Module im Rahmen der Meisterkurse. Dieses Modell hat sich in Wien für die Weiterbildung bewährt. Weil die Bodenlegermeister in der Vergangenheit oft die Ausbilderprüfung im Wirtschaftsförderungsinsitut nicht gemacht hatten, hat die Landesinnung der Bodenleger in Wien gemeinsam mit anderen Baugewerken einfach selbst diese Kurse in der Berufsschule organisiert. Hier werden die Absolventen gleich nach der Meisterprüfung fit für das Ausbilden von Lehrlingen gemacht. Die Kursteilnehmer sind mit dem Angebot sehr zufrieden und daher ist auch die Weiterempfehlungsquote stets sehr hoch. Mit diesen Maßnahmen sehen sich die Innungs- und Berufsschulverantwortlichen auch in Zeiten von rückläufigen Geburtenzahlen gewappnet, um noch mehr Jugendliche von den Chancen und den interessanten Aufgaben des Handwerks zu überzeugen. Weil das Modell bei den Bodenlegern und Malern so gut ankommt, plant der AMS, dieses Angebot auch auf andere Handwerksbranchen auszuweiten. Schön, dass die Wiener Bodenleger nicht nur für die gesamte Branche in Österreich als Vorbild gelten können, sondern dass sich auch andere Handwerke die guten Ideen der Bodenleger abschauen. Thomas Mayrhofer