bwd im Gespräch Ivo Schintz, Geschäftsführer Tarkett Zentraleuropa In Gewinn pro Quadratmeter denken

Sortimentstraffung, individuellere Kundenbetreuung, Preistransparenz. Vor einem Jahr kündigte Tarkett einen Strategiewechsel an, um dem Wildwuchs im deutschen Handelsgeschäft Einhalt zu gebieten. Trägt die neue Strategie Früchte?In Gewinn pro Quadratmeter denken bwdHerr Schintz, vor ziemlich genau einem Jahr sorgte die Ankündigung, sich im Rahmen der neuen Fokusstrategie von unrentablen Kunden trennen zu wollen, für Gesprächsstoff. Im Fokus sollten die Top-400-Tarkettkunden stehen. Haben Sie den übrigen 1600 Kunden die Tür zugeschlagen? SchintzNein, der Kundenfokus hat nicht dazu geführt, dass wir uns von Kunden getrennt haben. Er hat vielmehr dazu geführt, dass wir insbesondere beim Kundenstamm unseres Handelsgeschäftes eine intensive Potenzialanalyse durchgeführt haben. Und wir haben festgestellt: Wir haben in vielen Bereichen bei unseren Kunden noch Entwicklungspotenzial. bwdUnter Kunden mit Potenzial verstehen sie diejenigen, die das gesamte Tarkett-Produktportfolio listen, also nicht nur CV, Parkett oder Laminat, sondern idealerweise das gesamte Produktportfolio. SchintzDas kann man so sagen, ja. Und ganz logisch. Diese Premiumkunden bekommen von uns ein anderes Leistungspaket. Sie werden intensiver betreut, beispielsweise wenn es um Marketingservice oder die Besuchsfrequenz geht. bwdIm Umkehrschluss könnte man behaupten: Guten CV-Kunden, die beispielsweise auch weiterhin ihren Parkettbedarf anderweitig am Markt decken wollten, wurde mit Liebesentzug gedroht. SchintzGanz und gar nicht. Unsere Kunden konnten das Konzept und die dahinterstehende Philosophie nachvollziehen. Wir sind nicht auf Widerstände gestoßen. Im Gegenteil. Die Kunden akzeptieren, dass wir Leistung im Sinne von „mehr Produktgattungen listen“ belohnen. Aber natürlich geht das alles nicht von heute auf morgen. Im Grunde sind wir ja froh, wenn unsere Kunden Lieferantentreue zeigen. Wir haben vollstes Verständnis, wenn eine Entscheidung zu Gunsten von Tarkett nicht immer schnell getroffen werden kann. Ich möchte aber noch ergänzen: Wir haben uns bei der Potenzialanalyse nicht nur das Umsatzpotenzial der Kunden angesehen, sondern das viel wesentlichere Entscheidungskriterium: Was können wir gemeinsam mit einem Kunden verdienen? bwdDirektkunden, die hier schlecht abgeschnitten haben wurden dann auf den Großhandel umgestellt oder? SchintzNein, das ist in der Praxis so nicht erfolgt. Der Kunde hat die Freiheit, zu kaufen, wo er will. Wir haben ihn zu nichts gezwungen. Wir haben lediglich das Leistungspaket differenziert, das wir einem Kunden anbieten, der ein bestimmtes Marktpotenzial hat. bwdAber ich erinnere mich schon noch an die Ansage, künftig den Großhandel mehr als bisher in die Pflicht nehmen zu wollen. Hatten Sie sich vom Großhandel nicht eine intensivere Vermarktungsfunktion gewünscht? SchintzDer professionell organisierte Bodenbelaggroßhandel hat unsere Botschaft verstanden und unsere Ideen positiv aufgenommen. Wir diskutieren intensiver als bisher Möglichkeiten, die gegenseitige Wertschöpfung zu optimieren. Wir sind auf dem Weg, die partnerschaftliche Zusammenarbeit zu stärken, einen Riesenschritt vorangekommen. Mein Eindruck ist: Der Großhandel versteht, dass er, geht es um Lagerhaltung und Logistik, seine Leistung zu erbringen hat. bwdMängel beim Lieferservice waren ja eine der Beweggründe, im Zuge der Fokusstrategie auch die Logistik unter die Lupe zu nehmen und das Produktportfolio drastisch auszudünnen. Von einer glatten Halbierung des Produktangebotes war die Rede. SchintzWir haben sicherlich im CV-Bereich unser Angebot um 35 Prozent reduziert. Man kann nicht 3000 Produkte im Acht-Stunden-Takt liefern. Das geht besser, wenn man 2000 oder 1500 Produkte am Lager hat. Wir haben heute in vielen Bereichen die geforderte 95-prozentige Lieferfähigkeit übertroffen. Es ist mir wichtig, zu betonen, dass wir erhebliche Investitionen durchgeführt haben, um die Lieferfähigkeit deutlich zu verbessern. Das betrifft auch die Organisation innerhalb der Produktion. Wir können wieder auf Lager produzieren. bwdIn welcher Preiskategorie wurden denn am meisten Produkte gestrichen? SchintzWir haben ganz klar im Niedrigpreisbereich gestrafft. Wir benötigen das Einstiegsprodukt, aber unser Fokus liegt auf dem Mittelpreissegment und auf hochwertigen Produkten. bwdIst damit eine Reduzierung des Engagements in der Großfläche verbunden? SchintzIn bestimmten Produktkategorien ja, das war die Konsequenz. Wir wollten ein gewisses Renditeziel erreichen, haben dafür im Handelsgeschäft bewusst auf Absatz verzichtet, aber im Gegenzug die Produktivität verbessert. Eines ist doch logisch: Wir verdienen alle an 12 Euro mehr als an 6 Euro. Die ganze Branche weiß nicht nur in Prozentsätzen zu denken, sondern in Gewinn pro Quadratmeter. bwdEin weiteres Anliegen der vor Jahresfrist gestarteten Fokusstrategie war es, im zunehmend undurchsichtigen Preis- und Konditionensystem Transparenz zu schaffen. Ist Ihnen das gelungen? SchintzWir haben zunächst ein sehr rigides Preismodell im Markt eingeführt, das wir inzwischen geringfügig nachjustiert haben. bwdWas heißt das konkret? SchintzWir haben unsere Außendienstmitarbeiter in die Lage versetzt, im Tagesgeschäft Verhandlungen innerhalb definierter Preisspielräume flexibel zu führen. Wir kommen aus einer Vergangenheit, wo vieles möglich war, und ich muss an dieser Stelle ein Kompliment an unsere Mannschaft aussprechen. Das funktioniert bestens. Wir gehen mit Konditionen und Preisen sehr verbindlich um. bwdVor gut zehn Jahren war Tarkett noch der Inbegriff für Parkettfußböden. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Welche Perspektive hat der Holzfußboden? Reicht es aus, wenn Premiumkunden Parkett neben CV mitlisten? SchintzEs ist ganz klar, dass wir im Handelsgeschäft bei Holz, aber auch bei Laminat, verloren haben. Aber ich kann Ihnen heute schon versprechen: Was Parkett und Laminat betrifft, kann der Markt in Zukunft von Tarkett einiges erwarten. Bei CV sind wir Spitzenreiter und können unsere Position durch die Platzierung hochwertiger Produkte optimieren. Aber das Volumenwachstum wird in Zukunft definitiv aus den Produktgattungen Holz und Laminat kommen. bwdDann erzählen Sie doch mal! SchintzNachdem wir mit „Select“ die erste R10-Qualität auf den Markt gebracht haben, werden wir unsere Laminatkollektion ergänzen und modernisieren. Mit „Woodstock“ , „Legacy“ und „Smart“ entwickeln wir uns bei Laminat weiter in Richtung höherwertiges Sortiment. Im Parkettbereich werden wir die „Viva“-, „Salsa“- und „Epoque“-Sortimente verstärken. Außerdem forcieren wir unser Angebot an Alternativen zu Tropenhölzern und setzen darüber hinaus auf zertifizierte Hölzer. bwdWas darf der Markt im CV-Bereich erwarten? SchintzVor allem viele neue Designs mit 23 brandneuen Dekoren. Wir zeigen bereits einige der neuen CV-Kollektionen 2009/ 2010 ausgewählten Kunden. Was verstärkt wird, ist auch der CV-Belag auf Textilrücken mit dem Vorteil, dass diese Konstruktion leichte Unebenheiten des Unterbodens verzeiht. Für den Semi-Commercial-Bereich legen wir einen Teil der Kollektion „Traffic“ für drei Jahre neu auf. Weiter nach vorne gehen wir auch bei Homogenbelägen, „Granit“ wird ganz neu gestaltet und kommt im September auf den Markt. Neu wird hier eine Akustiklösung sein. Schließlich werden wir uns noch stärker auf Linoleum fokussieren und mit Lino 2009 die Farbrange erweitern. Lino XF ergänzen wir um einen schmutzverbergenden Schmelzdraht. bwdLinoleum bleibt für Tarkett also ein Thema. SchintzAbsolut! Wir verzeichnen bei Linoleum zweistellige Zuwächse. bwdHerr Schintz, vielen Dank für das Gespräch. Mit Ivo Schintz sprach bwd-Redakteur Stefan Heinze anlässlich eines Redaktionsbesuches in Bad Wörishofen.

bwd im Gespräch Ivo Schintz, Geschäftsführer Tarkett Zentraleuropa In Gewinn pro Quadratmeter denken

Bleiben Sie informiert

Sie möchten schon gehen? Das ist schade.