Podiumsdiskussion Handelsmarken versus Herstellermarken Knapp 30 Prozent billiger

Sind die Hausmarken des Großhandels für den Handwerker die bessere Alternative? Welche Auswirkungen haben sie auf das Preisgefüge? Diese und weitere brisante Fragen standen im Zentrum einer Podiumsdiskussion auf dem Copa Forum 2010.Knapp 30 Prozent billiger Alles Müller oder was? In vielen Fällen durchaus. Bei Aldi heißt der Joghurt mit der Ecke „Desira“ und bei Lidl gibt es den Knusperjoghurt unter dem Label „Linessa“. Handelsmarken sind im Konsumgütergeschäft seit Langem gang und gäbe und nicht selten stecken dahinter namhafte Hersteller. Auch im Business-to-Business-Segment haben Hausmarken in den letzten Jahren verstärkt Einzug gehalten. Der Handel bezieht die Produkte dabei von verschiedenen Herstellern. So finden sich beispielsweise in den Hauskollektionen der Bodenbelagsgroßhändler und Verbundgruppen Teppichböden von Dura, Vorwerk oder TWN. Was veranlasst den Großhandel, statt auf Herstellermarken zunehmend auf Eigenmarken zu setzen? Welche der beiden Markentypen ist mehr wert? Sollte der Bodenleger einem Markentyp den Vorzug geben? Wie bewerten Hersteller die Hausmarkenoffensive und welche Auswirkungen hat diese auf das Preisgefüge im Markt? Fragen über Fragen, die auf dem Copa Forum 2010 in Straßburg Mitte Mai von Vertretern aus Industrie und Handel diskutiert wurden (siehe Kasten: Die Teilnehmer). Einigkeit herrschte unter den Diskutanten noch darüber, was eine gut positionierte Marke schaffen kann, nämlich Orientierung, Sicherheit und Vertrauen. Für Bernhard ter Hürne, Geschäftsführer der ter Hürne GmbH & Co KG, Südlohn, ist das Qualitätsversprechen alleine allerdings viel zu wenig. In einer Überflussgesellschaft, wo alle alles haben, würden noch weitere wesentliche Funktionen dazukommen: Inszenierung und emotionale Ausstrahlung beispielsweise. So weit, so gut. Doch wer beispielsweise von Teppichbodenmarken spricht, spricht von Marken, die dem Endverbraucher in der Regel nicht bekannt sind. Selbst die Marke Vorwerk bezieht ihren Bekanntheitsgrad beim Endverbraucher nicht vom textilen Bodenbelag. Vorwerk, damit assoziiert Lischen Müller die Küchenmaschine oder den Staubsauger. Eine Endverbrauchermarke aufzubauen gliche in unserer Branche einer Sisyphusarbeit, die Millionen Euro verschlingen würde und am Ende doch nicht erfolgreich wäre. Das Problem: Der Fußboden ist kein Konsumgut des täglichen Bedarfs. Im Schnitt alle sieben Jahre entscheidet sich Otto Normalverbraucher für einen neuen Bodenbelag. Lediglich dann wäre er in einer wenige Wochen dauernden Entscheidungsphase für eine Markenbotschaft offen. Ein minimales Zeitfenster, für das kein Marketingmann Unsummen für TV-Spots oder Anzeigenkampagnen in Publikumszeitschriften ausgeben würde. Nein, im Fokus der Herstellermarke, und Handelsmarken stehen in unserer Branche der Fachhandel und der Verarbeiter. Doch ticken die anders als Endverbraucher? Müssen sie anders angesprochen werden? Jörg Ludwig Jordan, Chef des gleichnamigen Großhandelshauses, besitzt mit Joka (steht für Jordan Kassel) eine der etabliertesten Handelsmarken in der Fußbodenbranche. Im Gegensatz zur klassischen Produktmarke betrachtet er seine Handelsmarke als ein System, das Qualitätsprodukte, Service, Dienstleistung, Beratung und Zuverlässigkeit vereint, „all das, was den Großhändler zum Partner des Handwerkers macht“. Dienstleistung und Service sind auch in den Augen von Dr. Werner Utz, Vorstandsvorsitzender der Uzin Utz AG, primäre Attribute einer Handelsmarke. Damit ziele diese weniger auf die Produktebene als vielmehr auf die Persönlichkeitsebene. Und das, so Utz, sei ja schließlich die Stärke einer Handelsmarke. Dem pflichtet auch Rigromont-Chef Claus Hoffmann bei. „Marke ist die Dienstleistung, ist das, was wir für unseren Kunden, den Verarbeiter tun.“ Hinter der Rigromont-Marke Casa Nova sieht Hoffmann konsequenterweise die Menschen, die dem Verarbeiter das Gefühl geben, dass er hier Qualität bekommt, um sich vom Baumarkt abzugrenzen. Damit berührt Hoffmann einen Punkt, der seit jeher das Beziehungsgeflecht Hersteller - Fachhandel massiv beeinflusst. Weil Herstellermarken zunehmend auch im Baumarkt zu haben sind, kann sich der Fachhandel immer weniger mit diesen Marken gegenüber dem Wettbewerb der Großfläche profilieren. Hoffmann: „Was man der Herstellermarke jetzt abverlangen muss, sind ein klares Bekenntnis zum Großhandel und eine Garantie für einen Profit, den wir mit den Herstellermarken erwirtschaften können.“ Sinkende Margen und mangelndes Profilierungspotenzial mit Herstellermarken sind zwei wesentliche Auslöser für das Erstarken von Handelsmarken. Wenn Teppichböden namhafter Qualitätsanbieter in Baumärkten zu Dumpingpreisen angeboten werden, gehen dem Handwerker die Argumente für Qualität und Preis flöten. „Da fehlt die Wertschöpfung nicht nur auf Großhandelsseite sondern auch beim Handwerker“, sagt Jordan und ter Hürne räumt ein, dass eben viele Hersteller den Fehler machen und die Preisdisziplin nicht einhalten. Deshalb überrascht es auch Ingrid Veeser, Geschäftsführerin des gleichnamigen Großhandelshauses und mit ihrem Unternehmen Mitglied der Bonflair-Gruppe, nicht wirklich, dass der Handwerker vermehrt die Eigenmarke nachfragt. Die ist nicht an jeder Ecke zu haben und entzieht sich damit in der Regel der Preisdiskussion. Vor allem aber: Im Gegensatz zu Herstellermarken ist die Preisrecherche via Internet für Handelsmarken kaum möglich. Veeser legt offen, dass der Großteil des Umsatzes in ihrem Großhandelshaus mit der Eigenmarke Bonflair generiert wird und dadurch höhere Deckungsbeiträge geschaffen werden. Dass die Handelsmarken den Herstellermarken inzwischen fast den Rang ablaufen, daran tragen die Hersteller wesentlich mit Schuld. „Handelsmarken sind immer auch das Ergebnis von Überkapazitäten“, sagt ter Hürne und die landeten dann schon mal in Vertriebskanälen, die sich auf das Mengengeschäft verstehen. Eine jüngst erschienene Studie von Simon, Kucher und Partners zu Handelsmarken im B2B-Bereich bestätigt, dass der Mengendruck, der auf der Produktion lastet, auch ein wesentlicher Grund ist, warum Markenhersteller Handelsmarken beliefern. Handelsmarken bieten den Herstellern die günstige Gelegenheit, zusätzliche Mengen abzusetzen. Bei Rigromont geschieht das im Rahmen der Dachmarke Casa Nova ganz augenfällig, indem es beispielsweise heißt: „Casa Nova made bei Anker, Hamberger, Gründorf usw.“ Überspitzt ausgedrückt bieten Handelsmarken der Industrie aber auch die Möglichkeit, einen regionalen „Gebietschutz“ oder bestehende exklusive Vertriebsvereinbarungen zu unterlaufen. Will man einen vorhandenen starken Großhandelspartner nicht schwächen, indem man dessen Wettbewerber ebenfalls die lukrative Industriemarke anbietet, kann man ihm das Produkt immer noch „getarnt“ im Rahmen einer Handelskollektion anbieten. Die Simon-und-Kucher-Studie, die sich auf eine Umfrage unter Markenherstellern in der Bauindustrie stützt, liefert noch weitere Details, die die Aussagen der Diskussionsteilnehmer stützen. Die Preise der Handelsmarken liegen im Schnitt etwa 27 Prozent unter denen der Premiummarken. Und: Der Handel kann durch die Preisstellung seiner Marken seine Marge prozentual verbessern. Dass die absolute Marge am Ende deutlich niedriger ausfällt, als mancher Großhändler glauben mag, hängt damit zusammen, dass von dem Wertschöpfungsbeitrag bei Handelsmarken diverse Kosten abgezogen werden müssen, die entstehen, weil Händler Verpflichtungen wie Abnahmemengen, Herstellergewährleistung oder auch Sortimentspflege mittragen müssen. Bei allen Vorteilen, die Handelsmarken auch der Industrie bringen, führt Utz einen wesentlichen allgemeinen Nachteil von Handelsmarken ins Feld. Sein Credo: „Handelsmarken behindern den technischen Fortschritt.“ Seiner Überzeugung nach wird beim Aufbau einer Handelsmarke eher das Risiko gescheut, innovative Produkte, die sich vielleicht noch nicht so am Markt durchgesetzt haben, aufzunehmen. „Da können wir als Industrie eher ins Risiko gehen, weil wir von unseren Handwerkskunden einen riesigen Vertrauensvorschuss auf unsere Marke haben“, sagt Utz. Für den Ulmer kommen die Anregungen für Innovationen ohnehin eher aus dem Handwerk als aus dem Handel. Und Vorwerk-Geschäftsführer Johannes Schulte ergänzt: „Innovation kommt nicht aus Gleichklang sondern aus Mut und Risiko.“ Zwei Faktoren, die Schulte eher beim Hersteller ansiedelt. Dass die Innovation vom Hersteller kommen muss, daran zweifelt auch Jordan nicht. „Die Produktkompetenz muss bei der Industrie sein.“ Was nun also? Sind Handelsmarken Kannibalen im eigenen Lager, wie es die Simon-und-Kucher-Studie provozierend formuliert oder gibt es ein sinnvolles Nebeneinander im Markt, einem Markt, wohlgemerkt, der schrumpft. Und geht es, wie ter Hürne es formuliert, überhaupt darum, Handelsmarken oder Industriemarken zu verkaufen? Geht es nicht eher um die Frage, wie man als Wertschöpfungskette innerhalb der Raumausstattungsbranche konkurrieren kann mit Konsumgüterbranchen wie Reise oder Automobil? Am Ende proben die Diskussionsteilnehmer einmal mehr den Schulterschluss. „Eine Industriemarke ist auch in einem Haus mit starker Handelsmarke willkommen, wenn sie sich von ordinären Großhandelsortimenten absetzt“, sagt etwa Jordan, der rund 60 Prozent seines Umsatzes mit der eigenen Marke realisiert. „Sinnvolle Abgrenzung in einer verlässlichen Partnerschaft“, auf diese Formel will es Jordan bringen. Sein Großhandelskollge Claus Hoffmann mahnt eine neue Partnerschaft zwischen Hersteller und Großhandel an, die durchaus das Nebeneinander von Hersteller- und Handelsmarken erlaubt. „Wir können nicht ohne Herstellermarken, aber die müssen uns mitnehmen, zu uns stehen und vertriebstreu sein.“ Das ist die Voraussetzung für eine „friedliche Koexistenz“, wie sie auch Ingrid Veeser sieht. Wenn es dann noch gelingt, gemeinsam wertiger zu vermarkten, wie es Vorwerk-Chef Schulte fordert, sieht es um die Zukunftsfähigkeit gar nicht so schlecht aus. „Wenn die Mengen zurückgehen, kann ich die Preise nicht senken.“ Da ist was Wahres dran.Stefan Heinze stefan.heinze@holzmann-medien.de

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