Die beste Marketingidee im Handwerk hat Schreinermeister Udo Herrmann und seiner Frau Birgit vergangenes Jahr den von boden wand decke und UFloor Systems verliehenen Branchenoscar eingebracht. Dass der Betriebsinhaber einmal Deutschlands bester Fotograf war, erleichtert dem Vorzeigeunternehmen die Außendarstellung.
Hölzern ist hier nur das Material
Und dem Kunden die Entscheidung. In Wort und Bild hat der dreifache Familienvater die Präsentation edelster Holzfußböden und ihrer Verarbeitung perfektioniert. Mit wenigen, dafür aber gezielten Fragen versucht er, den Einrichtungsgeschmack seines Visavis zu ergründen. Sie mögen es klassisch, eher dunkel in der Farbe, dafür modern-reduziert in der räumlichen Anordnung? „Dann habe ich hier etwas für Sie“, sagt Udo Herrmann und klappt sein Notebook auf. Mehrere tausend Fotografien zeigen die verschiedensten Hölzer in allen möglichen Raumsituationen.
Weitere Anregungen liefern eine perfekt durchgestylte Homepage, ein in TV-Qualität produzierter Imagefilm über den unterfränkischen Acht-Mann-Betrieb und zielgruppenorientierte Veröffentlichungen wie ein Firmenprofil im Bauhandwerk-Branchenverzeichnis „profi-seiten“ (Bauherrn) oder der in Eigenregie produzierte Hochglanzprospekt „A la carte“ (regionale Gastrobetriebe).
Denn die erste Frage, die für ein durchdachtes Marketingkonzept beantwortet werden muss, lautet: Wen will ich erreichen? Udo Herrmann hat für sich längst die Antwort gefunden – und auf Verschiebungen in den unterschiedlichen Marktsegmenten reagiert. Wurden früher am oberen Ende der Preisliste vorzugsweise Eichendielen gewählt, muss heute das Angebot exklusiver sein. Für ebenholzähnliche Makassardielen zahlen stilbewusste Kunden schon mal 600 Euro pro Quadratmeter. Wem das unglaubwürdig erscheint, dem zeigt der Unternehmer im Handwerk Bilder der Objekte, die er für eine Frau aus der russischen Hautevolee realisiert hat. „Den Wellnessraum aus Massivholz haben wir zuvor in der Werkstatt komplett nachgebaut“, erzählt er. Um die Größenordnung zu verdeutlichen: Die Dame plant für ihr nächstes Domizil in Moskau mit einer Wohnfläche von 1.000 Quadratmeter. Will Herrmann auch da wieder zum Zug kommen, muss er in erster Linie eine Regel beherzigen: „Ich muss mich mit dem Preisniveau in der russischen Hauptstadt auseinandersetzen, damit ich nicht zu billig anbiete“, sagt er.
Während in der bevorzugten Zielgruppe des ehedem jüngsten Schreinermeisters im Freistaat also Schnäppchen nicht gefragt sind, haben sich auch in den anderen Marktsegmenten die Gewichte verschoben – in die andere Richtung. Die kaum noch nennenswert vorhandene Mittelschicht, die früher Markenstabparkett im Wohnzimmer haben wollte, greift längst ebenso zur Billigvariante wie am unteren Ende der Skala der Laminatkunde. Für Udo Herrmann eine Entwicklung, zu der es Parallelen in anderen Märkten gibt: „Reiseveranstalter verkaufen heute entweder exklusivste Fernreisen oder die Übernachtung für Selbstversorger in einer Hütte in Österreich.“ Derlei Analysen, die der roomy-award-Gewinner des vergangenen Jahres mittlerweise auf Wunsch auch selbst am Rednerpult erläutert, hießen nun nicht, dass die Parkettprofis aus Nordbayern nur mehr in den Großstadtlofts dieser Welt den Boden für anspruchsvolles Wohnen bereiten würden. Im Gegenteil, der Betriebsinhaber schätzt die Aufträge aus dem heimischen Landkreis Miltenberg, der freilich fast schon zum Frankfurter Speckgürtel zählt, auf einen Anteil von 80 Prozent am Gesamtgeschäft.
Motivierte Mitarbeiter sind gute Mitarbeiter
Weil der umtriebige Unternehmer aber gleichzeitig immer auf der Suche nach neuen Ideen wie einem 24-Stunden-Service für die Parkettsanierung, der Maßanfertigung des Mobiliars (dafür wurde gerade ein weiterer Schreinermeister eingestellt) oder dem Designentwurf und Aufbau für den Messestand eines Großkunden in Amsterdam ist, tut die Motivation der großenteils durch Familie ortsgebundenen Mitarbeiter Not. Wenn es darum geht, Argumente an die Hand zu bekommen, die den angestellten Parkettlegermeistern eine mehrtägige Dienstreise versüßen würden, fühlt sich Udo Herrmann vom Gesetzgeber im Stich gelassen.
„Wir bezahlen ohnehin übertariflich. Und der steuerliche Status quo führt dazu, dass eine weitere Lohnerhöhung dem Mitarbeiter weniger nützt als sie dem Betrieb schaden würde.“ Nun wäre Herrmann nicht Herrmann, hätte er nicht längst Lösungsansätze erarbeitet, die für ihn praktikabel sind. So beteiligt sich der Vordenker aus Bürgstadt an den Kosten, die bei der Belegschaft für Kindergartenplätze anfallen. Er stellt Arbeitskleidung und denkt darüber nach, täglich die Verpflegung zu übernehmen; und der kreative Handwerksmeister mit Hauptschulabschluss hat ein Bonussystem geschaffen, über das die Beschäftigten zu einem Extramonatsgehalt kommen können, sofern sie die Bemessungskriterien Qualität, Aufgabenerfüllung und Unternehmenserfolg auf das Jahr gesehen optimal erfüllen.
Der Vorzeigebetrieb hat es so geschafft, die Innovationskraft aus dem Dienstleistungsangebot, das durch die beispielhafte Kooperation mit Kollegen aus den Gewerken Stahl-/Metallbau, Restauration/Kirchenmalerei und Elektro/Haustechnik auch für namhafte Architekten interessant ist, konsequent auf die Organisation der internen Abläufe zu übertragen. Ein weiteres Beispiel dafür ist ein mit einem Zertifizierungsspezialisten erarbeitetes Qualitätshandbuch, das individuell für jeden Mitarbeiter, aber auch Udo und Birgit Herrmann selbst Jahresziele, Stellenbeschreibungen sowie Verfahrensanweisungen festlegt. Darin findet sich eine Anleitung, wie mit defekten Maschinen umzugehen ist, ebenso wie Checklisten für das Material, um Leerfahrten zu vermeiden, weil etwas vergessen wurde. Prüfung, Qualität und Organisation werden alle sechs Monate mit den Beschäftigten persönlich überprüft. Sein Jahresziel für 2007 hat Udo Herrmann erreicht: „Wir wollten unbedingt den roomy-award gewinnen.“
Reinhold Kober
reinhold.kober@holzmannverlag.de